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Körperbezogene Aufmerksamkeitsverzerrungen bei Jugendlichen mit Anorexia Nervosa
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Published: | March 17, 2014 |
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Hintergrund: Körperbildstörungen sind, aktuellen Studien zufolge, mit spezifischen körperbezogenen Aufmerksamkeitsverzerrungen assoziiert, deren Vorliegen bislang jedoch nicht bei Jugendlichen mit Essstörungen überprüft wurde. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde daher untersucht, ob weibliche Jugendliche mit Anorexia Nervosa (AN) bei der Betrachtung des eigenen sowie eines fremden Körpers Blickbewegungsmuster aufweisen, die sich von denen gesunder Jugendlicher unterscheiden. Es wurde erwartet, dass Jugendliche mit AN bei der Betrachtung des eigenen Körpers vorrangig negativ bewertete Körperbereiche, bei der Betrachtung eines fremden Körpers vorrangig positiv bewertete Bereiche fokussieren. Bei den gesunden Jugendlichen wurde ein entgegengesetztes, selbstwertdienlicheres Blickverhalten erwartet.
Methoden: Es wurden N = 58 weiblichen Jugendlichen (n = 29 Jugendlichen mit AN und n = 29 gesunden Jugendlichen) je ein Foto des eigenen Körpers sowie das einer fremden Jugendlichen am Computerbildschirm präsentiert, während zeitgleich die Blickbewegungen aufgezeichnet wurden. Die Probandinnen gaben zudem ein Attraktivitätsrating hinsichtlich einzelner Körperregionen für den eigenen und den Referenzkörper ab. Die postulierten Unterschiede im Blickbewegungsverhalten der zwei Untersuchungsgruppen wurden mittels einer 3-faktoriellen Varianzanalyse überprüft.
Ergebnisse: Es zeigte sich eine signifikante Zweifach-Interaktion der Faktoren „Attraktivität“ und „Gruppe“, die besagt, dass die Jugendlichen mit AN im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe signifikant länger auf negativ bewertet Körperbereiche fokussierten, während die gesunden Jugendlichen signifikant länger positiv bewertete Körperbereiche betrachteten. Es fanden sich jedoch keine Unterschiede hinsichtlich der Betrachtung des eigenen oder des Referenzkörpers. Der Faktor „Attraktivität“ wies einen signifikanten Haupteffekt auf, der besagt, dass die Jugendlichen beider Untersuchungsgruppen insgesamt länger auf negativ bewertete Körperbereiche blickten.
Schlussfolgerung: Jugendliche mit und ohne Essstörung scheinen gleichermaßen eine defizitorientierte Betrachtung sowohl des eigenen als auch eines fremden Körpers aufzuweisen, was in Zusammenhang mit der in der Adoleszenz gehäuft auftretenden Körperunzufriedenheit stehen kann. Ein Unterschied zwischen Jugendlichen mit AN und gesunden Jugendlichen besteht anscheinend darin, dass letztere aufgrund der zusätzlichen Betrachtung positiv valenzierter Körperregionen ausgewogenere und somit selbstwertdienlichere Blickbewegungsmuster aufweisen. Die resultierende therapeutische Implikation für Patientinnen mit AN stellt somit die gezielte Aufmerksamkeitslenkung auf positiv bewertete Körperbereiche dar.