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25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12.09. - 14.09.2008, Düsseldorf

Evaluation der Stimmtherapie von Patienten mit funktionellen Dysphonien

Vortrag

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  • author presenting/speaker Ruth Evans - Univ.-HNO-Klinik, Phoniatrie und Pädaudiologie, Greifswald, Deutschland
  • corresponding author Tadeus Nawka - Univ.-HNO-Klinik, Phoniatrie und Pädaudiologie, Greifswald, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 25. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Düsseldorf, 12.-14.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. Doc08dgppV55

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Published: August 27, 2008

© 2008 Evans et al.
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Zusammenfassung

Einleitung: Die objektive Bewertung einer Stimme ist ein Bestandteil der phoniatrischen Diagnostik. Eine Zusammenfassung objektiver Parameter ist der Dysphonie Schwergerad Index (DSI). In dieser Studie werden Patienten mit funktionellen Dysphonien untersucht. Zur Feststellung von Veränderungen der Stimme vor und nach Stimmübungstherapie sollen objektive Messwerte in Form des DSI und der auditive Eindruck nach dem RBH-System ausgewertet werden. Gibt es eine messbare Veränderung durch die Behandlung? Korrelieren die objektiven Messwerte mit der auditiven Beurteilung?

Material und Methoden: Von 79 Patienten – 58 weiblich und 21 männlich – mit funktionellen Stimmstörungen wurden die mittlere Phonationszeit, die höchste erreichbare Frequenz, die mindeste Intensität und der Jitter gemessen und zum DSI zusammengefasst sowie die Heiserkeit nach RBH beim Lesen eines Standardtextes beurteilt. Die Untersuchung wurde vor und nach Stimmübungsbehandlung durchgeführt.

Ergebnisse: Sowohl die objektiven Daten als auch die subjektive Einschätzung führten zu einer Verbesserung. So erhöhte sich der Median des DSI signifikant von 4,6 auf 5,6 (p<0,001). Der Medianwert der Heiserkeit vor Behandlung bessert sich signifikant (p<0,001) von R1 B0 H1 auf R0 B0 H0 nach der Behandlung.

Die Medianwerte vor und nach Therapie unterscheiden sich signifikant für Jitter (0,48/0,35; p<0,001) und Frequenz des höchsten gesungenen Tones (706/740; p<0,01). Die Parameter leisester Ton und mittlere Tonhaltedauer ändern sich nicht signifikant.

Schlussfolgerung: Die Verbesserung der Stimmfunktion bei funktioneller Dysphonie nach Therapie ist sowohl anhand objektiver Parameter als auch durch die auditive Stimmbeurteilung nachweisbar.


Text

Einleitung

Neben der auditiven und subjektiven Beurteilung ist die objektive Bewertung einer Stimme ein weiterer wichtiger Bestandteil der phoniatrischen Diagnostik. Eine inzwischen verbreitete Möglichkeit der Zusammenfassung objektiver Parameter ist der Dysphonie Schweregrad Index (DSI) [5]. In der phoniatrischen Abteilung der Universität Greifswald gehört die DSI-Bestimmung bei Patienten mit funktionellen und organischen Dysphonien zur Routinediagnostik. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen Patienten mit funktionellen Dysphonien, die sich einer Stimmübungstherapie unterzogen. In der vorliegenden Studie wird untersucht, wie sich der DSI nach Behandlung verändert, mit welcher Gewichtung die einzelnen Messwerte betroffen sind und ob es eine Korrelation zur auditiven Beurteilung nach dem RBH-System (Rauigkeit, Behauchtheit, Heiserkeit) gibt.

Material und Methoden

Von 79 Patienten – 58 weiblich (16–65 Jahre, Median 35) und 21 männlich (13–66 Jahre, Median 47) – mit funktionellen Stimmstörungen wurde der DSI gemessen und die RBH-Werte nach Lesen eines Standardtextes erfasst. Die Untersuchung wurde vor und nach Stimmübungsbehandlung durchgeführt.

DSI: Er wird als gewichtete Regressionsgleichung ermittelt und setzt sich aus folgenden vier Parametern zusammen: Maximale Phonationszeit (MPT – Sekunden), höchster Ton (F0-High – Hertz), minimaler Stimmpegel (I-Low – Dezibel), Jitter (Prozent). Die Berechnungsvorschrift ist: DSI = 0,13 x MPT (s) + 0,0053 x F0-High (Hz) – 0,26 x I-Low (dB) – 1,18 x Jitter (%) + 12,4.

Die maximale Phonationszeit wird mit der Stoppuhr bestimmt, der Jitter mit einem Stimmanalyseprogramm. Die Werte für den höchsten Ton und den minimalen Schallpegel werden aus dem Stimmumfangsprofil entnommen. Das Ergebnis der Berechnung ist ein dimensionsloser Zahlenwert, der in vier Gruppen von Schweregraden klassifiziert wird.

RBH-System: Mit dem RBH-System wird der Heiserkeitsgrad einer Stimme nach Schweregrad auf einer Ordinalskala von 0 bis 3 klassifiziert (0= nicht vorhanden, 1= geringgradig, 2= mittelgradig, 3= hochgradig).

Statistik: Zur Auswertung wurden MS-Excel (Medianwerte) und SPSS 15.0 (Wilcoxon-Test) verwendet.

Ergebnisse

Sowohl die objektiven Stimmparameter als auch die subjektive Stimmbewertung führten bei der Mehrzahl der untersuchten Patienten zu einer Verbesserung. Der Medianwert von RBH vor Behandlung beträgt R1 B0 H1, nach der Behandlung R0 B0 H0. Der Median des DSI erhöhte sich signifikant von 4,6 auf 5,55 (p<0,001).

Zum Einfluss der Dimensionen des DSI lässt sich feststellen: Nach Stimmübungsbehandlung verringert sich im Durchschnitt der Jitter um 0,13. Die Grundfrequenz des höchsten gesungenen Tones erhöht sich um durchschnittlich 34 Hz. Die Veränderungen der beiden Parameter leisester Ton und mittlere Tonhaltedauer sind nicht signifikant verschieden.

Tabelle 1 [Tab. 1]

Diskussion

Aperiodizität der Grundfrequenz bzw. Turbulenzgeräusche führen zu pathologischen Klangveränderungen wie Rauigkeit bzw. Behauchtheit, die wir im Gesamteindruck als Heiserkeit wahrnehmen. Der Heiserkeitsgrad ist ein wichtiger Faktor zur Einschätzung der Schwere der Erkrankung von Patienten. Die Dokumentation der auditiven Perzeption mit der RBH-Klassifikation [2] hat sich erneut als zuverlässige Methode in der Funktionsdiagnostik erwiesen. Die signifikanten Veränderungen vor und nach Therapie korrelieren mit den DSI-Messwerten.

Der DSI ist zur objektiven Stimmbewertung geeignet. Allerdings gilt es zu beachten, dass besonders bei funktionellen Dysphonien der DSI im Normalbereich liegen kann, obwohl die Stimme weder tragfähig noch belastbar ist. Dies haben die Autoren schon in einer früheren Arbeit festgestellt, in der sie bei 16 Patienten nach Stimmtherapie von einer Erhöhung des DSI um 0,8 berichteten [3]. In der vorliegenden Studie werden diese Ergebnisse noch einmal bestätigt.

Timmermans et al. [4] berichten vom Langzeiteinfluss einer Stimmbehandlung auf 46 Studenten. Bei ihnen erhöhte sich der DSI signifikant von 2 auf 4,6.

Methodisch gleich der hier vorgelegten Studie untersuchten Hakkesteegt u.a. 294 stimmgestörte Patienten sowie eine Kontrollgruppe von 118 Stimmgesunden mit DSI und auditiver Perzeption, um pathologische Stimmen und Normalstimmen zu differenzieren [1]. Zur Heiserkeitsbewertung verwendeten sie die allgemeine Heiserkeit G (Grade) aus der GRBAS-Skala, von der G, R und B den Begriffen H, R und B gleichgesetzt werden können. Es gibt Übereinstimmungen mit der vorliegenden Studie: Der DSI und der Heiserkeitsgrad sind vergleichbar. Der DSI ist signifikant niedriger, wenn der Heiserkeitsgrad höher ist. Innerhalb der stimmgestörten Patienten haben diejenigen mit funktionellen Dysphonien den höchsten DSI-Wert.

Die alleinige Beschreibung der objektiven Stimmleistungen und –eigenschaften mit dem DSI reicht zur Differenzierung nicht aus. Eine leichte Heiserkeit wird sensibler durch die auditive Beurteilung dokumentiert.

Objektive Methoden wie auch die auditive Stimmbeurteilung sind geeignet, differenzierte Aussagen zum Ergebnis einer Stimmübungsbehandlung bei funktionellen Dysphonien zu treffen. Beide sollten neben der Stroboskopie, Stimmumfangsprofilmessung und subjektiven Selbsteinschätzung angewandt werden.


Literatur

1.
Hakkesteegt MM, Brocaar P, Wieringa H, Feenstra L. The Relationship between Perceptual Evaluation of voice and Objectiv multiparametric Evaluation of Dysphonia Severity. J Voice. 2008;22(2):138 -45.
2.
Nawka T, Anders LC. Die auditive Bewertung heiserer Stimmen nach dem RBH-System. Stuttgart; 1996.
3.
Nawka T, Evans R. Stimmstatus und Dysphonie Schweregrad Index - diagnostische Möglichkeiten bei Stimmstörungen. In: Anders LC, Hirschfeldt U, Hrsg. Sprechsprachliche Kommunikation - Probleme, Konflikte, Störungen. Hallesche Schriften zur Sprechwissenschaft und Phonetik. Frankfurt/Main: Peter Lang Verlag; 2003. S. 221-30.
4.
Timmermans B, De Bodt M, Wuyts F, Van de Heyning P. Training outcome in future professional voice users after 18 months of voice training. Folia Phoniatr Logo. 2004;56:120-9.
5.
Wuyts FL, De Bodt MS, Molenberghs G, Remacle M, Heylen L, Millet B, Van Lierde K, Raes J, Van de Heyning PH. The Dysphonia Severity Index: An objective measure of vocal quality based on a multiparameter approach. J Speech Lang Hear Res. 2000;43:796-809.