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33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Regensburg, 22.09. - 25.09.2016

Alters- und geschlechtsspezifische Normwerte für Sprechstimmprofile bei Kindern und Jugendlichen: Erste Ergebnisse der Leipziger LIFE-Child-Studie

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Thomas Berger - Sektion Phoniatrie und Audiologie, HNO-Klinik, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • author Diana Pietzner - LIFE Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen, Medizinische Fakultät der Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • author Sylvia Meuret - Sektion Phoniatrie und Audiologie, HNO-Klinik, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • author Wieland Kiess - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Leipzig, Deutschland
  • author Michael Fuchs - Sektion Phoniatrie und Audiologie, HNO-Klinik, Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Regensburg, 22.-25.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocV27

doi: 10.3205/16dgpp47, urn:nbn:de:0183-16dgpp471

Published: September 8, 2016

© 2016 Berger et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Auch bei Kindern und Jugendlichen wird in der phoniatrischen Routinediagnostik neben dem Singstimmprofil das Sprechstimmprofil erfasst. In diesen Altersgruppen fehlen Daten für alters- und geschlechtsspezifische Normwertbereiche des Sprechstimmprofils oder sie beruhen auf wenig repräsentativen Gruppen. Ziel der Studie war die Erfassung von validen Normwertbereichen anhand einer in dieser Form weltweit erstmalig vorhandenen Kohorte von stimmgesunden Kindern und Jugendlichen zwischen 6–18 Jahren.

Material und Methoden: Im Rahmen der bevölkerungsbezogenen Studie für Kinder des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen (LIFE) wurde bei 2.626 stimmgesunden Kindern ein Sprechstimmumfangsprofil (DIVAS Stimmanalyse von XION medical, Berlin) erhoben.

Das Sprechstimmprofil wurde in 5 Intensitätsstufen gemessen: leiseste Stimme (I), Gesprächsstimme (II), Vortragsstimme (III), Rufstimme (IV) und erneut leiseste Stimme im Sinne des Rücknahmetests nach Seidner (V).

Ergebnisse: Es wurden insgesamt 1.274 weibliche und 1.352 männliche Probanden untersucht. Es erfolgte eine Einteilung in 3 Altersgruppen: a=5,5–10,5 Jahre; b=10,5–14,5 Jahre und c=14,5–17,5 Jahre. Für die weiblichen Probanden ergaben sich folgende Mittelwerte: (Ia) 204 Hz/51,8 dB(A); (IIa) 223,3 Hz/58,6 dB(A); (IIIa) 250,3,7 Hz/65,5 dB(A); (IVa) 315,7 Hz/79,8 dB(A); (Va) 55,1 Hz/54,6 dB(A); (Ib) 195,5 Hz/51,4 dB(A); (IIb) 213,5 Hz/59,1 dB(A); (IIIb) 233 Hz/65,4 dB(A); (IVb) 307,8 Hz/80,7 dB(A); (Vb) 208 Hz/54 dB(A); (Ic) 194 Hz/51,1 dB(A); (IIc) 205,8 Hz/58,6 dB(A); (IIIc) 222,5 Hz/64,8 dB(A); (IVc) 302,9 Hz/80,5 dB(A); (Vc) 205,2 Hz/53,5 dB(A). Für die männlichen Probanden ergaben sich folgende Mittelwerte: (Ia) 197 Hz/52,1 dB(A); (IIa) 223,4 Hz/59,3 dB(A); (IIIa) 253,7 Hz/66,8 dB(A); (IVa) 250,3 Hz/82,5 dB(A); (Va) 212 Hz/55,1 dB(A); (Ib) 171,8 Hz/51,3 dB(A); (IIb) 187,3,9 Hz/59,1 dB(A); (IIIb) 208,9 Hz/66,1 dB(A); (IVb) 287,2 Hz/83,4 dB(A); (Vb) 178,2 Hz/53,8 dB(A); (Ic) 122,2 Hz/50 dB(A); (IIc) 122,3 Hz/58,1 dB(A); (IIIc) 134,5 Hz/65,2 dB(A); (IVc) 207,5 Hz/82,7 dB(A); (Vc) 124,3 Hz/52,2 dB(A).

Fazit: Die Studie erlaubt erstmals die Beschreibung von Normwertbereichen des Sprechstimmprofils bei Kindern und Jugendlichen in einer großen Bevölkerungsstichprobe. Die sich deutlich unterscheidenden Bereiche der 4 verschiedenen Sprechintensitäten können für eine detaillierte Beurteilung der Sprechstimme von Kinder und Jugendlichen im klinischen Alltag eingesetzt werden.


Text

Hintergrund

Auch bei Kindern und Jugendlichen wird in der phoniatrischen Routinediagnostik neben dem Singstimmprofil das Sprechstimmprofil erfasst. Beide Untersuchungen sind wichtige Methoden um zwischen gesunden und therapiebedürftigen stimmlichen Parametern zu unterscheiden. Die Auswertung des Sing- oder Sprechstimmprofiles erfolgt zu einem großen Teil subjektiv ist durch die individuelle Erfahrung des Arztes oder Therapeuten stark beeinflussbar. Wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema beschränken sich häufig auf das Singstimmprofiles oder konzentrieren sich auf stimmgeschulte Kinder [1], [2]. Valide Daten für alters- und geschlechtsspezifische Normwertbereiche des Sprechstimmprofils von Kindern und Jugendlichen sind dagegen kaum zu finden. Hierbei erfahren jedoch gerade die Parameter der Sprechstimme große Veränderungen im Laufe der Kindheit und Jugend [3], [4]. Ziel der Studie war die Erfassung von validen Normwertbereichen anhand einer in dieser Form weltweit erstmalig vorhandenen Kohorte von stimmgesunden Kindern und Jugendlichen zwischen 6–18 Jahren.

Methoden

Im Rahmen der bevölkerungsbezogenen Studie für Kinder des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen (LIFE) wurde bei 1.564 stimmgesunden Kindern ein Sprechstimmumfangsprofil (DIVAS Stimmanalyse von XION medical, Berlin) erhoben. Zusätzlich konnten bei 1.062 der beteiligten Kinder durch jährlich stattfindende Nachuntersuchungen Folgedaten gesammelt werden, so dass insgesamt 2.626 Datensätze von vollständigen Sprechstimmprofilen erhoben werden konnten. Im Vorfeld wurde zur Gewährleistung einer hohen Datenqualität eine Standardarbeitsanweisung (SOP) gemäß UEP-Norm zur Erfassung des Sprechstimmumfangsprofiles erstellt und im Rahmen der Datenakquise regelmäßig deren korrekte Anwendung überprüft. Kinder mit eventuellen Einflussfaktoren, die die Stimmqualität erheblich beeinträchtigen, wie vorangegangene Kehlkopfoperationen oder akute Infekte, wurde durch einen Fragebogen detektiert und von der Untersuchung ausgeschlossen. Das Sprechstimmprofil wurde in 5 Intensitätsstufen gemessen: leiseste Stimme (I), Gesprächsstimme (II), Vortragsstimme (III), Rufstimme (IV) und erneut leiseste Stimme im Sinne des Rücknahmetests nach Seidner (V). Mit Hilfe multivariater Regressionsmodelle wurden Assoziationen der Messparameter mit dem Alter und dem Geschlecht untersucht.

Ergebnisse

Es konnten insgesamt 1.274 weibliche und 1.352 männliche Datensätze in die statistische Datenauswertung eingebracht werden. Es erfolgte eine Einteilung in 3 Altersgruppen: a=5,5–10,5 Jahre; b=10,5–14,5 Jahre und c=14,5–17,5 Jahre. Für die weiblichen Probanden ergaben sich folgende Mittelwerte: (Ia) 204 Hz/51,8 dB(A); (IIa) 223,3 Hz/58,6 dB(A); (IIIa) 250,3,7 Hz/65,5 dB(A); (IVa) 315,7 Hz/79,8 dB(A); (Va) 55,1 Hz/54,6 dB(A); (Ib) 195,5 Hz/51,4 dB(A); (IIb) 213,5 Hz/59,1 dB(A); (IIIb) 233 Hz/65,4 dB(A); (IVb) 307,8 Hz/80,7 dB(A); (Vb) 208 Hz/54 dB(A); (Ic) 194 Hz/51,1 dB(A); (IIc) 205,8 Hz/58,6 dB(A); (IIIc) 222,5 Hz/64,8 dB(A); (IVc) 302,9 Hz/80,5 dB(A); (Vc) 205,2 Hz/53,5 dB(A). Für die männlichen Probanden ergaben sich folgende Mittelwerte: (Ia) 197 Hz/52,1 dB(A); (IIa) 223,4 Hz/59,3 dB(A); (IIIa) 253,7 Hz/66,8 dB(A); (IVa) 250,3 Hz/82,5 dB(A); (Va) 212 Hz/55,1 dB(A); (Ib) 171,8 Hz/51,3 dB(A); (IIb) 187,3,9 Hz/59,1 dB(A); (IIIb) 208,9 Hz/66,1 dB(A); (IVb) 287,2 Hz/83,4 dB(A); (Vb) 178,2 Hz/53,8 dB(A); (Ic) 122,2 Hz/50 dB(A); (IIc) 122,3 Hz/58,1 dB(A); (IIIc) 134,5 Hz/65,2 dB(A); (IVc) 207,5 Hz/82,7 dB(A); (Vc) 124,3 Hz/52,2 dB(A).

Diskussion

Die alters- und geschlechtsspezifische Darstellung der Frequenz und der Intensität in Boxplots ergibt eine klare Trennung der unterschiedlichen Intensitätsstufen des Sprechstimmprofiles (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die klare Trennung der Wertebereiche innerhalb der untersuchten 5 Sprechintensitäten bekräftigt den Untersuchungsablauf bei der Erfassung des Sprechstimmprofils. Zudem können durch Berechnung einer Perzentilenkurve Normwertbereiche des Sprechstimmprofils von Kindern und Jugendlichen grafisch dargestellt werden (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Fazit

Die vorliegende Studie erlaubt die Beschreibung von Normwertbereichen des Sprechstimmprofiles bei Kindern und Jugendlichen anhand einer großen Bevölkerungsstichprobe. Die sich deutlich unterscheidenden Bereiche der 5 verschiedenen Sprechintensitäten können für eine detaillierte Beurteilung der Sprechstimme von Kinder und Jugendlichen im klinischen Alltag eingesetzt werden.

Anmerkung

Diese Publikation wurde gefördert durch LIFE – Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen. LIFE wird finanziert aus Mitteln der Europäischen Union durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und aus Mitteln des Freistaates Sachsen im Rahmen der Landesexzellenzinitiative.


Literatur

1.
Hacki T. Comparative speaking, shouting and singing voice range profile measurement: physiological and pathological aspects. Logoped Phoniatr Vocol. 1996;21(3-4):123-9. DOI: 10.3109/14015439609098879 External link
2.
Schneider B, Zumtobel M, Prettenhofer W, Aichstill B, Jocher W. Normative voice range profiles in vocally trained and untrained children aged between 7 and 10 years. J Voice. 2010 Mar;24(2):153-60. DOI: 10.1016/j.jvoice.2008.07.007 External link
3.
Pedersen M, Alexius Agersted AB, Jønsson A. Aspects of Adolescence and Voice: Girls versus Boys ? A Review. J Child Adolesc Behav. 2015;3(3):3-5. DOI: 10.4172/2375-4494.1000211 External link
4.
Harries ML, Walker JM, Williams DM, Hawkins S, Hughes IA. Changes in the male voice at puberty. Arch Dis Child. 1997 Nov;77(5):445-7. DOI: 10.1136/adc.77.5.445 External link