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33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Regensburg, 22.09. - 25.09.2016

Variabilität der Stimmlippenschwingungen bei spasmodischer Dysphonie vor und nach Behandlung mit Botulinumtoxin

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  • corresponding author presenting/speaker Monika Tigges - Abt. Phoniatrie u. Pädaudiologie, HNO-Klinik, Städt. Klinikum Karlsruhe, Karlsruhe, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Regensburg, 22.-25.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP21

doi: 10.3205/16dgpp52, urn:nbn:de:0183-16dgpp527

Published: September 8, 2016

© 2016 Tigges.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die digitale Hochgeschwindigkeitskinematographie wurde bisher überwiegend zur quantitativen Beschreibung der Stimmlippenschwingungen bei normalen Stimmen und Stimmerkrankungen eingesetzt. Ihre Relevanz für klinisch-therapeutische Entscheidungen wurde bisher eher seltener berücksichtigt. Hier soll am Beispiel der spasmodischen Dysphonie, bei der häufig eine stroboskopische Beurteilung nicht möglich ist, auf die Bedeutung der digitalen Hochgeschwindigkeitskinematographie im klinischen Alltag hingewiesen werden.

Material und Methoden: In einer retrospektiven Studie wurden 4 Patienten mit einer spasmodischen Dysphonie vor und 1 Woche nach einer Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin in den M. vocalis mittels Hochgeschwindigkeitsaufnahmetechnik (4000 Bilder/s) untersucht. Aus den Aufnahmen wurden Kymogramme zur Darstellung der Schwingungsmuster der Stimmlippen erstellt.

Ergebnisse: Bei den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen zeigten sich als prätherapeutische Befunde unterschiedlich pathologische Schwingungsmuster. Besonders auffällig waren Phasen mit schnellen Wechseln von unterschiedlichen, periodischer Schwingungsmustern, Schwingungsabbrüche (>30 ms) mit starkem Taschenfalteneinsatz, regelmäßig verlängerte Schlussphasen (>5 ms), und anterior-posteriore Schwingungsmoden. Posttherapeutisch waren die Stimmlippenschwingungen regelmäßig, es wurde in allen Fällen ein inkompletter Glottisschluss beobachtet.

Diskussion: Unter dem klinischen Bild der spasmodischen Dypshonie können sich unterschiedliche glottische Schwingungsmuster verbergen. Sie können evtl. zu der vor allem in der amerikanischen Literatur verbreiteten Differenzierung von „adductor spasmodic dysphonia“ und „muscle tension dysphonia“ beitragen. Die Störungen unterscheiden sich in den beteiligten Muskelgruppen, sodass therapeutisch evtl. nicht nur eine Injektionsbehandlung des M. vocalis in Betracht kommt.

Fazit: Zur Klassifizierung von Patienten mit spasmodischer Dysphonie ist die Hochgeschwindigkeitsaufnahmetechnik hilfreich. Ihr Einfluss auf die Behandlungsindikation sollte an größeren Patientengruppen untersucht werden.


Text

Hintergrund

Die digitale Hochgeschwindigkeitskinematographie wurde bisher überwiegend zur quantitativen Beschreibung der Stimmlippenschwingungen bei normalen Stimmen und Stimmerkrankungen eingesetzt. Ihre Relevanz für klinisch-therapeutische Entscheidungen wurde bisher eher seltener berücksichtigt [1]. Hier soll am Beispiel der spasmodischen Dysphonie, bei der häufig eine stroboskopische Beurteilung nicht möglich ist, auf die Bedeutung der digitalen Hochgeschwindigkeitskinematographie im klinischen Alltag hingewiesen werden.

Material und Methoden

In einer retrospektiven Studie wurden 4 Patienten mit einer spasmodischen Dysphonie mittels Hochgeschwindigkeitsaufnahmetechnik (Wolf Endocam HRES, 4.000 Bilder/s) vor und eine Woche nach einer Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin in den M. vocalis untersucht. Von den Aufnahmen wurden Kymogramme zur Darstellung der Schwingungsmuster der Stimmlippen erstellt.

Ergebnisse

Bei den Hochgeschwindigkeitsaufnahmen zeigten sich als prätherapeutische Befunde unterschiedlich pathologische Schwingungsmuster:

  • Phasen mit schnellen Wechseln von unterschiedlichen, periodischen Schwingungsmustern (Abbildung 1 [Abb. 1])
  • Schwingungsabbrüche (>30 ms) mit starkem Taschenfalteneinsatz
  • regelmäßig verlängerte Schlussphasen (>5 ms) (Abbildung 1 [Abb. 1])
  • anterior-posteriore Schwingungsmoden

Posttherapeutisch waren die Stimmlippenschwingungen regelmäßig, es wurde in allen Fällen ein inkompletter Glottisschluss beobachtet (Abbildung 2 [Abb. 2]).

In einem Fall zeigte sich nach der Injektionsbehandlung zwar ein regelmäßiges Schwingungsbild, jedoch variierte der minimale Abstand der Stimmlippen zyklisch im Sinne eines essentiellen Stimmlippentremors.

Diskussion

Unter dem klinischen Bild der spasmodischen Dysphonie können sich unterschiedliche glottische Schwingungsmuster verbergen. Die Identifizierung der Schwingungsmuster kann zu der vor allem in der amerikanischen Literatur [2] verbreiteten Differenzierung von „adductor spasmodic dysphonia“ und „muscle tension dysphonia“ oder zur Identifizierung eines essentiellen Stimmlippentremors beitragen. Für die spasmodischen Störungen sind die Abbrüche in den Schwingungen typisch. Bei „Therapieversagern“ kann es sich Patienten mit einer Kombination aus spasmodischer Dysphonie und essentiellem Tremor handeln. In diesem Fall wäre eine Injektionsbehandlung in den M. interarytaenoideus zu erwägen.

Fazit

Die Hochgeschwindigkeitsaufnahmetechnik ist zur Darstellung unregelmäßiger Stimmlippenschwingungen bei spasmodischer Dysphonie geeignet. Sie kann wesentliche Information für differentialdiagnostische und -therapeutische Entscheidungen im klinischen Alltag liefern.


Literatur

1.
Mendelsohn AH, Remacle M, Courey MS, Gerhard F, Postma GN. The diagnostic role of high-speed vocal fold vibratory imaging. J Voice. 2013 Sep;27(5):627-31. DOI: 10.1016/j.jvoice.2013.04.011 External link
2.
Patel RR, Liu L, Galatsanos N, Bless DM. Differential vibratory characteristics of adductor spasmodic dysphonia and muscle tension dysphonia on high-speed digital imaging. Ann Otol Rhinol Laryngol. 2011 Jan;120(1):21-32.