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130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

30.04. - 03.05.2013, München

Evidence based Medicine (EbM) in der Chirurgie ist mehr als das Wissen aus klinische Studien – Ein Plädoyer für die Rückbesinnung auf individuelle klinische Erfahrung

Meeting Abstract

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  • Ansgar Michael Chromik - St. Josef-Hospital, Ruhr-Universität Bochum, Chirurgische Klinik, Bochum
  • Waldemar Uhl - St. Josef-Hospital, Ruhr-Universität Bochum, Chirurgische Klinik, Bochum

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. München, 30.04.-03.05.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. Doc13dgch797

doi: 10.3205/13dgch797, urn:nbn:de:0183-13dgch7979

Published: April 26, 2013

© 2013 Chromik et al.
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Einleitung: Im Zeitalter von Spezialisierung und Leitlinienbildung spielt die Evidence based Medicine (EbM) in der Chirurgie eine entscheidende Rolle. Dabei wird der EbM-Begriff häufig unreflektiert, schlagworthaft oder als rhetorisches Stilmittel verwendet. Ziel soll es daher sein, den EbM-Begriff kritisch zu hinterfragen und die Vielfältigkeit seiner ursprünglichen Bedeutung im Kontext der Chirurgie darzustellen.

Material und Methoden: Nach der Definition von David Sackett versteht man unter EbM den gewissenhaften und vernünftigen Gebrauch der gegenwärtig besten wissenschaftlichen Beweise für Entscheidungen in der Versorgung individueller Patienten. Dabei bedeutet EbM, die individuelle klinische Erfahrung (individual clinical expertise) mit den besten zur Verfügung stehenden externen Nachweisen (external evidence) zu integrieren. Zur external evidence zählen z.B. Erkenntnisse aus Metaananlysen oder randomisiert kontrollierten Studien. Unter individual clinical expertise werden laut Sackett die durch klinische Tätigkeit erworbenen Fachkenntnisse, Fähigkeiten und das Urteilsvermögen zusammengefasst. Allerdings ist die individual clinical expertise nur schwer fassbar und quantifizierbar.

Ergebnisse: Ein wichtiger Baustein der individual clinical expertise in der Chirurgie ist das implizite Wissen (tacit knowing) nach Michael Polanyi, das - im Gegensatz zum expliziten Wissen - nicht durch Sprache oder Schrift kommunizierbar ist („können, ohne sagen zu können, wie“). Damit ist implizites Wissen intuitiv, nicht verbalisierbar, nicht formalisierbar und erfahrungsgebunden und äußert sich in der Chirurgie z.B. in der klinischen Diagnose- und Entscheidungsfindung oder bei operativen Tätigkeiten. Ein weiterer Baustein ist das reflexive Handeln (reflecting-in-action) nach Donald Schön, dass die Fähigkeit beschreibt, während einer Handlung auf unerwartete und kritische Situation zu reagieren, für das unser explizites und implizites Wissen keine unmittelbare Lösung bietet. Reflexives Handeln ist schnell, analytisch und führt häufig zu innovativen Lösungen – so z.B. bei Operationen oder in Notfallsitutationen.

Schlussfolgerung: EbM bedeutet nicht die alleinige Ausrichtung des chirurgischen Handelns nach Erkenntnissen systematischer Forschung (external evidence), sondern die gleichzeitige Integration von individueller klinischer Erfahrung (individual clinical expertise). Diese ist erfahrungsgebunden und durch implizites Wissen und reflexives Handeln gekennzeichnet.