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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Evaluation der Inzidenz schwerer Hypoglykämien unter Berücksichtigung der antihyperglykämischen Medikation von 2006–2011 in Deutschland

Meeting Abstract

  • Nicolle Müller - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin III, Jena, Deutschland
  • Christof Kloos - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin III, Jena, Deutschland
  • Bettina Gerste - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Deutschland
  • Michael Hartmann - Universitätsklinikum Jena, Apotheke, Jena, Deutschland
  • Ulrich A. Müller - Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin III, Jena, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP097

doi: 10.3205/15dkvf180, urn:nbn:de:0183-15dkvf1803

Published: September 22, 2015

© 2015 Müller et al.
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Text

Hintergrund: In der Diabetestherapie gibt es sehr gut wirksame Medikamente, deren Effektivität in Endpunktstudien nachgewiesen wurde. Eine Hauptnebenwirkung der antihyperglykämischen Therapie sind die Hypoglykämien. Fast jährlich kommen deshalb neue antihyperglykämische Medikamente auf den Markt, welche unter anderem das Risiko für Hypoglykämien senken sollen.

Fragestellung: Ziel dieser Untersuchung ist es die Inzidenz schwerer Hypoglykämien im Jahr 2006 und 2011 unter Berücksichtigung der antihyperglykämischen Therapie im Versorgungsalltag zu analysieren.

Methods and Materials: Grundlage bilden in der folgenden Untersuchung die Abrechnungsdaten der AOK-Versicherten (ca. 24 Mio.) aus den Jahren 2006 und 2011. Alle erwachsenen Versicherten mit der Diagnose Typ 2 Diabetes (nach ICD 10; hochgerechnet auf die deutsche Wohnbevölkerung 6,6 Mio. in 2006 und 7,9 Mio. in 2011) wurden auf die Diagnose schwere Hypoglykämie gescreent. Die Definition der schweren Hypoglykämie erfolgte nach ICD 10. Antihyperglykämische Medikamente wurden mittels ATC-Code identifiziert.

Ergebnisse: Es zeigte sich ein geringer Anstieg der Inzidenz schwerer Hypoglykämien von 2006 (0,04%, n=28.892) zu 2011 (0,05%, n=33.741). Personen mit schwerer Hypoglykämie waren älter (69,7J vs. 73,8J in 2006 und 70,1J vs. 74,4J in 2011) und hatten zu 46,5% in 2006 und zu 56,2% in 2011 die Diagnose Nephropathie. 8,3% (n=2412 von 28.892) der Personen mit schwerer Hypoglykämie wurden 2006 mit Sulfonylharnstoffen als Monotherapie behandelt und 8,9% (n=565.862 von 6,3 Mio.) der Personen ohne schwere Hypoglykämie (die Definierte tägliche Dosis (DDD) betrug 214 mit vs. 248 ohne schwere Hypoglykämie). In 2011 wurden Sulfonylharnstoffe als Monotherapie mit 4,4% (n=1.471 von 33.741) sowohl bei Personen mit als auch ohne schwerer Hypoglykämie (n=330.175 von 7,5 Mio.) (DDD 252 mit vs. 309 ohne schwere Hypoglykämie) deutlich seltener verordnet. Eine Kombinationstherapie aus Biguaniden und Sulfonylharnstoffen erhielten 17% (n=4.926 von 28.892) der Personen mit und 12,7% (n= 804.757 von 6,3 Mio.) der Personen ohne schwerer Hypoglykämie in 2006 (DDD dieser Kombinationstherapie war 480 mit vs. 577 ohne schwere Hypoglykämie). 2011 hatten 14,2% (n=4791 von 33.741) der Personen mit dieser Kombinationstherapie eine schwere Hypoglykämie und 10% (n=749.878 von 7,5 Mio.) der Personen ohne schwerer Hypoglykämie (DDD 518 vs. 664). Eine Kombinationstherapie aus kurz und langwirksamen Humaninsulin hatten 17,1% (n=4.941 von 28.892) der Personen mit schwerer Hypoglykämie und 4% (n=254.588 von 6,3 Mio.) der Personen ohne schwerer Hypoglykämie im Jahr 2006 (DDD 481 vs. 563) und 14,4% (n=4.851 von 33.741) der Personen mit und 3,4% (n=257.357 von 7,5 Mio.) der Personen ohne schwerer Hypoglykämie in 2011 (DDD 491 vs. 592). Eine Kombinationstherapie aus kurz und langwirksamen Analoginsulinen erhielten 6,1% (n=1.761 von 28.892) der Personen mit und 1,3% (n=81.898 von 6,3 Mio.) der Personen ohne schwerer Hypoglykämie in 2006 (DDD 558 vs. 589) und 12,4% (n=4.200 von 33.741) der Personen mit und 2% (153.014 von 7,5 Mio.) der Personen ohne schwere Hypoglykämie in 2011 (DDD 570 vs. 628).

Diskussion: Es zeigte sich eine deutliche Abnahme der Verordnung von Sulfonylharnstoffen als Monotherapie, eine geringe Abnahme von Humaninsulinen und eine deutliche Zunahme der Verordnung von Analoginsulinen beim Vergleich von 2006 zu 2011.

Trotz dieser Veränderungen in der Verordnungshäufigkeit, zugunsten von Medikamenten, welche laut Herstellerangaben mit einem geringeren Hypoglykämierisiko einhergehen, zeigte sich ein leichter Anstieg der Inzidenz schwerer Hypoglykämien.

Praktische Implikation: Die Reduktion des Risikos für schwere Hypoglykämien kann nicht nur auf der Grundlage von Veränderungen im Verordnungsverhalten erfolgen, sondern es muss auch die Intensität der Glukosesenkenden Therapie berücksichtigt werden. Gefährdet sind hierbei insbesondere ältere Menschen mit eingeschränkter Organreserve.