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Stimmstörungen bei craniocervicaler Dysfunktion und craniomandibulärer Dysfunktion – retrospektive bizentrische Studie an 967 Patienten mit CCD/CMD
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Published: | September 8, 2016 |
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Zusammenfassung
Hintergrund: Die craniocervicale Dysfunktion (CCD) und craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) zeichnen sich durch eine myofunktionelle Störung im Bereich der oberen Kopfgelenke und des Kiefergelenks aus. Von den Patienten beschriebene Symptome stellen neben Nackenbeschwerden, Bewegungseinschränkungen und Schwindel unter anderem auch eine mangelnde stimmliche Belastbarkeit und Veränderungen im Stimmklang dar. Die Diagnosestellung der CCD und CMD wurden entsprechend der Diagnosekriterien des International College of Cranio-Mandibular Orthopaedics (ICCMO) und der Deutschen Gesellschaft für Muskuloskelletale Medizin (DGMSM) gestellt. In der vorgestellten Arbeit wurden bizentrisch 967 CCD- und CMD-Patientenakten im Hinblick auf eine Stimmstörung ausgewertet.
Material und Methoden: Bizentrisch wurden retrospektiv 967 Patienten mit CCD und CMD im Hinblick auf eine Stimmstörung, welche über mindestens 4 Monate bestand, untersucht. Die CCD und CMD wurden neben der klassischen zahn- und hno-ärztlichen Untersuchung, phoniatrisch und mittels manualmedizinischer Untersuchungstechniken, einer EMG-Untersuchung, einer Elektrosonographie sowie einer Magnetkinesiographie des Kiefers diagnostiziert.
Ergebnisse: Von den 967 ausgewerteten Patienten waren 626 Patienten Frauen, das entspricht 64,8%. 341 Patienten waren Männer, was 35,2% entspricht. Nur 36 der 967 ausgewerteten Patienten gaben eine Stimmstörung von mindestens 4 Monaten Dauer an. Das entspricht 3,11% aller Patienten mit CCD und CMD. Durch die leitlinienkonforme Behandlung der CCD/CMD mittels zahnärztlicher und manualmedizinischer Behandlung zeigte sich in 82,2% der Patienten eine Besserung der angegebenen Stimmstörung. Auffällig an CMD/CCD Patienten mit subjektiven Stimmproblemen war die im Vergleich zu Patienten ohne Stimmsymptomen erhöhte Rate an Schmelzfacetten der Zähne, Gingivarezessionen, verstärkten Unterkiefer- Mittelabweichungen und einer unphysiologischen Spee’schen Kurve.
Diskussion: Mit 3,11% der Patienten stellt die Stimmstörung rein statistisch kein signifikantes Symptom einer CCD/CMD dar. Der hohe Anteil von über 80% an Patienten, die eine Symptomverbesserung angaben und das direkte Ansprechen einer entsprechenden Therapie der CCD/CMD auf die angegebenen Stimmstörungen sollte trotzdem bei therapierefraktären Verläufen eine entsprechende Abklärung veranlassen. Patienten mit CMD/CCD sollten nach entsprechenden Beschwerden wie mangelnder stimmlicher Belastbarkeit oder Stimmklangveränderungen gefragt werden.
Text
Einleitung
Die craniocervicale Dysfunktion (CCD) und craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) zeichnen sich durch eine myofunktionelle Störung im Bereich der oberen Kopfgelenke und des Kiefergelenks aus. Fast regelmäßig werden von den betroffenen Patienten neben Nackenbeschwerden mit Bewegungseinschränkungen der HWS vor allem von okzipital nach frontal ziehende, in der Regel seitenbetonte, aber auch seitenwechselnde eher dumpfe Kopfschmerzen geklagt. Häufig wird ein eher asystemischer Schwindel, aber auch ein Ohrdruckgefühl und eine leichte Hörminderung geklagt. Nebenbefundlich wird von einer Reihe Patienten eine mangelnde stimmliche Belastbarkeit und Veränderungen des Stimmklanges geklagt, auch wenn die Schmerz- und Schwindelsymptomatik im Vordergrund steht.
Methode
Die Diagnosestellung der CCD und CMD wurden entsprechend der Diagnosekriterien des International College of Cranio-Mandibular Orthopaedics (ICCMO) und der Deutschen Gesellschaft für Muskuloskelletale Medizin (DGMSM) gestellt. Die CCD und CMD wurden neben der klassischen zahn- und hno-ärztlichen Untersuchung phoniatrisch und manualmedizinisch untersucht. Objektiviert wurden die Diagnosen der CCD und CMD durch EMG-Untersuchungen, Elektrosonographie sowie Magnetkinesiographie des Kiefers. In der vorgestellten Arbeit wurden bizentrisch retrospektiv 967 CCD- und CMD-Patientenakten im Hinblick auf ein Stimmstörung und eine Dysphagie ausgewertet. Stimmstörungen und Dysphagie bestanden über mindestens 4 Monate.
Ergebnisse
Von den 967 ausgewerteten Patienten waren 626 Patienten Frauen, das entspricht 64,8%. 341 Patienten waren Männer (35,2%).
Nur 61 der 967 ausgewerteten Patienten gaben eine Stimmstörung von mindestens 4 Monaten Dauer an. Das entspricht 6,3% aller Patienten mit CCD und CMD. Auffällig bei den CMD/CCD-Patienten mit subjektiven Stimmproblemen war die im Vergleich zu Patienten ohne Stimmsymptomen erhöhte Rate an pathologischen Schmelzfacetten der Zähne, Gingivarezessionen, verstärkten Unterkiefer- Mittelabweichungen und einer unphysiologischen Spee’schen Kurve.
Lediglich bei 3 Patienten bestand eine hypofunktionelle Dysphonie, bei den übrigen 58 Patienten imponierte eine primär hyperfunktionelle Dysphonie. Für den Phoniater ist von Bedeutung, dass die leitlinienkonforme Behandlung der CCD/CMD mittels zahnärztlicher und manualmedizinischer Behandlung bei 50 Patienten (entsprechend 82%) eine Besserung der geklagten Stimmstörung angab.
Bei 20 Patienten (entsprechen 2%) stand ein Globusgefühl im Vordergrund und weiteren 4 Patienten klagten über eine Dysphagie. Bei diesen Patienten konnte in 19 Fällen der Globus und bei allen Dysphagie-Patienten eine Besserung erzielt werden.
Diskussion
Die funktionelle Dysphonie mit 6,3% und das Globussyndrom mit 2,5% stellen rein statistisch keine signifikanten Symptome einer CCD/CMD dar.
Das direkte Ansprechen einer entsprechenden Therapie der CCD/CMD auf die geklagten Stimmstörungen und das Globusgefühl sollten trotzdem besonders bei therapierefraktären Verläufen zu einer entsprechenden Abklärung und Therapie führen. Da die Beschwerden Dysphonie und Globus auf eine Therapie der CCD und CMD sehr gut ansprechen sollte Manualmedizinischerseits nach funktionellen Dysphonien und Globussyndrom gefragt werden. Andererseits sollte der Phoniater bei der Stimmtherapie auch an die therapeutischen Möglichkeiten der Manualtherapie und der Behandlung einer CMD denken.