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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Allgemeinmedizin in der Notaufnahme einer Universitätsklinik

Meeting Abstract

  • Tanja Schleef - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Deutschland
  • Olaf Krause - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Deutschland
  • Ulrike Junius-Walker - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Deutschland
  • Nils Schneider - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV65

doi: 10.3205/15dkvf122, urn:nbn:de:0183-15dkvf1228

Published: September 22, 2015

© 2015 Schleef et al.
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Text

Hintergrund: National wie international sehen sich die Notaufnahmen der Krankenhäuser mit steigenden Patientenzahlen konfrontiert. In Deutschland werden jährliche Zuwachsraten von bis zu 8% beobachtet, insgesamt suchen ca. 21 Mio. Patienten pro Jahr die Notaufnahmen der Krankenhäuser auf (Schöpke/Plappert 2011, Pines et al. 2011). Die Zuwächse betreffen insbesondere den Anteil ambulanter Fälle, während die stationäre Aufnahmequote weitgehend konstant geblieben ist (Schöpke/Plappert 2011).

Das ärztliche Personal in den Notaufnahmen der Krankenhäuser wird typischerweise durch die stationären Fachdisziplinen vertreten. An unserer Universitätsklinik wurde zusätzlich die Fachrichtung Allgemeinmedizin in die Zentrale Notaufnahme (ZNA) eingebunden, mit dem Ziel ambulante Patienten mit nachrangiger Behandlungsdringlichkeit zu versorgen. Die Triage erfolgt durch die Pflegekräfte der ZNA.

Die Etablierung der Allgemeinmedizin in die ZNA erfolgte in den Jahren 2012/13, zunächst tageweise und mittlerweile im Regelbetrieb von Montag bis Freitag tagsüber zu den Kernzeiten (als Zeiten des höchsten Gesamt-Patientenaufkommens in der ZNA). Die Allgemeinärzte werden als angestellte Ärzte am Universitätsklinikum tätig.

Fragestellung: Untersucht werden sollten (1) die soziodemografischen Merkmale der allgemeinmedizinisch versorgten Patienten in der ZNA, (2) die durchgeführten Untersuchungsleistungen, und (3) die weiteren Versorgungsprozesse.

Methode: In der Beobachtungsstudie wurden die Routinedaten der ZNA zur Erfassung der allgemeinmedizinisch betreuten Notfallpatienten im Zeitraum Januar und Februar 2015 herangezogen. Zusätzlich wurde ein selbst entwickelter und vom diensthabenden Allgemeinarzt auszufüllender Dokumentationsbogen eingesetzt, der die zu Abrechnungszwecken erhobenen Routinedaten um Angaben zu Untersuchungs- und Konsilleistungen ergänzte.

Die Dokumentation und Weiterverarbeitung aller personenbezogenen Daten erfolgte pseudonymisiert über die Fallnummer der Patienten. Die erhobenen Daten wurden mit IBM SPSS Statistics 22 deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: In den ersten beiden Monaten in 2015 wurden 227 Patienten in der ZNA durch die Allgemeinmedizin versorgt. 54% der Patienten waren weiblich. Das Altersmittel lag bei 44,4 Jahren mit einer Spanne von 19 bis 96 Jahren. Der Anteil der unter 40-Jährigen betrug 51% aller Patienten, 17% waren 70 Jahre und älter. 91% waren gesetzlich krankenversichert. 20% der allgemeinmedizinisch betreuten Patienten kamen mit einer stationären Einweisung.

Am häufigsten wurden abdominelle Untersuchungen durchgeführt (43%), gefolgt von cardio-pulmonalen (41%) und neurologischen (28%) Untersuchungen. Untersuchungen des Bewegungsapparates kamen bei 24% der Patienten vor. Bei insgesamt 44% aller Patienten waren technische Untersuchungsleistungen notwendig, davon entfielen annähernd 80% auf Laborleistungen. Bei 13 Patienten wurde eine Sonografie durchgeführt (überwiegend des Abdomens), ebenfalls 13 Patienten erhielten Röntgen-Untersuchungen (überwiegend Thorax-Aufnahmen). Für 6 Patienten (3%) wurde konsiliarisch eine weitere Fachabteilung der ZNA hinzugezogen.

Insgesamt konnten 89% der allgemeinmedizinisch betreuten Patienten in die ambulante Versorgung entlassen werden. Für 5% der Patienten wurde ein stationärer Aufenthalt notwendig, weitere 5% wurden nach Erstuntersuchung an eine andere Fachabteilung innerhalb der ZNA abgegeben, am häufigsten an die Innere Medizin. 2 Patienten haben gegen ärztlichen Rat die Klinik verlassen. Die Entlassungsquote der Patienten ohne stationäre Einweisung lag bei 91%.

Diskussion: In einer universitären Notaufnahme gibt es zahlreiche Patienten, die initial und abschließend allgemeinmedizinisch betreut werden können. Unsere Untersuchung zeigt, dass neun von zehn zugewiesenen Patienten ambulant belassen werden konnten, dass der technische Untersuchungsaufwand gering und eine konsiliarische Beratung durch andere Fachdisziplinen selten erforderlich war.

Erfahrungen anderer Länder deuten darauf hin, dass Allgemeinärzte bei hoher diagnostischer Sicherheit in Notaufnahmen von Krankenhäusern tätig werden können, um leichter erkrankte Patienten angemessen und kosteneffektiv zu versorgen (Bosmans et al. 2012, Wang et al. 2013).

Die Begleitevaluation folgt einem pragmatischen Ansatz. Zu den Limitationen gehören u.a. die fehlende Kontrollgruppe und Überprüfung der Diagnosesicherheit sowie fehlende Kenntnisse zur nachfolgenden Weiterbehandlung der Patienten z.B. in haus- und fachärztlichen Praxen. Dies wird Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.

Praktische Implikationen: Die Einbindung der Fachrichtung Allgemeinmedizin in den interdisziplinären Fächerkanon einer zentralen universitären Notaufnahme ist ein vielversprechendes Konzept, um das steigende Patientenaufkommen zu bewältigen.

Literatur beim Verfasser