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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Gesundheit, Lebenssituation und soziale Unterstützung bei pflegenden Angehörigen. Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ 2012

Meeting Abstract

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  • Alexander Rommel - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Cornelia Lange - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Matthias Wetzstein - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV19

doi: 10.3205/15dkvf036, urn:nbn:de:0183-15dkvf0360

Published: September 22, 2015

© 2015 Rommel et al.
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Hintergrund: In Deutschland werden etwa sieben von zehn pflegebedürftige Personen von Angehörigen und ambulanten Pflegediensten zu Hause versorgt. Während die Unterstützung und Pflege nahestehender Menschen grundsätzlich einen wichtigen und positiven Beitrag zum Zusammenleben leistet, bringt sie für die Betroffenen auch Belastungen mit sich. Bevölkerungsweite Daten zum Ausmaß und den gesundheitlichen Folgen der Pflege Angehöriger in Deutschland sind aber bislang rar.

Fragestellung: Ziel ist es, die Häufigkeit der Angehörigenpflege in Deutschland differenziert nach soziodemographischen Merkmalen zu beschreiben und den Zusammenhang mit der Gesundheit der Pflegepersonen anhand zentraler Indikatoren zu analysieren. Die soziale Unterstützung als wichtige Ressource pflegender Angehöriger wird dabei besonders in den Blick genommen.

Methode: In der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell – GEDA 2012“ wurden von 2012 bis 2013 über 19.000 Menschen zu ihrer gesundheitlichen Lage und ihrer Lebenssituation telefonisch befragt. Die Studie ist repräsentativ für die volljährige, deutschsprachige Wohnbevölkerung in Privathaushalten, die über Festnetzanschlüsse erreichbar ist. Integriert waren drei Fragen zur Pflege nahestehender Personen (Leistungserbringung, Umfang der Leistungen, Beziehung zur pflegebedürftigen Person). Verglichen werden vor allem Nichtpflegende und Angehörige, die täglich mindestens zwei Stunden pflegen. Die soziale Unterstützung wurde über die Oslo-3 Social Support Scale gemessen. Neben einer Frage zum allgemeinen Gesundheitszustand gehen die Indikatoren Rückenschmerzen, krankheitsbedingten Einschränkungen und starke seelische Belastungen in die Bewertung der gesundheitlichen Lage ein. Die Kontrolle wichtiger Einflussfaktoren erfolgt über logistische Regression.

Ergebnisse: Nach Ergebnissen von GEDA 2012 pflegen 8,7% der Frauen und 4,9% der Männer regelmäßig eine pflegebedürftige Person. Damit gibt es etwa 4,7 Millionen pflegende Angehörige in Deutschland. Nahezu neun von zehn pflegenden Angehörigen betreuen einen nahen Angehörigen innerhalb oder außerhalb des eigenen Haushalts, die übrigen unterstützen z.B. Freunde oder Nachbarn. Insgesamt sind etwa zwei Drittel der pflegenden Angehörigen Frauen, unter jenen, die täglich zwei Stunden oder mehr pflegen, sogar über drei Viertel. Pflegende Angehörige sind zu einem geringeren Anteil erwerbstätig als Nichtpflegende. Zudem berichten mit 36,1% Frauen und 37,7% der Männer pflegende Angehörige deutlich häufiger von einer geringen sozialen Unterstützung (Nichtpflegende: 17,1% vs. 16,2%). Pflegende Angehörige weisen signifikant häufiger als Nichtpflegende einen schlechten allgemeinen Gesundheitszustand auf und leiden stärker unter seelischen Belastungen und krankheitsbedingten Einschränkungen. So bezeichnen 47,7% der pflegenden Frauen und 51,8% der pflegenden Männer ihren Gesundheitszustand als schlecht oder sehr schlecht (Nichtpflegende: 30,6% vs. 27,4%). Vor allem bei den Frauen bleiben diese Unterschiede auch nach Kontrolle von Alter, Bildung, Erwerbstatus und sozialer Unterstützung bestehen. Eine höhere soziale Unterstützung ist sowohl bei pflegenden Angehörigen als auch bei Nichtpflegenden positiv mit dem Gesundheitszustand assoziiert. Teilweise zeigt sich aber, dass ein höheres Maß an sozialer Unterstützung die gesundheitlichen Belastungen pflegender Angehöriger mindern kann. Insbesondere die Unterschiede in Bezug auf seelische Belastungen zwischen pflegenden Angehörigen und Nichtpflegenden sind bei Personen mit geringer Unterstützung ausgeprägter aus als bei Personen mit hoher Unterstützung.

Diskussion: Der überwiegende Teil der Pflegeleistungen in Deutschland wird nach wie vor privat erbracht. Der Anteil der Pflegenden liegt nach den Daten von GEDA 2012 deutlich über den Angaben aus der Pflegestatistik. Dies deutet darauf hin, dass Pflegeleistungen auch ohne Pflegegeldbezug von Angehörigen erbracht werden. Die Hauptlast der Pflege wird von Frauen getragen. Die damit verbundenen Belastungen gehen mit einer signifikant schlechteren Gesundheit von Pflegenden einher. Dabei zeigt sich die wichtige Bedeutung sozialer Unterstützung: Einerseits kann eine hohe soziale Unterstützung die gesundheitlichen Folgen, die durch die Pflege Angehöriger entstehen, teilweise reduzieren. Andererseits können pflegende Angehörige auf diese Ressource nur in deutlich geringerem Maß zurückgreifen.

Praktische Implikationen: Die Gesundheit pflegender Angehöriger ist eine wichtige Ressource, wenn es darum geht, Pflegebedürftigen ein Leben in der gewohnten häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Die häusliche Pflege ist damit als eigenständiges Setting für die Entwicklung gesundheitsfördernder Maßnahmen zu verstehen. Dabei sollten Ansätze, die bspw. über die Quartiersentwicklung die soziale Einbindung der Betroffenen verbessern können, verstärkt berücksichtigt werden.