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Leitlinien für Ärztinnen und Ärzte: Wer leitet wen?
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Published: | March 27, 2018 |
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Klinische Leitlinien haben im letzten Jahrzehnt für die ärztliche Tätigkeit in Klinik und Praxis erheblich an Bedeutung gewonnen. Sie gelten als Regeln guten ärztlichen Handelns und sind als systematisch – von ärztlichen Fachvertretern zusammen mit Biometrikern – entwickelte Entscheidungshilfen eine wichtige Hilfestellung für eine angemessene und konkrete Vorgehensweise bezüglich der Diagnostik und/oder Therapie bei speziellen Gesundheitsproblemen [1]. Auch in der Rechtsprechung werden inzwischen ärztliche Leitlinien mit einem hohen Grad an Evidenz als wichtiges Mittel bei der Feststellung des medizinischen Standards herangezogen und damit mittelbar das Konzept der evidenzbasierten Medizin als eine Methode dieser Festsetzung akzeptiert [2].
Wenn Leitlinien jedoch aufgrund von vorwiegend finanziellen Interessenkonflikten verzerrte Informationen und Bewertungen enthalten, untergräbt dies den Patientennutzen und gefährdet die Qualität der Versorgung in der Medizin. Angesichts deutlicher Hinweise für Über-, Unter- und Fehlversorgung in der Medizin und steigender Gesundheitsausgaben (z. B. im Arzneimittelsektor) kann davon ausgegangen werden, dass Leitlinien und Initiativen wie „Klug entscheiden“ künftig noch stärkere Beachtung zukommt.
Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene sind in den letzten Jahren eindeutige Empfehlungen publiziert worden zur Offenlegung, zum Vermeiden und zum Umgang mit Interessenkonflikten bei der Erstellung von Leitlinien. Diese werden kurz vorgestellt und diskutiert am Beispiel der Empfehlungen des Institute of Medicine, des Council of Medical Specialty Societies, des Guidelines International Network und der kürzlich aktualisierten Regeln der AWMF zur Erstellung und Publikation von Leitlinien sowie der Appraisal of Guidelines for Research & Evaluation II.
Analysen zur Umsetzung dieser (inter)nationalen Empfehlungen haben widersprüchliche Ergebnisse ergeben – sowohl hinsichtlich der Angaben zu Interessenkonflikten bei beteiligten Autoren als auch der Finanzierung von Institutionen, die Leitlinien in Auftrag geben. Aktuelle Beispiele wie die Leitlinien der European Society of Cardiology zur Diagnose und Behandlung von Vorhofflimmern bzw. der akuten und chronischen Herzinsuffizienz zeigen eine eher zunehmende Anzahl von Interessenkonflikten bei den Autoren und verdeutlichen, dass einem verantwortungsvollen Umgang mit Interessenkonflikten noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Nur durch eine konsequente Einhaltung der o. g. Regelwerke können Qualität, Validität und Glaubwürdigkeit von Leitlinien garantiert werden. Dies liegt im Interesse der Leitlinienautoren und dient der bestmöglichen Patientenversorgung.