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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Arbeitslandpräferenzen nationaler und internationaler Medizinstudierender in Ungarn – Deutschland als Option?

Meeting Abstract

  • Axel Bartels - Medizinische Klinik III / Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Bereich Allgemeinmedizin, Dresden, Deutschland
  • Karen Voigt - Medizinische Klinik III / Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Bereich Allgemeinmedizin, Dresden, Deutschland
  • Henna Riemenschneider - Medizinische Klinik III / Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Bereich Allgemeinmedizin, Dresden, Deutschland
  • Nóra Faubl - University of Pécs, Department of Behavioral Sciences, Pécs, Ungarn
  • Ferenc Horváth - Semmelweis University Budapest, Public Health Department, Budapest, Ungarn
  • Antje Bergmann - Medizinische Klinik III / Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Bereich Allgemeinmedizin, Dresden, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP024

doi: 10.3205/15dkvf216, urn:nbn:de:0183-15dkvf2169

Published: September 22, 2015

© 2015 Bartels et al.
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Text

Hintergrund: Die Zuwanderung ausländischer Ärzte nach Deutschland ist für Regionen, in den Ärzte fehlen, für die Patientenversorgung von wesentlicher Bedeutung geworden [1]. Circa 10% der berufstätigen Ärzte in Deutschland sind ausländische Ärzte. Im Jahr 2013 wanderten 3.345 ausländliche Ärzte nach Deutschland ein, davon 544 (16,3%) aus Rumänien, 291 (8,7%) aus Griechenland und 195 (5,8%) aus Ungarn [2]. Ungarn, als Land der geringsten geographischen Nähe zu Deutschland im Vergleich zu Rumänien und Griechenland hat mit großen Abwanderungstendenzen zu kämpfen. Alleine im Jahr 2014 wanderten ca. 70% der Medizinstudierenden ab [3], [4]. Der Arztberuf in Ungarn leidet unter angehenden Ärzten unter Prestigeverlust aufgrund schwerer Arbeitsbedingungen und großer Verantwortung bei gleichzeitiger Unterbezahlung [5], [6]. Da Deutschland vergleichsweise bessere Arbeits- und Gehaltsbedingungen als osteuropäische Länder aufweist, ist es als attraktive Arbeitslandalternative für ungarische Ärzte anzusehen [7].

Fragestellung: Wie viele der nationalen und internationalen Medizinstudierenden in Ungarn können sich vorstellen in Deutschland zu arbeiten? Welche Gründe werden dafür angegeben?

Methode: Die Datenerhebung erfolgte von März bis Juli 2014 im Rahmen einer Gesundheitsverhaltensbefragung an den deutschen Standorten Dresden und München, sowie an den ungarischen Standorten Budapest und Pécs. In beiden ungarischen Städten studieren neben ungarischen auch internationale (inkl. deutsche) Studienkohorten. In einem anonymisierten teilstandardisierten Fragebogen wurden auf freiwilliger Basis neben demographischen Daten u. a. die Arbeitslandpräferenzen sowie deren Begründungen erhoben. Befragt wurden Medizinstudierende des 1., 3. und 5. Studienjahres (SJ) im Rahmen von Lehrveranstaltungen. Für die vorliegende Untersuchung wurden ausschließlich die Daten der Studierenden aus Budapest und Pécs (n=1867) herangezogen. In Bezug auf die Zahl der eingeschriebenen Studierenden belief sich die Rücklaufquote auf 63,7%.

Ergebnisse: Die meisten internationalen Medizinstudierenden gaben an, nach dem Studium in Ungarn in ihren Herkunftsländern arbeiten zu wollen: Norwegen (82,4%), Japan (65,0%), Deutschland (64,6%), Israel (55,2%), Ungarn (54,0%). Deutschland als zukünftiges Arbeitsland gaben 14,5% aller Medizinstudierenden an. Davon waren 79,8% deutscher und weitere 18% ungarischer Herkunft. Deutschland rangierte unter ungarischen Medizinstudierenden mit 4,6% an erster Stelle der späteren Arbeitslandpräferenzen, gefolgt von Österreich (1,5%), USA (1,1%) und Großbritannien (1%). Mehr als ein Fünftel (21,9%) aller befragten Medizinstudierenden in Ungarn wussten noch nicht, welches Arbeitsland für sie zukünftig in Frage kommt. Im 5. SJ gaben signifikant mehr ungarische Medizinstudierende Deutschland als Arbeitsortpräferenz an als die im 1. SJ. Des Weiteren gaben ungarische Studierende des 1. und 5. SJ häufiger Ungarn als Arbeitsortpräferenz als die Kommilitonen im 3. SJ an. Betrachtet man in Hinblick auf die Arbeitslandpräferenz Deutschland die Gründe der ungarischen Medizinstudierenden Ungarn zu verlassen, so wurden signifikant häufiger die besseren ärztlichen Arbeit- und Weiterbildungsbedingungen, das höhere Gehalt sowie die Erweiterung des eigenen Horizontes angegeben. Ungarische Medizinstudierende, die in Ungarn bleiben wollten, gaben dagegen signifikant häufiger als Grund für diese Überlegung an, in der Heimat arbeiten zu wollen und soziale und familiäre Bindungen zu haben.

Diskussion: Für ausländische Studierende ist Ungarn ein beliebtes Land um Medizin zu studieren. Jedoch bleiben die meisten dieser Studierenden nicht in Ungarn [3,4]. Das zeigen auch die Ergebnisse dieser Studie. Die internationalen Medizinstudierenden wollen nach der Ausbildung wieder in die Herkunftsländer bzw. ins Ausland. Von den ungarischen Medizinstudierenden wollte nur reichlich die Hälfte (54%) später im Heimatland arbeiten. Deutschland ist unter ungarischen Medizinstudierenden der beliebteste anvisierte ausländische Arbeitsort. Mehr als ein Fünftel aller Befragten gaben an, bezüglich der Arbeitslandpräferenz unentschieden zu sein bzw. es noch nicht zu wissen. Kampagnen, die auf die Gewinnung von fachärztlichem Nachwuchs im eigenen Land zielen, können bei dieser Zielgruppe ansetzen und Werte wie Heimatverbundenheit bzw. soziale und familiäre Bindungen aufgreifen.

Praktische Implikationen: In Hinblick auf den Entschluss des Deutschen Ärztetages [8], keine gezielte Abwerbung ausländischer Ärzte zu Lasten der Versorgung im entsprechenden Heimatland zu unterstützen, sollte sowohl für die Standorte Ungarn und Deutschland gelten, weiterhin Programme zur Gewinnung des eigenen ärztlichen Nachwuchses zu fördern. Im Fokus sollte dabei nicht nur die Förderung von Studierenden mit entsprechender Heimatverbund stehen, sondern auch mögliche Ausgleichszahlungen an die Herkunftsländer für die Ausbildungskosten der einwandernden Ärzte.


Literatur

1.
Kopetsch T. Dem deutschen Gesundheitswesen gehen die Ärzte aus! Studie zur Altersstruktur und Arztzahlentwicklung. 5. ed. Berlin: Kassenärztliche Bundesvereinigung; 2010.
2.
Bundesärztekammer. Ärztestatistik 2013. 2014. http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Stat13AbbTab.pdf (Letzter Zugriff: 19.03.2015) External link
3.
Office of Health Authorisation and Administrative Procedures, Ungarn. 2015.
4.
Ministry of Human Capacities, Ungarn. 2015.
5.
Girasek E, Molnár R, Eke E, Szócska M. The medical career choice motivations — Results from a Hungarian study. Cent Eur J Med. 2011;6(4):502-509.
6.
Molnár R, Nyári T, Hazag A, Csinády A, Molnár P. Career choice motivations of medical students and some characteristics of the decision process in Hungary. Cent Eur J Med. 2008;3(4):494-502.
7.
Spielberg P. Ärztemigration: Balkan verliert immer mehr Ärzte. Dtsch Arztebl. 2015;112(8):A314.
8.
Bundesärztekammer. 115. Deutscher Ärztetag. Beschlussprotokoll. 2012. http://www.bundesaerztekammer.de/arzt2012/media/Beschlussprotokoll.pdf (Letzter Zugriff: 19.03.2015) External link