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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Wie soziale Ungleichheiten den Behandlungs- und Versorgungsverlauf bei Diabetes Mellitus Typ-2 beeinflussen. Design einer qualitativen Studie aus Sicht der Patienten

Meeting Abstract

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  • Astrid Fink - Institut für Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle, Saale, Deutschland
  • Amelie Baumann - Institut für Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle, Saale, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV73

doi: 10.3205/15dkvf082, urn:nbn:de:0183-15dkvf0825

Published: September 22, 2015

© 2015 Fink et al.
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Hintergrund: Soziale Ungleichheiten finden sich nicht nur in der Gesundheit, sondern auch in der gesundheitlichen Versorgung. Erkenntnisse über den Einfluss sozialer Ungleichheiten auf die Versorgung bei Diabetes mellitus Typ-2 liegen bislang nur bruchstückhaft vor, da häufig nur ein einzelner Versorgungssektor (z.B. Akutklinik, Rehabilitation) analysiert wurde. Der Großteil der Studien folgt zudem einem quantitativen Ansatz, der oftmals nur beschreibende Ergebnisse zur Verfügung stellt. Wo die sozialen Ungleichheiten entlang des Versorgungspfades (erstmalig) auftreten und wie sie überhaupt entstehen, bleibt damit unbeantwortet.

Fragestellung: Ziel des Projektes ist es, im Rahmen einer qualitativen Studie den Einfluss sozialer Ungleichheiten auf den Zugang, die Inanspruchnahme und die wahrgenommene Qualität der gesundheitlichen Versorgung bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ-2 zu explorieren. Die Studie richtet die Aufmerksamkeit auf die Perspektive der Patienten in unterschiedlichen Versorgungbereichen und wird auch die bisherigen Erfahrungen des Patienten im Gesundheitssystem berücksichtigen. Damit werden Schlüsselstellen im Versorgungsverlauf identifiziert, an denen die Erfahrungen von Patienten unterschiedlicher sozialer Herkunft variieren und so zu einem tieferen Verständnis sowie zu einer besseren Erklärung sozialer Ungleichheiten in der Versorgung beitragen können.

Folgende übergeordnete Fragestellungen stehen im Fokus der explorativen Studie:

1.
Sind soziale Ungleichheiten mit dem Zugang, der Inanspruchnahme und der wahrgenommenen Qualität gesundheitlicher Versorgungsleistungen in den einzelnen Versorgungsphasen bei Diabetes mellitus Typ-2 assoziiert?
2.
Lassen sich bestimmte Faktoren ermitteln, die den Effekt zwischen sozialen Ungleichheiten und Versorgungsungleichheiten vermitteln?

Methode: Die Studie ist als qualitative Querschnittstudie konzipiert. Es werden 30 Patienten mit Diabetes mellitus Typ-2 eingeschlossen und persönlich interviewt. Um eine möglichst große Variation der Erfahrungen mit dem Zugang, der Inanspruchnahme und Qualität der Versorgung in den Interviews abzudecken, werden die Teilnehmer in drei Versorgungsbereichen rekrutiert, bis eine theoretische Sättigung erreicht ist. Um sicherzustellen, dass Männer und Frauen aus unterschiedlichen sozioökonomischen Gruppen in verschiedenen Versorgungsbereichen repräsentiert werden, wird ein qualitativer Stichprobenplan angewandt und durch theoretisches Sampling ergänzt. Eingeschlossen werden erwachsene Patienten mit Diabetes mellitus Typ-2. Ausgeschlossen sind moribunde Personen. Für die semi-strukturierten qualitativen Interviews wird ein Leitfaden entwickelt, der offene Fragen beinhalten und Gesprächsbereiche vorgeben, die im Interview thematisiert werden (ohne Vorgabe einer Reihenfolge). Die aufgezeichneten Interviews werden transkribiert und mit Hilfe der Software MAXQDA nach der Grounded Theory ausgewertet. Diese qualitative Vorgehensweise verfolgt das Ziel, eng am erhobenen Material arbeitend, eine gegenstandsbezogene Theorie zu generieren. Sie zielt darauf ab, die Bedeutung menschlicher Erfahrungen zur Aufdeckung sozialer Strukturen im Prozess praktischer Forschung offenzulegen. Somit ist Grounded Theory geeignet, die subjektiven Perspektiven der Patienten mit Typ-2 Diabetes in ihrem eigenen sozialen und kulturellen Kontext aufzunehmen und für ein Verstehen der Wahrnehmung der Patienten im Prozess der gesundheitlichen Versorgung aufzuarbeiten.

Ergebnisse: In diesem Projekt werden Schlüsselstellen im Versorgungsverlauf identifiziert, an denen die Erfahrungen von Patienten unterschiedlicher sozialer Herkunft variieren. Damit stellt es eine Grundlage für eine bessere Erklärung sozialer Ungleichheiten in der Versorgung dar.

Diskussion: Das qualitative Projekt widmet sich mit der Analyse sozioökonomischer Aspekte im Behandlungs- und Versorgungsverlauf beim Diabetes mellitus Typ-2 einer der vordringlichen klinischen Versorgungsfragen und legt erstmalig Erkenntnisse aus Sicht der Patienten über den Einfluss und mögliche Ursachen sozialer Ungleichheiten in der Versorgung beim Typ-2-Diabetes vor. Diese Studie greift erstmalig unterschiedliche Versorgungsbereiche auf und stellt aussagekräftige Erkenntnisse über soziale Risikogruppen bereit.

Praktische Implikationen: Mit den Erkenntnissen über die moderierenden Aspekte zwischen sozialer Ungleichheit und Versorgungsungleichheiten können vorliegende theoretische Modelle zur Produktion von gesundheitlicher Ungleichheit erweitert bzw. konkretisiert werden. Nach der Theorienentwicklung (und -testung) können in einem weiteren Projekt Maßnahmen zur Reduktion der gesundheitlichen und sozialen Ungleichheiten bei Typ-2 Diabetikern und in der Versorgung anvisiert werden.