gms | German Medical Science

33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Regensburg, 22.09. - 25.09.2016

Untersuchungen zur Stimmzufriedenheit bei Frau-zu-Mann-transsexuellen Personen im ersten Jahr der Testosterontherapie

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Dirk Deuster - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
  • author Kim Di Vincenzo - Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft, Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland
  • author Michael Szukaj - Psychiatrische Praxis, Münster, Deutschland
  • author Antoinette am Zehnhoff-Dinnesen - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland
  • author Christian Dobel - Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Regensburg, 22.-25.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV34

doi: 10.3205/16dgpp55, urn:nbn:de:0183-16dgpp558

Published: September 8, 2016

© 2016 Deuster et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die Testosteronbehandlung von Frau-zu-Mann-transsexuellen Personen führt zu einer Stimmvertiefung und einer höheren Zufriedenheit mit der eigenen Stimme. Noch unklar ist, welche Faktoren genau für den Anstieg der Stimmzufriedenheit verantwortlich sind und ob Parameter existieren, die den Anstieg der Stimmzufriedenheit vorhersagen können.

Material und Methoden: Neun Frau-zu-Mann-transsexuellen Personen wurden im ersten Jahr nach Beginn der Testosterontherapie untersucht. Neben der Bestimmung der mittleren Sprechstimmlage wurden die Probanden mittels eines eigenen Fragebogens befragt. Die Fragen wurden auf einer Likert-Skala zwischen 1 (voll zustimmend) und 7 (gar nicht zustimmend) beantwortet, die Antwort auf die Frage „Ich bin mit meiner Stimme zufrieden“ galt als Maß für die Stimmzufriedenheit. Die Veränderungen der Stimmzufriedenheit nach ca. einem halben (20–36 Wochen) und ca. einem Jahr (50–64 Wochen) wurden auf einen Zusammenhang mit der Sprechstimmlage (in Hertz), der Stimmveränderung (in Halbtönen) und anderen Fragen des Fragebogens („Ich kann mich mit meiner Stimme identifizieren“, „Meine Stimme klingt männlich“, „Ich empfinde meine Persönlichkeit als männlich“, „Von meinem Äußeren her wirke ich männlich“) mittels multipler Regression untersucht.

Ergebnisse: Die Stimmzufriedenheit stieg signifikant von 5,67 (SD 1,225) prätherapeutisch auf 2,22 (SD 0,833) nach 20–36 Wochen und 1,78 (SD 0,667) nach 50–64 Wochen an. Der einzige Faktor, der in der multiplen Regression Signifikanz erreichte, war die Stimmveränderung zwischen den Zeitpunkten vor und ca. ein Jahr nach Therapie (B=0,442; SE=0,0049).

Diskussion: Unsere Studie bestätigt die Untersuchungen, die einen signifikanten Anstieg der Stimmzufriedenheit unter Testosterontherapie zeigen konnten. Korrelierend zur Stimmzufriedenheit war jedoch nicht die tatsächlich erreichte Stimmfrequenz, sondern die eingetretene Stimmveränderung im Vergleich zur prätherapeutischen Stimmfrequenz. Ein Faktor, der den Verlauf der Stimmzufriedenheit vor Therapiebeginn vorhersagen könnte, zeigte sich nicht.

Fazit: Durch die Testosterontherapie von Frau-zu-Mann-transsexuellen Personen ist ein Anstieg der Stimmzufriedenheit zu erwarten, der vom Ausmaß der Stimmveränderung abhängig ist.


Text

Hintergrund

Die Stimme ist nicht nur Basis der lautsprachlichen Kommunikation, sondern dient in der Selbst- und Fremdwahrnehmung sowohl als ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Personen als auch als ein Zugehörigkeitsmerkmal zu Peergroups wie der Gruppe desselben Geschlechts. Inkongruenzen zwischen der Geschlechtswahrnehmung der Stimme und der Person können daher zu einer Beeinträchtigung des physischen oder psychischen Wohlbefindens führen.

Transsexualismus bezeichnet den Wunsch einer Person, als Angehöriger des anderen Geschlechts zu leben. Die Inkongruenz zwischen dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht und der empfundenen Geschlechtszugehörigkeit führt zu einem Leiden, dass als Geschlechtsdysphorie bezeichnet wird. Eine der therapeutischen Optionen besteht in einer gegengeschlechtlichen Hormontherapie. Die Hormontherapie mittels Testosteron von Frau-zu-Mann-transsexuellen Personen (FTM) führt zu einer Stimmvertiefung und einer höheren Zufriedenheit mit der eigenen Stimme. In einer früheren Studie an 9 FTM wurde nach einem Jahr ein Absinken der mittleren Sprechstimmlage (SFF) von im Mittel 8,93 Halbtönen beobachtet, wobei nach 36 Wochen keine Unterschiede gegenüber der SFF einer Kontrollgruppe aus 21 biologischen Männern mehr bestand [1]. Nygren et al. konnten zeigen, dass zu den Zeitpunkten 3 und 6 Monate nach Beginn der Testosteronbehandlung die Zufriedenheit mit der eigenen Stimme („I am satisfied with my voice“) signifikant anstieg [2]. Noch unklar ist, welche Faktoren genau für den Anstieg der Stimmzufriedenheit verantwortlich sind und ob Parameter existieren, die den Anstieg der Stimmzufriedenheit vorhersagen können.

Material und Methoden

Neun Frau-zu-Mann-transsexuelle Personen im Alter zwischen 23 und 33 Jahren (Mittelwert 26,3) wurden im ersten Jahr (50–64 Wochen) nach Beginn der Testosterontherapie untersucht. Neben der Bestimmung der mittleren Sprechstimmlage wurden die Probanden mittels eines eigenen Fragebogens befragt. Die Fragen wurden auf einer Likert-Skala zwischen 1 (voll zustimmend) und 7 (gar nicht zustimmend) beantwortet, die Antwort auf die Frage „Ich bin mit meiner Stimme zufrieden“ galt als Maß für die Stimmzufriedenheit. Die Veränderungen der Stimmzufriedenheit nach ca. einem halben (20–36 Wochen) und ca. einem Jahr (50–64 Wochen) wurden auf Zusammenhänge mit der Sprechstimmlage (in Hertz), der Stimmveränderung (in Halbtönen) und anderen Fragen des Fragebogens („Ich kann mich mit meiner Stimme identifizieren“, „Meine Stimme klingt männlich“, „Ich empfinde meine Persönlichkeit als männlich“, „Von meinem Äußeren her wirke ich männlich“) mittels multipler Regression untersucht.

Ergebnisse

Die Stimmzufriedenheit nach 20–36 Wochen (2,22, SD 0,833) und nach 50–64 Wochen (1,78, SD 0,667) erhöhte sich signifikant im Vergleich zur prätherapeutischen Stimmzufriedenheit (5,67, SD 1,225). Zwischen Woche 20–36 und Woche 50–64 war die Veränderung nicht signifikant.

Der einzige Faktor, der in der multiplen Regression Signifikanz erreichte, war die Stimmvertiefung in Halbtönen zwischen den Zeitpunkten vor und ca. ein Jahr nach Therapie (B=0,442; SE=0,0049). Diese war wiederum weder durch die SFF vor Beginn der Testosteronbehandlung, Körpergröße oder -gewicht oder Alter der Probanden vorhersagbar [3].

Diskussion

Unsere Studie bestätigt die Untersuchungen, die einen signifikanten Anstieg der Stimmzufriedenheit unter Testosterontherapie zeigen konnten. Korrelierend zur Stimmzufriedenheit war jedoch nicht die tatsächlich erreichte Stimmfrequenz, sondern die eingetretene Stimmvertiefung im Vergleich zur prätherapeutischen SFF. Ein prätherapeutisch prädiktiver Faktor der Stimmzufriedenheit nach einem Jahr zeigte sich nicht.

Fazit

Durch die Testosterontherapie von Frau-zu-Mann-transsexuellen Personen ist ein Anstieg der Stimmzufriedenheit zu erwarten, der vom Ausmaß der Stimmvertiefung abhängig und aktuell noch nicht im Vorfeld vorhersehbar ist. Eine interessante Fragestellung für zukünftige Untersuchungen ist, ob ein ähnlicher Zusammenhang zwischen dem Ausmaß einer Stimmerhöhung und der Stimmzufriedenheit bei Mann-zu-Frau-transsexuellen Personen zu beobachten ist.


Literatur

1.
Deuster D, Matulat P, Knief A, Zitzmann M, Rosslau K, Szukaj M, am Zehnhoff-Dinnesen A, Schmidt CM. Voice deepening under testosterone treatment in female-to-male gender dysphoric individuals. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2016 Apr;273(4):959-65. DOI: 10.1007/s00405-015-3846-8 External link
2.
Nygren U, Nordenskjöld A, Arver S, Södersten M. Effects on Voice Fundamental Frequency and Satisfaction with Voice in Trans Men during Testosterone Treatment-A Longitudinal Study. J Voice. 2015 Dec 8. pii: S0892-1997(15)00234-9. DOI: 10.1016/j.jvoice.2015.10.016 External link
3.
Deuster D, Di Vincenzo K, Szukaj M, Am Zehnhoff-Dinnesen A, Dobel C. Change of speech fundamental frequency explains the satisfaction with voice in response to testosterone therapy in female-to-male gender dysphoric individuals. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2016 Aug;273(8):2127-31. DOI: 10.1007/s00405-016-4043-0 External link