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… und manchmal ist es doch ein „Kolibri“
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Published: | August 31, 2022 |
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Vorgeschichte: Ein 74-jähriger Patient stellte sich mit inflammation of unknown origin in unserer Klinik vor. Relevante Vorerkrankungen wurden verneint.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Der Patient berichtete von einer Allgemeinzustandsverschlechterung, einer positiven B-Symptomatik und Myalgien seit Monaten.
Diagnostik/Therapie: Die systemischen Entzündungsparameter waren erhöht (CRP 60 mg/l, BSG 13/33 mm/h), die umfangreichen immunologischen Untersuchungen jedoch nicht wegweisend. Sonographisch fand sich eine kurzstreckige leichtgradige Wandverdickung der Arteria axillaris rechts (1,2 mm). Im CT (mit KM) zeigte sich eine langstreckige Wandverdickung der thorakalen und abdominellen Aorta, passend zu einer Vaskulitis. Die Diagnose einer Riesenzellarteriitis wurde gestellt und eine Therapie mit hochdosierten Kortikosteroiden eingeleitet (Prednisolon 70 mg/die). Bei bekannter Osteoporose wurde Tocilizumab ergänzt, nach Entlassung jedoch wegen einer Thrombozytopenie abgesetzt.
Wegen abdominellen Beschwerden und V. a. ein enterales Eiweißverlustsyndrom erfolgte einige Monate später extern Diagnostik. Bei positiver Tropheryma whipplei-PCR aus Biopsiematerial des Duodenums wurde die Diagnose eines Morbus Whipple gestellt. Unter Ceftriaxon kam es initial zur klinischen Besserung. Die Prednisolondosis konnte weiter reduziert werden (15 mg/die). Das gleichzeitige Vorliegen einer Riesenzellarteriitis und eines M. Whipple wurde angenommen.
Weiterer Verlauf: Innerhalb der folgenden Monaten kam es zum massiven körperlichen Verfall des Patienten mit Kachexie und Immobilität. Eine externe Abklärung ergab eine deutliche Erhöhung der systemischen Entzündungsparameter und des sIL-2-Rezeptors (17 000 IU/ml). In der MRT-/CT-Diagnostik zeigte sich eine Fibrosierung perirenal und periaortal mit Ausdehnung bis ins Perikard. Eine ultraschallgesteuerte perirenale Biopsie ergab ein histiozytenreiches Infiltrat. Die Testung auf eine BRAF-Mutation fiel positiv aus. Die Diagnose eines Morbus Erdheim-Chester konnte somit schließlich gestellt werden. Der Patient erhielt Peginterferon alpha2, Anakinra und niedrig dosierte Kortikosteroide. Hierunter kam es zur deutlichen klinischen Besserung und Normalisierung der Entzündungsparameter.
Retrospektiv muss konstatiert werden, dass die Auffälligkeiten im initialen CT am ehester einer Periaortitis bei M. Erdheim-Chester entsprechen. Auch die zunächst im Rahmen eines M. Whipple interpretierten gastrointestinalen Symptome sind am ehesten dem M. Erdheim-Chester zuzuschreiben. Der Fall illustriert, wie wichtig es ist, Diagnosen bei atypischen Krankheitsverläufen und schlechtem Therapieansprechen immer wieder aufs Neue kritisch zu hinterfragen und erneute Diagnostik durchzuführen.
Offenlegungserklärung: Keine.