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Bad Honnef-Symposium 2018

Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG e. V.)

26. - 27.03.2018, Bonn

Angepasste Antibiotika-Dosierung bei eingeschränkter Nierenfunktion und unter Nierenersatzverfahren

Meeting Abstract

  • author Alexander Brinkmann - Klinik für Anästhesie, operative Intensivmedizin und spezielle Schmerztherapie, Klinikum Heidenheim
  • Anka C. Röhr - Apotheke Klinikum Heidenheim
  • Andreas Köberer - Klinik für Anästhesie, operative Intensivmedizin und spezielle Schmerztherapie, Klinikum Heidenheim
  • Thomas Fuchs - Klinik für Anästhesie, operative Intensivmedizin und spezielle Schmerztherapie, Klinikum Heidenheim
  • Christina König - Apotheke Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf
  • Otto R. Frey - Apotheke Klinikum Heidenheim

Bad Honnef-Symposium 2018. Bonn, 26.-27.03.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18bhs07

doi: 10.3205/18bhs07, urn:nbn:de:0183-18bhs078

Published: March 27, 2018
Published with erratum: April 11, 2018

© 2018 Brinkmann et al.
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Text

Bei septischen Intensivpatienten ist heute eine adäquate Antibiotikatherapie mehr als nur eine Frage der richtigen Substanz und einer zeitnahen Applikation. Das „heilige Mantra“ der frühzeitigen Antibiotikatherapie innerhalb der ersten Stunde sollte kritisch reflektiert [1] und das Prädikat zeitnah bedingungslos durch patientenindividuell ergänzt werden [2], [3], [4]. Dieses trifft insbesondere für Patienten mit relevanten Nierenfunktionsstörungen und unter Nierenersatzverfahren (RRT) zu. Für viele antiinfektive Substanzen gilt, dass die gesunde Niere mehr Arzneistoff aus dem Körper eliminiert als ein RRT, bei einigen ist die Arzneistoffausscheidung unverändert, in seltenen Fällen aber auch erhöht. Somit ist im Verlauf der Therapie eine individuelle Anpassung der Dosierung notwendig. Individuelle Dosierung und Applikation antiinfektiver Substanzen eröffnen in diesem Zusammenhang neue therapeutische Horizonte.

Sepsis und septischer Schock führen bei fast allen antiinfektiven Substanzen zu einer erheblichen Veränderung der substanzspezifischen Pharmakokinetik [2], [3], [4]. Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf Verteilungs- und Ausscheidungsprozesse im Körper. Gesteigerte Clearance und ein erhöhtes Verteilungsvolumen (Vd) mit konsekutiv erniedrigten Wirkortkonzentrationen, besonders aber kompromittierte Organfunktionen mit verminderter Arzneistoffausscheidung, sind bei septischen Patienten häufig anzutreffen. Darüber hinaus können kapilläres Leck und Störungen des Flüssigkeitshaushaltes sowie der Proteinbindung das Verteilungsvolumen vergrößern und ebenfalls die Konzentration am Wirkort beeinflussen [2], [3]. Im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf bestimmen eher Störungen der Organfunktionen (vor allem Niere und Leber) mit einer erniedrigten Arzneistoff-Clearance die Pharmakokinetik [2], [3]. Hier gilt es, mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen und potentielle Toxizität zu verhindern.

Die im Rahmen eines akuten Nierenversagens häufig angewendeten RRT haben teilweise einen erheblichen Einfluss auf die Pharmakokinetik. In den meisten Fällen sind diese Verfahren in ihrer Eliminationsleistung aber nicht so effektiv wie die gesunde Niere (Abbildung 1 [Abb. 1]). Individuelle Dosierungen auf dem Boden gemessener Serumspiegel und die Berücksichtigung pharmakokinetischer Zusammenhänge werden inzwischen durch internationale Leitlinien empfohlen. Die Umstellung der Applikationsform von β-Lactam-Antibiotika auf prolongierte oder kontinuierliche Infusion findet ebenfalls zunehmend Einzug in die aktuelle Literatur.

Vor dem Hintergrund der beschriebenen pathophysiologischen Veränderungen im Bereich der Pharmakokinetik und der Grundlagen der substanzspezifischen Pharmakodynamik erscheinen individuelle Dosierungen und Applikation wichtig, um eine zeitgerechte und adäquate antiinfektive Therapie sicherzustellen [2], [3], [4], [5]. Kalkulations-Tools [2], [3], Dosis-Nomogramme [6] und das Therapeutisches Drug Monitoring [4], [5] können dabei hilfreich sein.


Literatur

1.
Singer M. Antibiotics for Sepsis: Does Each Hour Really Count, or Is It Incestuous Amplification? Am J Respir Crit Care Med. 2017 Oct 1;196(7):800-2. DOI: 10.1164/rccm.201703-0621ED External link
2.
Roberts JA, Abdul-Aziz MH, Lipman J, Mouton JW, Vinks AA, Felton TW, Hope WW, Farkas A, Neely MN, Schentag JJ, Drusano G, Frey OR, Theuretzbacher U, Kuti JL; International Society of Anti-Infective Pharmacology and the Pharmacokinetics and Pharmacodynamics Study Group of the European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases. Individualised antibiotic dosing for patients who are critically ill: challenges and potential solutions. Lancet Infect Dis. 2014 Jun;14(6):498-509. DOI: 10.1016/S1473-3099(14)70036-2 External link
3.
Brinkmann A, Röhr AC, Köberer A, Fuchs T, Preisenberger J, Krüger WA, Frey OR. [Therapeutic drug monitoring and individual dosing of antibiotics during sepsis: Modern or just "trendy"?]. Med Klin Intensivmed Notfmed. 2018 Mar;113(2):82-93. DOI: 10.1007/s00063-016-0213-5 External link
4.
Frey OR, Köberer A, Röhr AC, Fuchs T, Brinkmann A. Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) von Antiinfektiva bei kritisch Kranken. Intensiv-News. 2013; 17(4):16-8.
5.
Wong G, Brinkman A, Benefield RJ, Carlier M, De Waele JJ, El Helali N, Frey O, Harbarth S, Huttner A, McWhinney B, Misset B, Pea F, Preisenberger J, Roberts MS, Robertson TA, Roehr A, Sime FB, Taccone FS, Ungerer JP, Lipman J, Roberts JA. An international, multicentre survey of β-lactam antibiotic therapeutic drug monitoring practice in intensive care units. J Antimicrob Chemother. 2014 May;69(5):1416-23. DOI: 10.1093/jac/dkt523 External link
6.
Minichmayr IK, Roberts JA, Frey OR, Roehr AC, Kloft C, Brinkmann A. Development of a dosing nomogram for continuous-infusion meropenem in critically ill patients based on a validated population pharmacokinetic model. J Antimicrob Chemother. 2018 Feb 7. DOI: 10.1093/jac/dkx526 External link

Erratum

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