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23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

15. - 17.09.2006, Heidelberg

Ermittlung der tieffrequenten Hörschwelle mittels der low-CHIRP-BERA

Detecting Low Frequency Hearing Loss with low-CHIRP-BERA

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Karsten Plotz - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, HNO-Zentrum Ev. Krankenhaus Oldenburg, Oldenburg, Germany
  • author Izet Baljic - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, HNO-Zentrum Ev. Krankenhaus Oldenburg, Oldenburg, Germany
  • author Rüdiger Schönfeld - Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, HNO-Zentrum Ev. Krankenhaus Oldenburg, Oldenburg, Germany
  • author Martin Hansen - Institut für Hörtechnik und Audiologie, Fachhochschule OOW, Oldenburg, Germany

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Heidelberg, 15.-17.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06dgppV37

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Published: September 5, 2006

© 2006 Plotz et al.
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Zusammenfassung

In der frühkindlichen Hördiagnostik und zur Erhebung akustischer Kenndaten bei der kindlichen Hörgeräteanpassung sind objektive Diagnostikverfahren zur Ermittlung der tieffrequenten Hörschwelle erforderlich. Im Rahmen des Kompetenzzentrum HÖRTECH für Hörgerätesystemtechnik -Teilprojekt V "fitting" wurden objektive Verfahren im Rahmen der Hörgeräteversorgung bei Säuglingen und Kleinkindern entwickelt. Der von Dau et al. [2] und Wegner et al. [10] entwickelte Chirp gestattet eine synchrone Anregung der Cochlea. Ziel der Arbeit ist die Evaluation eines modifizierten Chirp-Signales für die objektive Schwellbestimmung unterhalb von 1000 Hz.

Das ERA-Diagnostiksystem ”evoselect“ (Softwareversion 5.0.10) der Firma Pilot-Blankenfelde ist ein externes DSP-Messmodul, welches von einem IBM kompatiblen Rechner gesteuert wird. Es bietet die Möglichkeit zur Stimulation, Ableitung, Registrierung, Darstellung und Auswertung von AEP. In diesem System sind mehrere Messarten integriert. Zur Ermittlung von frequenzspezifischen Schwellen stehen Notched-Noise-BERA, ASSR-BERA und Chirp-BERA zur Verfügung. Der tieffrequente Chirp-Reiz (low-CHIRP) wurde realisiert im Frequenzbereich von 100 bis 850 Hz. Zur Vermeidung von basal spread of excitation wurde ein Hochpassrauschen hinzugefügt, in dem ein digital erzeugtes weißes Rauschen mit dem Butterworth-Hochpassfilter 10-ter Ordnung, der Grenzfrequenz von 850 Hz, digital gefiltert wurde.

Es wurden Evaluationsmessungen an normalhörenden erwachsenen Probanden (n=15) mittels Tonaudiogramm, NN-BERA bei 500 Hz, ASSR-BERA bei 500 Hz und der low-CHIRP-BERA durchgeführt. Die ermittelten Schwellen betrugen für die NN-BERA bei 500 Hz µ=18,33 dB HL (σ=10,97 dB HL), für die ASSR-BERA bei 500 Hz µ=31,67 dB HL (σ=12,63 dB HL) und mit der low-CHIRP-BERA µ=3,33 dB HL (σ=4,50 dB HL).

Das Design des modifizierten Chirp-Signals, Ruhehörschwellen der verwendeten Signale und Ergebnisse der darauf aufbauenden Hörgeräteanpassungen bei Kleinkindern werden präsentiert. Es scheint sich bereits jetzt anzudeuten, dass die low-CHIRP-BERA ein geeignetes und praktikables Verfahren zur Abschätzung des tieffrequenten Hörverlustes sowie zur Erfassung der Hörreste im apikalen Cochleabereich darstellt.


Text

Frequenzspezifische objektive Hördiagnostik kleiner Kinder

Um Verzögerungen der Sprachentwicklung bei schwerhörigen Kindern zu vermeiden ist es wissenschaftlicher Konsens, die im Rahmen des UNHS auffälligen und in der Konfirmationsdiagnostik als schwerhörig erkannten Kinder bis zum Abschluss des 6. Lebensmonats mit Hörgeräten zu versorgen. Von den für eine HG-Programmierung erforderlichen audiologische Kenndaten ist eine gesicherte Hörschwelle als absolutes Minimum anzusehen. Überschwellige Kenndaten wie Dynamik, Lautheitsverteilung – Hörfeld oder U-Schwelle sind ebenso wünschenswert, leider aber bisher bei Säuglingen und Kleinstkindern weder subjektiv noch objektiv erhebbar. Die HG-Anpassung hat sich also rein auf objektive Schwellenbestimmungen insbesondere die frequenzspezifische Hirnstammaudiometrie zu stützen.

In der Vergangenheit wurden mehrere Methoden erforscht, in der Hoffnung frequenzspezifische Hirnstammpotentiale ableiten zu können. Dabei wurden unterschiedliche Stimulusparadigmen in Betracht gezogen. Zum Teil hat sich die Stimulation mit schmalbandig gefilterten Clicks und Tonpulsen ohne zusätzlichen Maskierer durchgesetzt. Die Einführung von selektiven Maskierungsverfahren konnte das Problem der geringen Frequenzspezifität auch nicht grundsätzlich lösen, da diese Verfahren zu einer weiteren Verschlechterung des in Schwellennähe an sich schon schlechten Signal/Rausch-Verhältnisses führen und die Nachweisbarkeit der Reizantworten erschweren [8]. Einen möglichen Ausweg aus dieser Problematik stellt eine vielversprechende Messmethode dar, der ein neuentwickelter Stimulus zu Grunde liegt. Ein Chirp-Stimulus, der theoretisch die gesamte BM gleichzeitig anregt, indem er die Laufzeitunterschiede der Wanderwelle auf der BM ausgleicht, wurde anhand des linearen Cochlea-Models nach de Boer [3], von Dau et al. [2] an der Universität Oldenburg entwickelt. Bereits die ersten Messungen zeigten eine große Effektivität des neuen Stimulus. In mehreren Veröffentlichungen wurden auch Ergebnisse der Chirp-BERA vorgestellt, die frequenzspezifische Informationen über das Hörvermögen lieferten. Insbesondere wurde die hohe Effektivität des tieffrequenten Chirp-Stimulus im Vergleich zu den anderen tieffrequenten Stimuli hervorgehoben [10].

Ziel dieser Arbeiten war es auf der Basis objektiver Messverfahren Abschätzungen der Hörschwelle bei den wichtigen Stützfrequenzen 500 Hz, 1,2, und 4 kHz zu erzielen. Die hierzu erforderlichen Untersuchungen fanden statt im Rahmen des vom Kompetenzzentrum HÖRTECH gGmbH für Hörgerätesystemtechnik vergebenen Teilprojekt V "fitting" (Leiter: Prof. Dr. Kießling, Uni Gießen).

Diese Arbeit beschäftigt sich in erster Linie mit der klinischen Evaluation eines neuen Verfahrens zur Ableitung von frequenzspezifischen Hirnstammpotentialen. Dieser objektiven audiometrischen Messmethode liegt ein neu entwickelter Chirp-Stimulus zu Grunde, welcher auf Basis des linearen Basilarmembran-Modells nach de Boer an der Universität Oldenburg von Dau, Wegner, Mellert und Kollmeier, entwickelt wurde. Da alle bisherigen Messungen mit einer Forschungsapparatur durchgeführt worden waren, war es zuerst notwendig eine für klinische Zwecke entwickelte und vom Evangelischen Krankenhaus Oldenburg neu angeschaffte Messapparatur (”evoselect” der Firma Pilot-Blankenfelde) auf die Eignung zur Durchführung der Chirp-BERA zu überprüfen. In diesem Zusammenhang wurde die Kalibrierung der Messapparatur ”evoselect” vorgenommen und wurden an einem normalhörenden Versuchspersonenkollektiv Vergleichsmessungen durchgeführt. Dabei sind die mittels beider Messapparaturen registrierten Hirnstammpotentiale miteinander verglichen worden. Es konnte gezeigt werden, dass sich mit der Messapparatur ”evoselect” gut reproduzierbare chirpevozierte Hirnstammpotentiale ableiten und registrieren lassen. Im weiteren Verlauf dieser Studie sind Messungen an normalhörenden und hörgeschädigten Probanden mit verschiedenen Formen des Chirp-Stimulus, vor allem mit seinen frequenzspezifischen Ausschnitten, durchgeführt worden. Die Ergebnisse dieser Experimente zeigen, dass mit der Chirp-BERA eine Möglichkeit gegeben ist, frequenzspezifische Hirnstammpotentiale sowohl bei normalhörenden als auch bei hörgeschädigten Probanden auslösen zu können.

Der in dieser Arbeit verwendete Chirp, der von Dau et al. an der Universität Oldenburg entwickelt und im Rahmen einer Diplomarbeit [1] an der Fachhochschule Oldenburg untersucht wurde, soll die oben stehenden Probleme bei der Click-BERA vermeiden. Eine detaillierte Beschreibung des Stimulus und der Gleichungen auf denen er basiert, ist in [1] zu finden. In der Praxis finden drei verschiedene Chirp-Stimuli Anwendung, die nun im Folgenden näher beschrieben werden.

Alle Messungen bei Kleinstkindern in Narkose, Kindern, erwachsenen Probanden und Patienten erfolgten im BERA-Narkoseraum der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie am Evangelischen Krankenhaus Oldenburg.

Breitband-Chirp

Seit fast 30 Jahren ist die Ableitung auditorisch evozierter Hirnstammpotentiale die am weitesten verbreitete Methode zur objektiven Einschätzung des Hörvermögens in der Audiologie. Aufgrund ihrer Nachweisbarkeit bis in die Schwellennähe und ihrer Unabhängigkeit vom Vigilanzniveau werden diese Potentiale besonders zur Abschätzung der Hörschwelle im Rahmen der Pädaudiologie herangezogen. In der Praxis wird diese Messmethode auch zur Topodiagnostik genutzt, da sie in der Regel die Unterscheidung zwischen cochleären und retrocochleären Schädigungen ermöglicht. Dennoch weist diese nichtinvasive Untersuchungsmethode einige Mängel auf, die durch die intensive Forschung nur teilweise beseitigt werden konnten. Das gravierende, bis heute nur bedingt gelöste Problem, stellt die mangelnde Frequenzspezifität der frühen akustisch evozierten Potentiale dar. Da sie gegenwärtig als Synchronisationspotentiale vorwiegend mit kurzen akustischen Clickreizen evoziert werden, tragen immer nur bestimmte Frequenzbereiche der Cochlea zur Antwort bei. Die kurzen, zeitlich begrenzten Reize weisen ein breites akustisches Frequenzspektrum auf. Das Spektrum des vom akustischen Wandler erzeugten Clickreizes weist ein Energiemaximum im Frequenzbereich von 1-4 kHz auf, so dass in erster Linie die nahe dem runden Fenster gelegenen basalen Basilarmembranabschnitte als Quellen für die Entstehung von Summenaktionspotentialen betrachtet werden können [7]. Diese Potentiale werden immer zuerst vom einlaufenden Click-Reiz ausgelöst und tragen mehrheitlich zur Synchronisationsantwort bei. Apikal gelegene Basilarmembranabschnitte werden erst angeregt, nachdem die Wanderwelle bereits in den zugehörigen basal gelegenen afferenten Nervenfaser ein Aktionspotential ausgelöst hat. Dies liegt an apikalwärts zunehmender Dispersion entlang der Basilarmembran (BM), so dass insbesondere die tieffrequenten Anteile des Clickreizes nicht zum registrierten Hirnstammpotential beitragen können. In der Wirklichkeit repräsentieren clickevozierte Hirnstammpotentiale nur das Gehör in einem Frequenzbereich oberhalb 2 kHz und eine Erfassung von Hörresten im diagnostisch wichtigen tieffrequenten Bereich von 1 kHz und darunter ist mit dieser Art der Stimulation nicht möglich [6].

Laut Dau et al. [2] und Fobel [4] sollte der Breitband-Chirp-Stimulus ein breites Spektrum aufweisen, um eine möglichst hohe Anzahl von Nervenfasern anregen zu können, gleichzeitig aber auch die zeitliche Verzögerung durch die Ausbreitung der Wanderwelle vom basalen zum apikalen Bereich der Cochlea berücksichtigen. Ziel war es also, ein Signal zu generieren, welches eine möglichst zeitsynchrone Anregung der gesamten BM als auch die Anregung einer maximalen Anzahl von Nervenfasern gewährleistet. Um dies realisieren zu können, sind die hochfrequenten Signalanteile um einen angemessenen Zeitraum relativ zu den tieffrequenten Anteilen verzögert. Für die Bestimmung der zeitlichen Verzögerung stützen sich Dau et al. [2] auf Arbeiten von de Boer [3] zur Geschwindigkeit der Wanderwelle und Greenwood [5] zum funktionellen Verhältnis zwischen Stimulusfrequenz und Ort der maximalen Auslenkung der BM.

Der daraus entstandene Chirp-Stimulus (s. Abbildung 1 [Abb. 1]) weist im Bereich der hochfrequenten Signalanteile eine zeitliche Verzögerung auf sowie eine ansteigende Momentan-Frequenz. Dieser so genannte „Breitband-Chirp“ umfasst einen Frequenzbereich von 100 bis 10000 Hz. Die zeitliche Verzögerung der hochfrequenten Signalanteile bewirkt eine zeitsynchrone Anregung aller im Chirp enthaltender Frequenzbereiche, die somit zur Ausprägung des Potentials beitragen.

Die Chirp-BERA lässt also konkrete Aussagen über verschiedene Hörverluste in allen Bereichen der Cochlea und damit bei allen Frequenzen zu.

Low-Chirp

Der von Dau et al. [2] und Wegner et al. [10] entwickelte Chirp gestattet eine synchrone Anregung der Cochlea. Ziel der Arbeit ist die Evaluation eines modifizierten Chirp-Signales für die objektive Schwellbestimmung unterhalb von 1000 Hz.

Das ERA-Diagnostiksystem ”evoselect“ (Softwareversion 5.0.10) der Firma Pilot-Blankenfelde ist ein externes DSP-Messmodul, welches von einem IBM kompatiblen Rechner gesteuert wird. Es bietet die Möglichkeit zur Stimulation, Ableitung, Registrierung, Darstellung und Auswertung von AEP. In diesem System sind mehrere Messarten integriert. Zur Ermittlung von frequenzspezifischen Schwellen stehen Notched-Noise-BERA, ASSR-BERA und Chirp-BERA zur Verfügung. Der tieffrequente Chirp-Reiz (low-CHIRP) wurde realisiert im Frequenzbereich von 100 bis 850 Hz. Zur Vermeidung von basal spread of excitation wurde ein Hochpassrauschen hinzugefügt, in dem ein digital erzeugtes weißes Rauschen mit dem Butterworth-Hochpassfilter 10-ter Ordnung, der Grenzfrequenz von 850 Hz, digital gefiltert wurde.

Gegenstand dieser Arbeit ist der so genannte „Low-Chirp“ (oder auch tieffrequente Chirp). Er deckt lediglich einen Frequenzbereich von 100 bis 850 Hz ab und wird zur Beurteilung der tieffrequenten Bereiche der Cochlea herangezogen. Dieser Low-Chirp ist in Abbildung 2 [Abb. 2] grafisch dargestellt.

High-Chirp

Der High-Chirp (oder auch hochfrequente Chirp) erstreckt sich von 1 bis 10 kHz und erlaubt somit eine frequenzspezifische Überprüfung der basalen Bereiche der Cochlea. Diese charakteristischen Eigenschaften sind in der Abbildung 3 [Abb. 3] grafisch dargestellt.

Messergebnisse an normalhörenden und schwerhörenden Probanden

Es wurden die verschiedenen Messmethoden an den 15 normal- und 8 schwerhörenden Probanden durchgeführt, die objektive Hörschwelle mittels Notched Noise 500-, low-Chirp- und ASSR500-BERA bestimmt und mit den jeweiligen Tonaudiogrammen verglichen. Abbildung 4 [Abb. 4] zeigt die einzelnen Werte der Nachweisschwelle für evozierte Hirnstammpotentiale (so genannte „ABR-Schwelle“).

Es wurden Evaluationsmessungen an normalhörenden erwachsenen Probanden (n=15) mittels Tonaudiogramm, NN-BERA bei 500 Hz, ASSR-BERA bei 500 Hz und der low-CHIRP-BERA durchgeführt. Die ermittelten Schwellen können der Tabelle 1 [Tab. 1] entnommen werden und sind graphisch in Abbildung 4 [Abb. 4] dargestellt. Jeweils die beste Annäherung wurde mit der low-Chirp-BERA erzielt.

Ergebnisse aus der kindlichen Hördiagnostik und Hörgeräteanpassung

Aus der Hördiagnostik und der Hörgeräte-Anpassung bei 22 knapp 1- bis 5-jährigen Kindern wurden die Ergebnisse der in Narkose erzielten BERA-Schwellen (low Chirp-, Klick- und Notched Noise 4000Hz BERA) verglichen mit den besten psychoakustischen Schwellen (optimale Schwelle, Ordinate der Abbildung 5 [Abb. 5]) bei 500 Hz, 2 kHz und 4 kHz nach ausführlicher Konditionierung der Kinder. Die Konditionierung erfolgte während der 4-tägigen stationären Hörgeräte-Vorauswahl an der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie am Evangelischen Krankenhaus Oldenburg. Während der HG-Feinanpassung aufbauend auf den Elternbeobachtungen und der versorgten Reaktionsaudiometrie wurden die bei der Anpassung zunächst berücksichtigten Eingangsgrößen der objektiven Hörschwellenbestimmung, mit den anfänglichen Reaktionsschwellen und deren Verfeinerung während der Konditionierung (opt. Schwelle) abgestimmt. Insofern stellt der hier als NOAH-Schwelle bezeichnete Wert ein integrierendes Maß für die kindliche Hörschwelle dar, wie sie im Rahmen der HG-Programmierung Verwendung fand.

Die unterschiedlichen Kollektivgrößen erklären sich daraus, dass die Ergebnisse der rechten Spalte in Abbildung 5 [Abb. 5] während der Hördiagnostik erzielt wurden, nicht alle Kinder eine HG-Anpassung in der Klinik erhielten (linke Spalte Abbildung 5 [Abb. 5]) und z.T. nicht alle Bera-Verfahren auswertbar waren bzw. keine verwertbaren Befunde erbrachten.

Bei der Hörverlust-Halbe-Regel (HV/2-Regel) wird davon ausgegangen, dass der halbierte Hörverlust, hier ermittelt mit den objektiven Verfahren korreliert mit der Verstärkung, die ermittelt wird als Differenz aus versorgter Reaktioonsschwelle, der sog. Aufblähkurve, und der zugrunde gelegten objektiven Schwelle. Die Darstellung der Werte findet man in Abbildung 6 [Abb. 6]. Nach wie vor scheint die Klick-BERA hier die stabilsten und reproduzierbarsten Werte zu liefern. Die Werte der Chirp-BERA waren indes häufig besonders betrofen durch die bei der Hördiagnostik des öfteren vorliegenden Mittelohrergüsse (Sero-Mucotympanon).

Diskussion

Die Ergebnisse im vorangegangenen Kapitel zeigen, dass anhand der ASSR- und Notched-Noise-BERA eine Bewertung der objektiven Hörschwelle möglich ist, wenngleich diese nicht exakt bestimmt werden kann. Zwar war es in dieser Arbeit möglich, eine Annäherung an die objektive Hörschwelle mit Hilfe der Notched-Noise-Methode zu erzielen, dennoch überwiegen bei dieser Methode die hinlänglich bekannten und hier beschriebenen Nachteile. Auch wenn diese Methode heutzutage immer noch ihren Einsatz in der Praxis (vor allem in der Pädaudiologie) findet, sollten ernsthafte Überlegungen angestellt werden, ob eine weitere Verwendung überhaupt sinnvoll ist.

Ähnlich verhält es sich bei der ASSR-Methode. Mit ihrer Hilfe konnte ebenfalls eine Annährung an die subjektive Hörschwelle erzielt werden. Dennoch überwiegen auch hier die Schwächen. Ein vor allem in der Praxis wichtiger Gesichtspunkt ist der Zeitfaktor. In dieser Arbeit zeigte sich, dass die Dauer der ASSR-Messung mit 45 min für eine Frequenz eindeutig zu lang war (zum Vergleich: Chirp und NN lagen zusammen bei 45 min). Hinzu kommt die starke Empfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen und Störungen, wie elektromagnetische Einflüsse oder auftretende Unruhe beim Probanden. Dies führt zu einer großen Streuung der Ergebnisse. So wurden für die Normalhörenden objektive Hörschwellen von 60 dB HL bis 15 dB HL ermittelt. Dies entsprach nicht der vorher ermittelten subjektiven Hörschwelle und zeigt, dass diese Methode unter Routinemessbedingungen außerhalb einer elektrisch geschirmten Kabine oder im Narkosebereich des OP keine Alternative für die objektive Hörschwellenbestimmung darstellt.

Bei Verwendung der Methoden für tieffrequente objektive Hördiagnostik – hier der Chirp-BERA - i.R. der kindlichen HG-Anpassung müssen Störeinflüsse wie tieffrequente Hörverschlechterung durch für Kinder typische Mittelohrergussbildungen berücksichtigt werden.

Zusammenfassung

Ziel dieser Arbeit war es, eine klinische Evaluationsmessung der AMFR- (amplitude modulation following response), Notched-Noise- und Chirp-BERA mit gleichzeitiger Hochpassmaskierung an einem klinisch relevanten Kollektiv von normalhörenden und tieftonal schwerhörigen Probanden durchzuführen. Hierfür wurden sowohl die Messungen der AMFR-, als auch die der Notched-Noise-BERA bei lediglich 500 Hz durchgeführt. Anhand der aus diesen Messungen resultierenden Ergebnisse, sollte die Effektivität der einzelnen Verfahren zur Bestimmung der Hörschwelle ausgewertet und beurteilt werden. Die Messungen wurden, mit Hilfe der Messapparatur „evoselect“ der Firma Pilot-Blankenfelde, am Evangelischen Krankenhaus in Oldenburg durchgeführt. Abschließend wurden die Resultate der verschiedenen Verfahren, die mit dieser Apparatur ermittelt wurden, mit den Ergebnissen aus alternativ etablierten Messungen der Click-BERA verglichen und ausgewertet. Zusätzlich wurden die jeweiligen Tonaudiogramme der einzelnen Probanden zur Auswertung herangezogen.

Es konnte gezeigt werden, dass der von Dau et al. im Jahre 2000 [2] an der Universität Oldenburg entwickelte Breitband-Chirp und der im Rahmen einer Diplomarbeit [1] an der Fachhochschule Oldenburg untersuchte tieffrequente Chirp-Stimulus mit Maskierung eine hervorragende Nachweisbarkeit von frequenzspezifischen Hirnstammpotentialen, sowohl bei normalhörenden als auch bei schwerhörigen Probanden, aufweist.

Danksagung

Dank gilt Herrn Björn Oehne, der die frequenzspezifischen Vergleichsmessungen mit Chirp-, NN- und ASSR-BERA im Rahmen seiner Diplomarbeit durchführte.

Wir danken Frau Simone Volpert (Klinische Audiologin) und Frau Manuela Hagen (MTA-F Audiometrie) für die Betreuung der Patienten und die engagierte Durchführung der Hörgeräte-Programmierungen und -Feinanpassungen. Herrn Hans Apel (MTA-F Audiometrie) gilt unser besonderer Dank, da er in unnachahmlicher Weise auch bei kleinsten Kindern gut konditionierte verlässliche Hörschwellen ermitteln hat.

Wir danken Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier (Sprecher) und Herrn Stephan Albani (Geschäftsführer) der HÖRTECH gGmbH Oldenburg – Kompetenzzentrum für Hörgerätesystemtechnik für die bereitgestellten Projektmittel.


Literatur

1.
Baljic I. Klinische Evaluation der Chirp-BERA. [Diplomarbeit]. Fachhochschule Oldenburg-Ostfriesland-Wilhelmshaven FH OOW, Studiengang Hörtechnik und Audiologie H+A; 2004.
2.
Dau T, Wegner O, Mellert V, Kollmeier B. Auditory brainstem responses (ABR) with optimized chirp signals compensating basilar-membrane dispersion. JASA. 2000;107(3):1530-40.
3.
de Boer E. Auditory physics. Physical principels in hearing theroy I. Physics Reports. 1980;62:87-274.
4.
Fobel O. Auditory Brainstem and middle-latency responses with optimized stimuli. [Dissertation]. 2003.
5.
Greenwood DD. A cochlear frequency position function for several species. Journal of Acoustical Society of America. 1990;(6).
6.
Hoke M, Hoke ES. Wandel in Diagnostik und Therapie: Auditorische reiz- und ereigniskorrelierte Potentiale und Magnetfelder in der audiologischen Diagnostik. In: Koch U, Theissing J, editors. HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals- Chirurgie im Wandel. Berlin, Heidelberg, New York: Springer; 1997. p. 175-217.
7.
Hoth S, Lenarz T. Elektrische Reaktionsaudiometrie. Berlin: Springer Verlag; 1994.
8.
Oates P, Stapells DR. Auditory brainstem response estimates of the puretone audiogram: current status. Seminars in Hearing. 1998;19:61-85.
9.
Oehne B. Korrelation von AMFR-Messungen mit subjektiven und objektiven frequenzspezifischen Schwellenmessungen. [Diplomarbeit]. Fachhochschule Oldenburg-Ostfriesland-Wilhelmshaven FH OOW, Studiengang Hörtechnik und Audiologie H+A; 2006.
10.
Wegner O, Dau T, Kollmeier B. Frequenzspezifische Messung Früher Akustisch Evozierter Potentiale (FAEP) mit optimierten Chirp-Signalen. In: Sill, ed. Fortschritte der Akustik - DAGA 2000. Oldenburg: DEGA; 2000. p. 322-3.