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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Gesundheitskompetenz von Erwachsenen in Deutschland – Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA)

Meeting Abstract

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  • Susanne Jordan - Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin, Deutschland
  • Jens Hoebel - Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV82

doi: 10.3205/15dkvf102, urn:nbn:de:0183-15dkvf1021

Published: September 22, 2015

© 2015 Jordan et al.
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Hintergrund: In modernen Informationsgesellschaften wird Gesundheitskompetenz als wichtige Fähigkeit zur Gesunderhaltung und Krankheitsbewältigung erachtet. Hierfür sind verschiedene kognitive und soziale Fähigkeiten für den Umgang mit Gesundheitsinformationen grundlegend. Bisherige Studien weisen darauf hin, dass eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand hat. Für Deutschland fehlen bislang Daten über die Verteilung von Gesundheitskompetenz in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung, die auf einer deutschlandweit repräsentativen Stichprobe beruhen.

Fragestellung: Ziel der Studie ist die Beschreibung der Verteilung von Gesundheitskompetenz in der Erwachsenenbevölkerung Deutschlands.

Methode: Die Analysen basieren auf Daten der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA), einer Querschnittsbefragung der deutschsprachigen Wohnbevölkerung ab 18 Jahren. Die Sondererhebung GEDA 2013s wurde von Oktober 2013 bis Juni 2014 durchgeführt. Es wurde eine zweistufige, geschichtete (Klumpen-)Stichprobe aus den Einwohnermelderegistern zufällig ausgewählter Gemeinden gezogen. Die Studie wurde in einem Mixed-Mode-Design mit standardisierten Fragebögen zum Selbstausfüllen durchgeführt. Insgesamt nahmen 2.222 Personen online und 2.730 schriftlich-postalisch teil. Die Response betrug 20 %. Mithilfe von Gewichtungsfaktoren wurde das Stichprobendesign berücksichtigt und die Stichprobenzusammensetzung der Bevölkerungsstruktur Deutschlands angepasst.

Die Gesundheitskompetenz wurde mit der Kurzform des European Health Literacy Questionnaire (HLS-EU-Q16) erhoben. Das Instrument erfasst vier Dimensionen von allgemeiner Gesundheitskompetenz (Zugang, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Gesundheitsinformationen). Die Befragten schätzen unterschiedliche Aufgaben hinsichtlich ihrer Schwierigkeit auf einer 4-stufigen Skala ein. Der Gesamtindex wird in drei Gesundheitskompetenz-Level eingeteilt: „ausreichend“ (Score 13–16 Punkte), „problematisch“ (Score 9–12) und „inadäquat“ (Score 1–8) (Röthlin et al. 2013). Des Weiteren wurden Fragen zur Soziodemografie (Geschlecht, Alter, Bildung) herangezogen. Für 4.845 Befragte konnte der HLS-EU-Q16-Index berechnet werden.

Die Kreuztabellenanalysen und logistischen Regressionsmodelle wurden mit den Survey-Prozeduren des Statistikprogramms Stata 13.1 SE berechnet.

Ergebnisse: Mehr als die Hälfte der Erwachsenen hat nach den Kriterien des HLS-EU-Q16 eine „ausreichende“ Gesundheitskompetenz (55,8 %; 95 %-KI = 53,9-57,6). Für fast jede dritte Person ist eine „problematische“ (31,9 %; 95 %-KI = 30,3-33,6) und für nahezu jede achte Person eine „inadäquate“ Gesundheitskompetenz (12,3 %; 95 %-KI = 11,0-13,8) zu verzeichnen. Es wurden keine signifikanten Unterschiede nach Geschlecht und Alter gefunden. Demgegenüber zeigt sich in der nach Bildung differenzierten Betrachtung, dass Erwachsene mit niedrigem Bildungsstand zumeist eine geringere Gesundheitskompetenz aufweisen als höhere Bildungsgruppen. Frauen mit niedrigem Bildungsstand haben gegenüber gleichaltrigen Frauen mit hohem Bildungsstand eine um den Faktor 2,1 erhöhte statistische Chance für eine „inadäquate“ Gesundheitskompetenz (OR = 1,80; 95 %-KI = 1,36-3,23). Bei Männern mit niedriger Bildung ist diese Chance gegenüber Gleichaltrigen mit hoher Bildung um den Faktor 1,8 erhöht (OR = 1,83; 95 %-KI = 1,17-2,87).

Diskussion: Die Verteilung der allgemeinen Gesundheitskompetenz-Level in GEDA 2013s weist grundsätzlich ein ähnliches Muster wie zwei andere aktuelle Studien aus Deutschland (HLS-EU Consortium 2012, Zok 2014) auf, die auch das HLS-EU-Instrument in großen Bevölkerungsgruppen eingesetzt haben. Ein gemischtes Bild ergibt sich bei den soziodemografischen Merkmalen, wie es auch in anderen bevölkerungsweiten Studien zu finden ist (Rudd 2007, van der Heide et al 2013, Bo et al 2014). Der häufig gefundene Einfluss der Bildung konnte bestätigt werden, der für Geschlecht und Alter nicht. Aber auch die NRW-Studie findet für Alter keine signifikante Assoziation (HLS-EU Consortium 2012). Eine Limitation liegt in der niedrigen Stichprobenausschöpfung, die aber durch die verwendete Gewichtungsprozedur statistisch ausgeglichen wurde, um einem möglichen Selektionsbias entgegenzuwirken.

Praktische Implikationen: Die vorliegenden Ergebnisse lassen erkennen, dass fast die Hälfte der Frauen und Männer Schwierigkeiten wahrnehmen, gesundheitsrelevante Entscheidungen zu treffen. Die Ergebnisse weisen auf Handlungsbedarf zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz in der Erwachsenenbevölkerung hin.