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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Mixed-Methods Designs in der Versorgungsforschung – Vorteile und Herausforderungen am Beispiel eines explanatory sequential Designs

Meeting Abstract

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  • Julia Magaard - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg, Deutschland
  • Holger Schulz - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg, Deutschland
  • Anna Levke Brütt - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV76

doi: 10.3205/15dkvf085, urn:nbn:de:0183-15dkvf0858

Published: September 22, 2015

© 2015 Magaard et al.
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Hintergrund: Aufgrund ihres komplexen und schwierigen Forschungsgegenstands steht die Versorgungsforschung vor methodischen Herausforderungen (Neugebauer et al., 2008). Es gilt die Kluft zwischen dem Anspruch nach hoher interner Validität und hoher externer Validität in der Versorgungsforschung zu überwinden („Validitäts-Paradoxon“, Neugebauer et al., 2008). Ein möglicher Weg diesen Herausforderungen zu begegnen stellt die Umsetzung von Mixed-Methods Forschungsdesigns dar. Durch die Kombination und Integration quantitativer und qualitativer Methoden kann ein größerer Erkenntnisgewinn ermöglicht werden, da eine Fragestellung von verschiedenen Perspektiven aus untersucht werden kann. So können für die Versorgungsforschung relevante Kriterien wie Generalisierbarkeit und Vergleichbarkeit, aber auch Lebensnähe und damit Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Versorgungswelt gleichzeitig berücksichtigt werden.

Creswell (2014) unterscheidet drei verschiedene Basic Designs der Mixed-Methods: Im (a) convergent Design wird gleichzeitig eine qualitative und eine quantitative Methode angewendet. Beim (b) explanatory sequential Design und beim (c) exploratory seqeuential Design werden die Methoden nacheinander eingesetzt und bauen jeweils auf die Ergebnisse der anderen Methodik auf.

Mixed-Methods Forschungsdesigns kommen bereits in der deutschen Versorgungsforschung zum Einsatz. Im Jahr 2009 wurde in knapp 7 % der Kongressbeitrage auf dem 8. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung (DKVF) der Einsatz von Methodenkombination berichtet (Karbach et al., 2012).

Fragestellung: Anhand einer Fragestellung aus dem Bereich der Versorgungsforschung wird die Planung einer Mixed-Methods Studie beispielhaft dargestellt. Es wird begründet, welches Design sich für den Untersuchungsgegenstand eignet und welche Vorteile und Herausforderungen mit der Wahl dieses Designs einhergehen können.

Methode: Das Ziel der Studie ist es, den Einfluss subjektiv wahrgenommener und bewerteter individueller Charakteristika auf das Inanspruchnahmeverhalten von Patientinnen und Patienten mit depressiven Störungen zu untersuchen. Die theoretische Grundlage für das Inanspruchnahmeverhalten bietet das etablierte „Behavioral Model of Helath Servicess Use“, welches um die subjektiven Charakteristika ergänzt werden soll. Die subjektiven Theorien der Patientinnen und Patienten zu ihrem Inanspruchnahmeverhalten sollen exploriert werden.

Ergebnisse: Zur Untersuchung der Fragestellung wurde ein explanatory sequential Design geplant. Um zu überprüfen, ob die Ergänzung subjektiv wahrgenommener und bewerteter individueller Charakteristika die Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen besser vorhersagen kann als etablierte Operationalisierungen des „Behavioral Model of Health Services Use“ bietet sich eine quantitative Methodik an. Es werden Daten zu den Variablen aus dem Modell und weiteren individuellen Charakteristika erhoben (n=242). Mittels einer Regressionsanalyse wird überprüft, in wie weit diese Daten Inanspruchnahme vorhersagen. Im Anschluss sollen die subjektiven Theorien von n=20 Betroffenen zu ihrer Inanspruchnahme qualitativ mithilfe der Struktur-Lege-Technik nach Scheele und Groeben (2010) erhoben werden. Ziel dieses Schrittes ist die Erklärung der Zusammenhänge zwischen den individuellen Charakteristika und dem Inanspruchnahmeverhalten. Die quantitativen und qualitativen Methoden werden zum einen integriert, um Patienten mit unterschiedlichem Inanspruchnahmeverhalten für die qualitative Erhebung auszuwählen (gezieltes sampling). Zum anderen dienen die Einzelfallergebnisse der quantitativen Erhebung als Grundlage für die qualitativen Interviews.

Diskussion: Mithilfe dieses Mixed-Methods Designs wird der Versuch unternommen, dem „Validitäts-Paradoxon“ (Neugebauer et al., 2008) zu begegnen. Es sollen sowohl generalisierbare Ergebnisse über Einflussfaktoren des Inanspruchnahmeverhaltens depressiver Menschen identifiziert werden, als auch ein besseres Verständnis der komplexen Beziehungen zwischen den subjektiven Beweggründe einer Inanspruchnahme erreicht werden. Einen Vorteil dieses Designs stellt das vertiefende Verständnis der quantitativen Daten durch die Unterfütterung mit qualitativen Daten dar. Des Weiteren ermöglicht das sequenzielle Design eine gezielte Sampling-Strategie auf der Grundlage quantitativer Daten. Die Durchführung eines solchen Designs stellt allerdings sowohl hohe Anforderungen an die Forschenden, als auch an die Beforschten. Die Kompetenzen der Forschenden bezüglich verschiedener Methoden, die zusätzliche Belastung der Befragen und Aspekte des Datenschutzes sollten demzufolge beachtet werden.

Praktische Implikationen: Abhängig vom Forschungsziel können bereits einfache Mixed-Methods Designs die Versorgungsforschung bereichern.