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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Interdisziplinäre Kooperation als Kontextfaktor von Versorgung an den Schnittstellen Gesundheit, Bildung, Jugendhilfe

Meeting Abstract

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  • Benigna Brandt - Alice Salomon Hochschule, Postdoc Stipendiatin, Berlin, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV39

doi: 10.3205/15dkvf128, urn:nbn:de:0183-15dkvf1283

Published: September 22, 2015

© 2015 Brandt.
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Hintergrund: Psychosoziale Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen nehmen in ihrer Bedeutung für die medizinisch-therapeutische Versorgung in Deutschland stetig zu. Häufig zeigen die Kinder eine Symptomatik, die auch Verhaltensauffälligkeiten umfassen. Im Rahmen des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) [1] wurden 2007 die aktuellsten Erkenntnisse über die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland veröffentlicht. Durch die Veröffentlichungen dieser Studie wurde deutlich, dass in Deutschland insgesamt 21% der Kinder und Jugendlichen Symptome psychischer Auffälligkeiten zeigen [2].

Es ist davon auszugehen, dass bei einem Großteil dieser Kinder und Jugendlichen Schwierigkeiten in den Lebensbereichen Familie und Schule auftreten. Die Notwendigkeit einer Betreuung durch die verschiedenen Bereiche Jugendamt, Schule, niedergelassene Ärzte/Ärztinnen beschreibt das Phänomen des komplexen Hilfebedarfs. Es ist zu beobachten, dass Kinder und Jugendliche mit komplexem Hilfebedarf häufig dem Prinzip des „Drehtürpatienten“ folgen.

Forschungsfrage: Welche Faktoren begünstigen bzw. hemmen die interdisziplinäre Kooperation von professionellen Akteur/innen/en bei der Versorgung von verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter mit komplexem Hilfebedarf in Berlin?

Methode: Für die Studie wurde ein qualitatives Forschungsdesign gewählt. Im Rahmen der Datenerhebung wurden Expert/innen/en-interviews geführt, die die komplexe Versorgungslandschaft skizzieren und den Prozess der interdisziplinären Kooperation fokussieren. Um die Wirkmechanismen von Kooperation adäquat erfassen zu können, wurden nicht nur Akteur/innen/e der verschiedenen beteiligten Berufsgruppen interviewt, sondern auch Akteur/innen/e der verschiedenen hierarchischen Ebenen (Verwaltung, Management, Leistungserbringer/innen). Die in Form der Interviews erhobenen Daten wurden mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.

Ergebnisse: Zentrale Kategorien, die bei der Analyse deutlich wurden, sind etwa die Themen: Ziele, Kommunikation auf Augenhöhe, Macht und Abhängigkeit, zeitliche und finanzielle Ressourcen, persönlicher Kontakt und gesetzliche Grundlagen.

Diskussion: Zentrale Wirkmechanismen der interdisziplinären Kooperation sind die Ziele der professionellen Akteur/innen/e, sowie die facettenreichen Aspekte der interdisziplinären Kommunikation. Auch strukturelle Aspekte, wie die gesetzlichen Regelungen und institutionelle Aspekte beeinflussen die Möglichkeit und Motivation zur interdisziplinären Kooperation.

Praktische Implikationen: Es lassen sich Implikationen für den Bereich Gesetzgebung, Berufliche Praxis/Management und für die Forschung formulieren. Hier werden Auszugsweise Implikationen für den Bereich der interdisziplinären Aus- und Weiterbildung beschrieben.

Interdisziplinäre Aus- und Weiterbildung: Grundlage für eine klientenzentierte Behandlungsausrichtung kann nur eine interdisziplinäre Aus- und Weiterbildung der Akteur/innen der Bereiche Schule, Jugendhilfe und der medizinisch-therapeutische Bereich sein [3]. Die begonnene Akademisierung der stark in die Versorgung eingebundenen Berufe (Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie und Pflege), ist in diesem Kontext erneut einzufordern bzw. zu stärken. Ziel der Aus- und Weiterbildung der beteiligten Berufsgruppen sollte ein Verständnis der beruflichen Zielsetzungen der einzelnen Disziplinen sein, die dann wiederum eine Kommunikation auf Augenhöhe zwischen den verschiedenen Akteur/innen/en erlauben. Hierbei ist es für die verschiedenen Berufsdisziplinen zwingend erforderlich – stärker als es derzeit der Fall ist –, die Aufgabenbereiche und Tätigkeiten der Berufsgruppen zu kennen, mit denen eine interdisziplinäre Kooperation möglich ist. Neben den Kenntnissen über die angrenzenden Berufsgruppen und das Versorgungsystem sollten im Rahmen der Aus- und Weiterbildung konkrete Fertigkeiten für die interdisziplinäre und intermediäre Kooperation vermittelt werden. Diese sollten sowohl Fertigkeiten in Bezug auf Planung und Dokumentation von Kooperation, als auch Kommunikationsfertigkeiten für die Kooperation umfassen.


Literatur

1.
Ravens-Sieberer U, Wille N, Bettge S, Erhart M. Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland - Erste Ergebnisse aus der BELLA-Studie im Kinder- und Jugendgesundheitsservey (KiGGS). Berlin: Springer Medizin Verlag; 2007.
2.
Hölling H, Erhart M, Ravens-Sieverer U, Schlack R; Robert Koch Institut. Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen - Erste Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitsservey (KiGGS). Berlin: Springer Medizin Verlag; 2007.
3.
Robert Bosch Stiftung. "Memorandum Kooperation der Gesundheitsberufe" - Qualität und Sicherstellung der zukünftigen Gesundheitsversorgung. Stuttgart; 2011.