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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Inanspruchnahme von Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung – Ergebnisse einer repräsentativen Befragung der Erwerbsbevölkerung in Deutschland

Meeting Abstract

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  • Sarah Schröer - Institut für Medizinische Informatik,Biometrie und Epidemiologie (IMIBE), Essen, Deutschland
  • Claudia Pieper - Institut für Medizinische Informatik,Biometrie und Epidemiologie (IMIBE), Essen, Deutschland
  • Karl-Heinz Jöckel - Institut für Medizinische Informatik,Biometrie und Epidemiologie (IMIBE), Essen, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV79

doi: 10.3205/15dkvf130, urn:nbn:de:0183-15dkvf1303

Published: September 22, 2015

© 2015 Schröer et al.
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Hintergrund: Interventionen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) sollen möglichst flächendeckend eingesetzt werden, um ihre Wirkung auf Mitarbeiterzufriedenheit und -gesundheit erzielen zu können.

Fragestellung: Ziel war es herauszuarbeiten, in welchem Umfang Interventionen der BGF aktuell von Erwerbstätigen in Anspruch genommen werden, inwieweit es soziodemographische und arbeitsplatzbedingte Unterschiede gibt und an welcher Stelle Versorgungslücken bestehen.

Methoden: Seit 10 Jahren werden Erwerbstätige zur Wahrnehmung ihrer Arbeitssituation befragt. Pro Erhebungswelle wird eine einfache Zufallsstichprobe von ca. 2.000 Befragten aus einer für die gesamte Bundesrepublik Deutschland verfügbaren Telefonanschlussliste gezogen (Randomized-last-digit-Verfahren). Die anschließende telefonische Befragung basiert auf einem standardisierten Interviewleitfaden mit 86 Fragen. Die statistische Auswertung wurde mit SPSS Statistics 22 durchgeführt (Chi2-Tests, binäre log. Regression).

Ergebnisse: 1.972 Teilnehmer (53% Frauen) im Alter von 16–78 Jahren (42,2±12,1) wurden in der 4. Erhebungswelle (2012/2013) befragt. Die Mehrheit der Befragten (68,6%) hat eine Berufsausbildung abgeschlossen. Die genannten Berufe wurden am häufigsten den Kategorien Büroberufe (20,2%), Warenkaufleute (16%), Gesundheitsberufe (11%), Sozial-/Erziehungsberufe (10,3%) zugeordnet (Berufsordnung KdB 1988).

Von 65,6% der Befragten wurde bereits mindestens eine Intervention der BGF in Anspruch genommen. Darunter haben 15,8% eine, 15,9% zwei, 34,9% drei oder mehr Interventionen genutzt. Am häufigsten sind folgende Interventionen: „Verbesserung der Zusammenarbeit/Arbeitsabläufe“ (41,9%), „Verbesserungen des Arbeitsplatzes“ (34,8%), „Mitarbeiterbefragungen“ (29,6%), „Betriebsarzt Sprechstunde“ (21,3%), „Schulungen: Stress/Ernährung/Bewegung“ (21,0%). In den Altersgruppen werden einzelne Interventionen unterschiedlich häufig genannt: etwa „Gesundheitszirkel“ oder „Betriebssport“ vermehrt von Jüngeren, die „Sprechstunde beim Betriebsarzt“ vermehrt von Älteren. Geschlechtsspezifische Präferenzen werden nicht beobachtet. Ein Drittel der Befragten (33,4%) hat bisher noch keine Intervention in Anspruch genommen.

Die generelle Inanspruchnahme variiert mit dem Alter der Befragten – mit Schwerpunkt in der Altersgruppe zwischen 30–59 Jahren. Männer und Frauen nehmen BGF in gleichem Umfang in Anspruch (64,1% vs. 66,8%). Mit steigendem Bildungsabschluss nimmt die Inanspruchnahme zu: 70,3% der Hochschulabsolventen vs. 46,2% der Befragten ohne Berufsausbildung haben mindestens eine Intervention genutzt. Bezogen auf die Schulausbildung zeigt sich ein vergleichbares Bild. In Hinblick auf die Arbeitssituation zeigt sich eine höhere Inanspruchnahme bei Beamten (84,8%) und Angestellten (71,9%) als bei Arbeitern (49,0%) und Freiberuflern (29,5%). Führungskräfte nehmen Interventionen zur BGF stärker in Anspruch als Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung (74,6% vs. 61,5%). Zwischen Mitarbeitern in Vollzeit und Teilzeit sind kaum Unterschiede feststellbar (66,7% vs. 67,4%). Befristet Beschäftigte nehmen seltener an BGF teil als unbefristet Beschäftigte (55,7% vs. 67,0%). Bezogen auf die Unternehmensgröße steigt die Inanspruchnahme mit zunehmender Mitarbeiterzahl (86,3% in Großunternehmen, 70,7% in Mittelständischen Unternehmen und 59,3% bzw. 51,9% in Klein- und Kleinstunternehmen). Der Berufsgruppenvergleich zeigt eine höhere Inanspruchnahme in Gesundheitsberufen (85,7%), Sozial-/Erziehungsberufen (77,8%), technischen Berufen (76,6%) gegenüber Künstlerberufen (43,8%) und Ernährungsberufen (52,4%). Eine logistische Regressionsanalyse zeigt die größte Beeinflussung der Inanspruchnahme durch Unternehmensgröße (p<0.001), Berufsgruppe (p<0.001) und arbeitsplatzbezogene Faktoren wie Status (p<0.001), Führungsverantwortung (p<0.001), Befristung (p=0.001).

Ergänzend wurde der subjektive Mehrbedarf an Informationen zu BGF sowie an zusätzlichen Interventionen erhoben. Die Ergebnisse zeigen einen höheren Bedarf an Informationen bzw. Interventionen bei Arbeitern (52,1% bzw. 55,6%) und Angestellten (46,2% bzw. 49,8%) als bei Freiberuflern (25,7% bzw. 40,0%) und Selbstständigen (20,8% bzw. 25,5%). Ein vermehrter Informations- bzw. Interventionsbedarf besteht auch bei Teilzeitkräften (60,1% bzw. 55,8%) und befristet Beschäftigten (50,8% bzw. 54,8%). Die Berufsgruppen mit dem höchsten Informations- bzw. Interventionsbedarf sind Warenprüfer/Hilfsarbeiter/Maschinisten (70,0% bzw. 72,5%) und Verkehrsberufe (56,9% bzw. 65,1%).

Diskussion: Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen vorhandenes Wissen über die Inanspruchnahme von BGF in Deutschland und ergänzen weitere Aspekte, insbesondere auf soziodemographischer und arbeitsplatzspezifischer Ebene.

Praktische Implikation: Neben Klein- und Kleinstunternehmen sowie Berufsgruppen mit erhöhtem Versorgungsbedarf, sollen gezielt Arbeiter, gering ausgebildete Beschäftigte, befristet Beschäftigte und Teilzeitarbeitskräfte in den Fokus der Bemühungen zu einer flächendeckenden Verbreitung von BGF gerückt werden.