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GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)

ISSN 1860-9171

Konzeption und Entwicklung eines Flipped Classroom-basierten Online-Softwarekurses für Medizinstatistik

Design and development of a flipped classroom-based online software course for medical statistics

Fallbericht

  • corresponding author Rainer Muche - Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Universität Ulm, Deutschland
  • Andreas Allgöwer - Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Universität Ulm, Deutschland
  • Ulrike Braisch - Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Universität Ulm, Deutschland
  • Marianne Meule - Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Universität Ulm, Deutschland
  • Benjamin Mayer - Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Universität Ulm, Deutschland

GMS Med Inform Biom Epidemiol 2024;20:Doc08

doi: 10.3205/mibe000264, urn:nbn:de:0183-mibe0002648

Published: March 18, 2024

© 2024 Muche et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die Lehre in Medizinstatistik für Studierende der Humanmedizin sollte neben theoretischen Inhalten auch deren Umsetzung in die Praxis mit Hilfe von Statistiksoftware beinhalten. Da die Einarbeitungszeit in eine Software jedoch aufgrund individueller Unterschiede zeitintensiv sein kann, besteht die Gefahr, dass für die Vermittlung von Methodenkompetenz in solchen Kursen weniger Zeit bleibt. Das Flipped Classroom-Konzept erwartet von den Studierenden in einer individuellen asynchronen Lernphase, sich vor der Lehrveranstaltung sowohl mit der Statistiksoftware als auch mit den theoretischen Inhalten vertraut zu machen. Im (synchronen) Präsenzunterricht können dann beide Aspekte unter Anleitung der Lehrperson weiter vertieft werden. Für eine erfolgreiche Umsetzung sind die Verfügbarkeit der betreffenden Software sowie unterschiedlicher Lehrmaterialien in der Vorbereitungsphase zentrale Voraussetzungen. Hier stellen wir die Konzeption und Entwicklung eines Flipped Classroom-Kurses im reinen Online-Format unter Verwendung der Software SAS Studio vor. Die Studierenden verwendeten in den Selbstlern- und Prüfungsphasen ihre eigenen Geräte (Laptops oder Tablets) zur Bearbeitung von Übungs- und Prüfungsaufgaben. Das reine Online-Format im Flipped Classroom-Setting ermöglichte es uns, zu einer Entzerrung des Stundenplans beizutragen und gleichzeitig deutlich mehr Studierenden als bisher diesen praxisorientieren Lernzugang zur Medizinstatistik anzubieten. Erste Evaluationsergebnisse zeigen eine gute Akzeptanz des Flipped Classroom-Konzeptes bei vergleichbarem Leistungsniveau im Vergleich zum bisherigen Lehrformat ohne Flipped Classroom-Ansatz.

Schlüsselwörter: Statistik-Lehre, Flipped Classroom, Statistiksoftware

Abstract

Teaching medical statistics for students of human medicine should include both theoretical content as well as its implementation in practice using statistical software. The training period with a software may be time-consuming individually, so there is a risk that imparting methodological skills comes up short in such courses. The flipped classroom concept aims at students to familiarize themselves with both the statistical software and the theoretical content in an individual learning phase prior to the course. Then, within an attendance course deepening both aspects under the lecturer’s supervision is possible. Availability of the software as well as a variety of material to prepare the course are essential presumptions for the flipped classroom to be successful. We present the concept and implementation of an online flipped classroom course using the software SAS Studio. Students used their own devices (laptops or tablets) during the self-learning and examination phases, respectively. The pure online implementation in the flipped classroom setting enabled to contribute to an equalisation of the study plan. Moreover, even more students had the opportunity to participate in this practically oriented course in medical statistics. Initial evaluation results demonstrated that the course is well-accepted among students, while the students’ performance level was similar when compared to a non-flipped teaching approach.

Keywords: teaching statistics, flipped classroom, statistical software


1 Einleitung

Die Lehre von biometrischen Aspekten in der medizinischen Forschung, wie z.B. die Planung klinischer und epidemiologischer Studien sowie die Anwendung medizinischer Statistik, sollte im Studium der Humanmedizin nicht nur theoretische Inhalte, sondern auch anwendungsbezogene Komponenten umfassen. Der praktische Einsatz von Medizinstatistik wird idealerweise mit Hilfe einer Statistiksoftware vermittelt. So kann demonstriert und bestenfalls selbst erprobt werden, wie das theoretische Wissen über statistische Methoden zur Analyse von Daten aus der Praxis genutzt werden kann. Studierende sollten gemäß unseren Lernzielen damit anschließend in der Lage sein, Forschungsprojekte in den Grundzügen selbständig zu analysieren. Da die Einarbeitungszeit im Zusammenhang mit der Verwendung von Statistiksoftware individuell bisweilen zeitintensiv sein kann, bringt ein traditioneller Seminaraufbau mit Frontalunterricht das Problem mit sich, dass gegebenenfalls weniger Zeit zur Verfügung steht, um theoretisches Wissen, Formelverständnis und die inhaltliche Interpretation von Ergebnissen ausführlich zu erläutern. In der Folge ist eine individuelle Nachbearbeitung der theoretischen und praktischen Inhalte mitunter notwendig, jedoch wird diese Lernphase klassischerweise nicht durch Lehrpersonen begleitet. Dies stellt insofern ein Problem dar, dass direkte Nachfragen seitens der Studierenden nur erschwert möglich sind und eventuelle Fehler im Rahmen der Nachbearbeitung nicht durch die Lehrperson korrigiert werden können.

1.1 Der Flipped Classroom-Ansatz

Das Lehrkonzept des Flipped Classroom [1], [2] kehrt das typische Unterrichtssetting (Lernen im Unterricht und individuelle Nachbearbeitung im Anschluss) um: Studierende sollen sich mit Hilfe von geeignetem Lernmaterial vor dem Unterricht mit den Lerninhalten vertraut machen. Dazu gehören auch eventuelle Übungsaufgaben, die gegebenenfalls Teil der betreffenden Lehrveranstaltung sind (z.B. in Seminaren). Im Falle eines Statistiksoftware-Kurses betrifft dies zudem technische Aspekte bei der Verwendung der Software (z.B. Installation, Upload von Daten, Export von Ergebnissen). Auf diese Weise können sich Studierende in der vorgezogenen Selbstlernphase zunächst einmal entsprechend dem individuellen Lerntempo vorbereiten, so dass während der sich anschließenden Präsenzunterrichtsphase eine durch die Lehrperson angeleitete Nachbearbeitung und Vertiefung des Wissens stattfinden kann [1]. Aufgrund eines tendenziell homogeneren Wissensstandes bleibt im Falle eines Softwarekurses in Medizinstatistik zudem perspektivisch mehr Zeit für die Diskussion biometrischer Aspekte, wie z.B. die Auswahl passender statistischer Methoden und die Interpretation von (Studien-)Ergebnissen.

Generell gliedern sich die Lernphasen im Flipped Classroom in eine außerunterrichtliche Selbstlernphase und eine anschließende Präsenzphase im Unterricht, an die sich ggf. eine Wiederholungsphase außerhalb des Unterrichts anschließt. Für die Selbstlernphase ist es zwingend erforderlich, dass geeignetes und vielfältiges Lernmaterial für Studierende zur Verfügung steht. Weitere Lehrelemente, die für die Selbstkontrolle des Lernstandes gedacht sind, z.B. anhand von Multiple-Choice-Fragen oder Standardlösungen von Übungsaufgaben, können zusätzlich angeboten werden. Die Präsenzveranstaltung muss im Flipped Classroom hinsichtlich der Arbeitsphasen anders strukturiert werden als im typischen Unterrichtssetting. In [1] wird folgende Vorgehensweise vorgeschlagen:

1.
Probleme ansprechen: Welche Schwierigkeiten sind in der Selbstlernphase aufgetreten?
2.
Gemeinsame Aufgabenbearbeitung: Gruppenarbeit und Diskussionen im Plenum
3.
Aktives Plenum: Präsentation der Ergebnisse durch die Studierenden

Generell setzt die erfolgreiche Umsetzung eines Flipped Classroom zunächst voraus, dass die Studierenden technisch in der Lage sind, auf das Lernmaterial zuzugreifen (z.B. über eine Lernplattform). Da die Studierenden in der anfänglichen Selbstlernphase keinen direkten Kontakt zu den Dozenten haben, muss sichergestellt werden, dass entsprechende Unterstützung zur Verfügung steht, z.B. in Form von Sprechstunden, Foren oder Chaträumen. Auf Seiten der Lehrpersonen kann daher ein hoher Aufwand bei der Erstellung des Lernmaterials erforderlich sein, damit Studierende keine Probleme haben, die Inhalte und Lektionen zu erfassen.

Es hat sich gezeigt, dass der Flipped Classroom in Pflichtveranstaltungen besser angenommen wird als in Wahlpflichtveranstaltungen [1]. Die wesentlichen Vorteile des Flipped Classroom-Ansatzes im Hinblick auf den von uns im Folgenden präsentierten Kurs lassen sich wie folgt zusammenfassen [3], [2]:

  • Die Studierenden lernen intensiver, wenn sie selbständig arbeiten,
  • sowohl das Lerntempo als auch die Lernstrategie werden von den Studierenden individuell festgelegt,
  • die Studierenden sind in der Regel aktiver,
  • die Interaktion zwischen den Studierenden wird durch Lerngruppen gefördert,
  • Anwesenheitskurse können sich auf bestimmte Inhalte (hier Biometrie und Statistiksoftware) konzentrieren,
  • das Lehrmaterial kann langfristig genutzt werden (in und nach der Universität).

1.2 Ziele des Beitrags

In den folgenden Abschnitten möchten wir unser Konzept zur Umsetzung des Flipped Classroom-Ansatzes für einen Software-Kurs in medizinischer Statistik vorstellen. Dabei werden wir sowohl unsere Konzeption und Implementierung von geeignetem Lehrmaterial vorstellen als auch unsere Überlegungen hinsichtlich der Auswahl einer geeigneten Statistiksoftware teilen. Darüber hinaus soll insbesondere auch unser Konzept vorgestellt werden, wie im Rahmen eines solchen Kurses eine Online-Prüfung integriert werden kann.


2 Das Konzept des Flipped Classroom-Softwarekurses in Medizinstatistik an der Universität Ulm

2.1 Vom Präsenzseminar zum Online-Flipped Classroom

Die Grundzüge statistischer Analyseverfahren werden im Studium der Humanmedizin im Querschnittsfach Q1/Medizinische Biometrie gelehrt, das als Pflichtveranstaltung für alle Studierenden im Curriculum verankert ist. An der Universität Ulm ist die Lehrveranstaltung im klinischen Abschnitt des Studiums vorgesehen und besteht aus einer Vorlesung (8x 2 h) sowie einem begleitenden Seminar (6x 2 h), das vor Einführung des Flipped Classroom-Ansatzes mit maximal 24 Studierenden pro Gruppe abgehalten wurde. Unter Anwesenheitspflicht werden im Rahmen dieses Seminars praxisorientierte Übungsaufgaben mit einer Statistiksoftware zu den Themen Versuchsplanung, deskriptive Statistik, Ereigniszeitanalyse, Konfidenzintervalle, Regression, Korrelation und statistische Hypothesentests bearbeitet. Wir bedienen damit fast vollständig die Lernziele, wie sie im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin [4] für den Bereich Medizinische Biometrie formuliert sind. Vor Einführung des Flipped Classroom-Konzeptes war jeder Seminartermin so konzipiert, dass zunächst eine kurze Wiederholung der theoretischen Inhalte des jeweiligen Themas sowie eine Vorstellung der entsprechenden Anwendungsmöglichkeiten in der verwendeten Software erfolgten. Danach folgte eine Software-gestützte, individuelle Bearbeitungsphase von Übungsaufgaben, deren Musterlösungen anschließend im Plenum vorgestellt und diskutiert wurden. Eine benotete Kurzprüfung von 20 Minuten schloss das Seminar ab.

Im Rahmen dieses Seminarkonzeptes wurden bereits SAS Analyst [5], RExcel [6] und zuletzt SPSS verwendet. Alle bis dato verwendeten Programme brachten, trotz prinzipiell uneingeschränkter Verfügbarkeit, unterschiedliche Aspekte mit sich, die einer umfassenden Seminarvorbereitung seitens der Studierenden im Wege standen. Eine entsprechende Empfehlung zur Vorbereitung wurde stets ausgesprochen, um einen möglichst homogenen Wissensstand im Präsenzunterricht, vor allem in Hinblick auf den praktischen Umgang mit dem verwendeten Auswertungsprogramm, zu erreichen, in der Hoffnung, dass so ausreichend Zeit für die Diskussion theoretischer Aspekte verbleibt. Es zeigte sich jedoch oftmals, dass dennoch zu wenig Zeit für eine durch die Lehrperson angeleitete Rekapitulationsphase des Erlernten verblieb, so dass eine Umstellung des Statistiksoftware-Seminars auf einen Flipped Classroom-Ansatz sinnvoll erschien. Dies wurde bereits für einen Biostatistik-Kurs beschrieben [7], musste aber an unsere oben beschriebene Seminarsituation angepasst werden.

Für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Flipped Classroom-Seminars, das insbesondere auch unser sehr gut evaluiertes Konzept der Prüfung auf Basis sechs benoteter Kurzprüfungen integriert [8], [9], mussten verschiedene Gegebenheiten sichergestellt werden, die im Folgenden jeweils genauer adressiert werden. Grundsätzlich gehörte dazu natürlich auch die Bereitschaft aller beteiligten Lehrpersonen, sich auf das neue Lehrkonzept einzulassen, sowie eine professionelle Weiterbildung im Bereich Lehre, die vor allem auch den Teilbereich Online-Lehre mit abdecken musste. Entsprechende Fortbildung ermöglichten hier u.a. der Besuch von Kursen des Hochschul-Didaktik-Zentrums Baden-Württemberg sowie der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, die das Flipped Classroom-Konzept bereits erfolgreich in die Lehre integriert haben [10].

Das nun als Flipped Classroom angebotene Seminar folgt damit einem leicht veränderten Aufbau im Vergleich zum vorherigen Präsenzseminar. Das gesamte Seminar wird online durchgeführt, insbesondere auch die Präsenzveranstaltungen, welche derzeit über Zoom abgehalten werden. Der Hauptfokus im Rahmen der Online-Präsenz liegt nun hauptsächlich auf einer Vorstellung der notwendigen Schritte in SAS Studio, um die angebotenen Übungsaufgaben zu bearbeiten. Aufgrund der Integration des Flipped Classroom-Konzeptes bleibt während der Online-Präsenzphase mehr Zeit für die Diskussion theoretischer Hintergründe. Die jeweils abschließende Kurzprüfung erfolgt ebenfalls online unter Verwendung der in Abschnitt 2.3 beschriebenen Online-Lehrplattform.

2.2 Auswahl der Statistiksoftware

Im Rahmen eines früheren Forschungsprojektes, das sich mit dem Einsatz von Statistiksoftware in der angewandten Lehre in medizinischer Biometrie an einer medizinischen Hochschule befasste, wurden bereits wesentliche Kriterien für die Auswahl einer geeigneten Software definiert, wie beispielsweise die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit (Dauer der Zugangslizenz, Kosten), die Abdeckung aller relevanten Lehrinhalte und ein vergleichsweise einfacher Zugang (vorzugsweise nicht programmierbasiert) [11]. In der Historie dieses Statistiksoftware-Kurses haben wir bereits verschiedene Programme verwendet [5], [6], [11]. Unsere derzeitige Wahl fiel aufgrund der im Folgenden kurz beschriebenen Aspekte auf SAS Studio [12], wobei an anderen Standorten aufgrund der dortigen Gegebenheiten und Anforderungen ggf. ein anderes Statistikprogramm sinnvoller ist.

In Abhängigkeit der vorhandenen Infrastruktur an unserer Hochschule (u.a. Raumkapazität in PC-Pools), den bereits oben beschriebenen Anforderungen an die Nutzungsmöglichkeit (Lizenzen und Kosten) und der Verfügbarkeit von Lehrinhalten innerhalb der Software sowie der Erfahrung hinsichtlich des Nutzungsverhaltens auf Seiten der Studierenden (nahezu ausnahmslose Verfügbarkeit von Laptops und Tablets) erschien in unserem Setting die Verwendung der Software SAS Studio am sinnvollsten. Hier sind Cloud-basiert statistische Analysen auf der Grundlage einer intuitiven Benutzeroberfläche mit Hilfe entsprechender Menüs möglich [12], [13], [14]. Die Benutzeroberfläche ist in drei Teile gegliedert (Abbildung 1 [Abb. 1]) und umfasst

1.
ein Menü mit den verfügbaren Datenverwaltungs- und Analysefunktionen (Bereich links),
2.
ein Menü, das die Zuweisung der Rollen der Variablen ermöglicht, die für die beabsichtigte Analyse von Interesse sind (Bereich mittig), und
3.
einen Bereich, in dem sowohl der zugrundeliegende SAS-Code (basierend auf den Einstellungen bei 2.) als auch die Ergebnisse angezeigt werden (Bereich rechts).

Durch die automatische Generierung des den Analysen zugrunde liegenden SAS-Codes ermöglicht dieser Ansatz eine zusätzliche Einstiegsmöglichkeit für programmieraffine Studierende.

2.3 Lehrmaterial

Der Flipped Classroom-Ansatz erfordert eine angemessene Bereitstellung von Lernmaterialien, um den Anforderungen einer autonomen Vorbereitung in der ersten Selbstlernphase vor dem Unterricht gerecht zu werden. Selbsterklärendes Lehrmaterial, das auf vielfältige Weise zur Verfügung gestellt wird, sollte hierbei angestrebt werden. Unsere Absicht war es, die Materialien vorzugsweise in deutscher Sprache zur Verfügung zu stellen, um die Nutzung und den Zugang zu den Themen Biometrie und Anwendung der Software zu erleichtern. Weitere Open-Source-Video-Vorlesungen (siehe Abschnitt 2.3.2) zur Anwendung von SAS Studio waren in englischer Sprache verfügbar.

Im Folgenden beschreiben wir unser Vorgehen bei der Erstellung eines breiten Spektrums von Lehrmaterialien für unseren Online-Softwarekurs im Flipped Classroom-Format.

2.3.1 Moodle Lehrplattform

Die Lernplattform Moodle (https://moodle.org/) ist allen Studierenden unserer Universität vertraut und diente auch zur Durchführung unseres Flipped Classroom-Seminars. Die konsequente Nutzung von Moodle wurde insbesondere durch die COVID-19-Pandemie gestärkt, als die meisten Lehrveranstaltungen online abgehalten wurden. Neben der Bereitstellung aller von uns angebotenen Lehrmaterialien und der Online-Durchführung von Präsenzveranstaltungen konnten wir darüber hinaus auch die Realisierung unseres Online-Prüfungssystems umsetzen.

2.3.2 Skript

Wir sind der Meinung, dass ein kohärentes und zusammenfassendes Lehrbuch für die Einarbeitung in eine Statistiksoftware wichtig und hilfreich für Studierende ist. Entsprechend unserer Recherchen waren hinsichtlich der Verwendung von SAS Studio im Bereich Biostatistik nur zwei englischsprachige Lehrbücher verfügbar [15], [16]. Es gab bis dato jedoch keine deutschsprachige Einführung in die Nutzung von SAS Studio für statistische Analysen im Bereich der medizinischen Forschung, so dass wir uns zur Herausgabe eines deutschsprachigen Lehrbuchs für die Nutzung von SAS Studio entschlossen haben [12]. Die Erstellung dieses Lehrbuchs dauerte ca. 18 Monate und der Inhalt umfasst alle relevanten Schritte sowohl der Datenverwaltung als auch der Analyse mit den Menüs von SAS Studio, die für unsere Lehrveranstaltung relevant sind. Alle vorzustellenden Anwendungen werden darin textbasiert erklärt und durch entsprechende Screenshots unterstützt, so dass die Benutzer auch visuell die Möglichkeit haben, Anwendungen direkt nachzuvollziehen sowie am eigenen Bildschirm vergleichen zu können.

2.3.3 Lehrvideos

Studierende unseres Kurses können zudem auf kurze Lehrvideos zurückgreifen, welche die Nutzung von SAS Studio in Bezug auf verschiedene methodische Themen vorstellen. Einige dieser Videos waren bereits in englischer Sprache verfügbar und über SAS direkt abrufbar (https://video.sas.com/category/videos/sas-studio). Zusätzlich produzierten wir ähnliche Videos in deutscher Sprache, die teilweise auch andere methodische Themen aufgriffen, wie z.B. die Erstellung von Balkendiagrammen oder die Durchführung einer Kaplan-Meier-Analyse.

Alle Videos wurden mit der Software OBS Studio (Open Broadcast Software Studio, https://obsproject.com/) aufgezeichnet und mit der freien Videoeditor-Software Shotcut (https://shotcut.org/) durch zwei Personen unserer Arbeitsgruppe geschnitten und bearbeitet. Die Einarbeitung und Nutzung dieser beiden Softwareprodukte ist intuitiv und ohne großen Zeitaufwand möglich. Vor jeder Aufnahme wurde eine inhaltliche Skizze des anzufertigenden Videos angelegt. Aus didaktischer Sicht wurden nur kurze Videos von maximal 5 Minuten Länge erstellt, um die Konzentration der Studierenden hoch zu halten. Daher enthält jedes Video nur einen speziellen Aspekt der Anwendung von SAS Studio. Insgesamt kamen so 25 Videos (14 auf Deutsch und 11 SAS-Videos) zusammen, die nun auf unserer Moodle-Seite abrufbar sind und thematisch die Lehrinhalte unseres Seminars abbilden.

2.3.4 Übungsaufgaben und Selbsttests

Für jedes der behandelten methodischen Themen der Online-Präsenzveranstaltung wurden praktische Übungen entwickelt, die in der vorausgehenden Selbstlernphase mit der Software SAS Studio bearbeitet werden sollen (Abbildung 2a [Abb. 2]). Um ein selbstgesteuertes Lernen zu ermöglichen, können die Studierenden auf die Lösungen zugreifen, die einige Tage nach der Veröffentlichung der Aufgaben abrufbar sind. Für die Prüfungen sind diese Übungen von Bedeutung, da sich Art und Schwierigkeitsgrad der Prüfungsfragen daran orientieren.

Um die Möglichkeiten des selbstgesteuerten Lernens weiter auszubauen, haben wir auch Multiple Choice-basierte Selbsttests zu jedem Themenblock implementiert. Diese können mit Hilfe der Moodle-Aktivität „Test“ eingebunden werden. Ein entsprechendes Beispiel ist in Abbildung 2b [Abb. 2] zu sehen.

2.4 Online-Durchführung der Seminartermine

Wie beschrieben, sollten sich die Studierenden selbständig mit den Aufgaben und der Nutzung von SAS Studio gemäß dem Flipped Classroom-Ansatz vor jeder Präsenzphase beschäftigen. Die selbst erarbeiteten Lösungen und eventuellen Fragen, welche sowohl die Nutzung der Statistiksoftware als auch die theoretischen Hintergründe des jeweiligen Themenblocks betreffen können, werden dann im Rahmen eines Online-Präsenz-Termins zusammen mit einer Lehrperson diskutiert. Dabei nehmen ca. 30–40 Studierende unter Anwesenheitspflicht teil. Für die Lehrveranstaltung in Online-Präsenz wird auf Moodle ein Zoom-Link zur Verfügung gestellt, der nur für die in einem jeweiligen Kurs eingeschriebenen Studierenden nutzbar ist.

Zu Beginn einer jeden Online-Präsenz-Veranstaltung wird den Studierenden die Gelegenheit gegeben, Fragen zu stellen, die eventuell aufgetretene Probleme bei der Nutzung der Statistiksoftware bzw. der Bearbeitung der Übungsaufgaben generell betreffen können. Danach werden die erarbeiteten Ergebnisse anhand von Musterlösungen im Plenum besprochen. Dabei können weitere mögliche Lösungswege seitens der Studierenden vorgestellt und besprochen werden. In diesem Rahmen wird ein starker Fokus auf die inhaltliche Interpretation der Übungsaufgaben gelegt. Nach einer weiteren Gelegenheit, eventuell verbleibende Fragen zu stellen, wird dann jedes der sechs Seminare mit einer Online-Kurzprüfung (siehe 3.4) abgeschlossen.

2.5 Von der bisherigen Standard- zur Online-Prüfung

Unser Prüfungskonzept für das hier beschriebene Seminar in medizinischer Statistik sieht schon seit einigen Jahren keine schriftliche Prüfung am Ende des Semesters vor. Stattdessen schreiben die Studierenden am Ende eines jeden Seminars eine Kurzprüfung von jeweils 20 Minuten Dauer. Die kumulierte Gesamtpunktzahl aller Kurzprüfungen ist dann ausschlaggebend für die Notenvergabe, die Bestehensgrenze liegt derzeit bei 60% der Gesamtpunktzahl. Wir haben uns für diese semesterbegleitende Prüfungsform entschieden, weil der Inhalt unseres Seminars aufeinander aufbaut und auf diese Weise kontinuierliches Lernen erreicht und in Folge dessen der Lernerfolg verbessert werden kann. Die Studierenden bearbeiten im Rahmen der Kurzprüfung, bei Bedarf unter Verwendung der erlernten Statistiksoftware, kleinere Aufgaben, deren Inhalt und Schwierigkeitsgrad sich an den zuvor besprochenen Übungsaufgaben orientiert. Hierfür werden reale Daten eines klinischen Beispieldatensatzes verwendet, die sich für jeden Studierenden individuell durch zufälliges Ziehen eines Teildatensatzes unterscheiden. Details zur konkreten Umsetzung des Prüfungsformates mit anschließender, halbautomatischer Korrektur wurden in [9] beschrieben. Die Kurzprüfungen werden als so genannte Open Book-Prüfung abgehalten, d.h. die Studierenden dürfen zur Bearbeitung der Aufgaben ihre Lehrmaterialien verwenden. Aufgrund der zeitlich sehr engen Begrenzung sind die Studierenden trotz des Open Book-Prinzips gezwungen, gut vorbereitet zu sein, um die Prüfung im gegebenen Zeitfenster absolvieren zu können. Da dieses Prüfungskonzept von Studierenden sehr gut angenommen und bewertet wurde [9], war es unser Ziel, dieses Prüfungskonzept auch im hier beschriebenen Flipped Classroom Online-Format beizubehalten.

2.5.1 Online-Prüfung in Moodle

Für unser Konzept der Online-Prüfung wird, wie auch für die Online-Präsenzveranstaltung, die Lernplattform Moodle verwendet. Da die Kurzprüfung den Abschluss eines jeden Online-Seminars bildet, können die Studierenden in der bereits laufenden Zoom-Sitzung verbleiben. Für die Kurzprüfung wird in Moodle die Applikation „Test“ verwendet, die im Folgenden noch genauer beschrieben wird. Die individuell zu bearbeitenden Prüfungsdatensätze tragen eine ID und werden über Moodle im Excel-Format bereitgestellt. Zu Semesterbeginn wird jedem Studierenden eine ID zugeordnet, die darüber entscheidet, welcher bereitgestellte Datensatz bearbeitet werden muss. Konkret stellt sich der Ablauf der Kurzprüfung wie folgt dar: Die Studierenden

  • schalten ihre Kamera in der laufenden Zoom-Sitzung ein,
  • stellen sicher, dass SAS Studio geöffnet ist,
  • laden ihren individuell zu bearbeitenden Datensatz aus Moodle herunter,
  • importieren den nun lokal verfügbaren Excel-Datensatz in SAS Studio und
  • starten die „Test“-Applikation in Moodle, in der sie innerhalb von maximal 30 Minuten ihre Ergebnisse der Analysen sowie weitere Antworten eintragen können.

Über Textfelder kann auf die wichtigsten Regularien zur Prüfung hingewiesen werden und es können Hinweise zur Durchführung der Prüfung gegeben werden. Auch eine formale Einwilligung der Fähigkeit zur Prüfung kann von Studierenden auf diese Weise eingeholt werden, bevor die „Test“-Applikation die Kurzprüfung tatsächlich startet. Mit Start des Tests beginnt für jeden Studierenden individuell die automatische Zeiterfassung (Abbildung 3 [Abb. 3]), nach Ablauf dieser Zeit ist die „Test“-Applikation automatisch nicht mehr editierbar.

Die „Test“-Applikation in Moodle ermöglicht es, Fragen und entsprechende Lösungsfelder für deren Beantwortung zu implementieren. Die Eingabemöglichkeiten können beschränkt werden, so dass z.B. nur bestimmte Werte akzeptiert werden. Die „Test“-Applikation erlaubt es, hierbei vier verschiedene Eingabefeld-Modi zu nutzen (Multiple-Choice (MC), numerische Eingabefelder, Texteingabefelder (z.B. zur Interpretation von Ergebnissen) und Uploads, um z.B. erstellte Grafiken als Lösungsdatei bereitzustellen). Studierende können im Falle von MC-Fragen die Antwort direkt auswählen, bei Ergebnissen, die mit SAS Studio erzeugt wurden, müssen die Ergebnisse manuell eingetragen werden. Hierfür kann das gängige Copy-Paste zwar genutzt werden, jedoch ist darauf hinzuweisen, dass Moodle als Dezimaltrennzeichen nur das Komma erlaubt, während in SAS Studio der Punkt als Dezimaltrenner ausgegeben wird. Sollte dies durch die Studierenden übersehen werden, folgt ein entsprechender Hinweis automatisch vor offiziellem Abschluss der „Test“-Applikation durch Moodle selbst. Die Navigation durch den Test wird für Studierende durch eine entsprechende Übersicht erleichtert, die auch die noch verfügbare Zeit anzeigt (Abbildung 4 [Abb. 4]). Dabei sind spezielle Kennzeichnungen für Fragen, die aktuell in Bearbeitung sind, die bereits abgeschlossen sind bzw. deren Bearbeitung noch erforderlich ist, zu finden.

Alle Einträge innerhalb der gestarteten „Test“-Applikation werden durch Moodle in einer Datenbank gespeichert und können in verschiedenen Formaten zur Weiterverarbeitung exportiert werden.

Nach einigen prototypischen Testläufen innerhalb unserer Arbeitsgruppe wurde im WS 2022/23 das hier beschriebene Online-Prüfungssystem erstmals durchgeführt. Dabei waren 99 Studierende im dem hier beschriebenen Seminar angemeldet und bewerteten den Kurs anschließend (siehe Abschnitt 3).

2.5.2 Organisatorische und rechtliche Aspekte

Die Absolvierung der Online-Prüfung unter eingeschalteter Kamera in der Zoom-Sitzung soll dazu beitragen, dass die Kurzprüfung tatsächlich eigenständig und nur unter Zuhilfenahme der erlaubten Hilfsmittel durchgeführt wird. Über diesen Ansatz kann zwar ebenfalls nur bedingt eine Eigenständigkeitsprüfung durchgeführt werden, eine verbale Kommunikation der Studierenden untereinander wird damit jedoch zumindest unterbunden.

Bei technischen Problemen oder inhaltlichen Nachfragen zur Kurzprüfung können die Studierenden über die Chatfunktion in Zoom mit der Lehrperson kommunizieren. Dabei sieht die Einstellung des Chat-Rooms jedoch vor, dass die Studierenden nicht untereinander, sondern nur mit der Lehrperson in Kontakt treten können.

Auch die automatisierte Anmeldung für das Seminar bzw. die datenschutzkonforme Veröffentlichung der erreichten Punkte bzw. damit erreichten Noten ist schon länger entwickelt worden [9] und kann in dem beschriebenen Online-Flipped Classroom eingesetzt werden. Jeder Studierende erhält demnach zu Semesterbeginn eine E-Mail mit einem Zahlencode, welcher als Schlüssel für die Veröffentlichung der Punkte und Noten auf Moodle fungiert. Dieser relativ einfache und schnelle Weg der Punkteveröffentlichung ist aus didaktischen Gründen sinnvoll, da wir bei der semesterbegleitenden Prüfung über 6 Kurztests den Studierenden möglichst früh vor dem nächsten Seminartermin die bisher kumulierten Punkte zur Kenntnis geben möchten.

Die Nutzung der hier beschriebenen Prüfungsform muss formal und rechtlich abgesichert sein. Hierfür wurde zum einen unsere Prüfungsform der semesterbegleitenden Kurzprüfungen mit dem Studiendekanat Medizin an unserem Hochschulstandort abgesprochen. Die Ausnahmegenehmigungen für Prüfungen im Zuge der Corona-Pandemie ermöglichten zudem die Umsetzung des Prüfungskonzeptes auf die beschriebene Online-Variante. Im Nachgang der Pandemie sieht die aktuell gültige Studien- und Prüfungsordnung unserer Hochschule für den Studiengang Humanmedizin (Vorklinischer und Klinischer Studienabschnitt) vor, dass Prüfungen prinzipiell auch in elektronischer Form gestellt werden können. Auch die allgemeine Studien- und Prüfungsordnung für Bachelor- und Masterstudiengänge an der Universität Ulm vom 13.07.2022 sieht Online-Prüfungen vor, die im Wesentlichen mit unserem Vorgehen übereinstimmen.


3 Evaluation

Bevor wir unser entwickeltes Flipped Classroom-Konzept im Rahmen des hier beschriebenen Statistiksoftwarekurses in die regelhafte Anwendung brachten, wurde der Kurs zunächst im Wintersemester 2020/21 als Wahlfach für Studierende der Humanmedizin an der Universität Ulm angeboten. Unser Ziel hierbei war es, die Durchführbarkeit und die Akzeptanz bei den Studierenden für das zuvor beschriebene Kursmaterial zu evaluieren. Insgesamt haben 26 Studierende an dieser Lehrveranstaltung teilgenommen, wovon 15 Studierende an der Evaluation teilgenommen haben. Deren Ergebnisse wurden in einer gesonderten Veröffentlichung [17] ausführlich dargestellt. Auch unter Berücksichtigung der sehr kleinen Stichprobengröße war das Feedback im Allgemeinen sehr positiv, der Großteil (14 von 15) betrachtete den Kurs im angebotenen Format als angemessene Alternative für das in Abschnitt 2.1 beschriebene reguläre Kursformat.

3.1 Evaluation und Lernerfolg bei der ersten regulären Verwendung des Online-Flipped Classroom

Im Wintersemester 2022/23 wurde das Seminar Q1/Biometrie für 247 Studierende des 7. Fachsemesters im Studiengang Humanmedizin angeboten, davon besuchten 99 Studierende das Seminar gemäß dem vorgestellten Online-Flipped Classroom. Für diese 99 Studierenden wurde vor dem offiziellen Start des Seminars eine 90-minütige Einführungsveranstaltung angeboten, in deren Rahmen die didaktische Idee des Flipped Classroom-Formates vorgestellt und eine Einführung in die Statistiksoftware SAS Studio gegeben wurde.

Die Gesamtnote im Rahmen der offiziellen Fakultätsevaluation aller Lehrveranstaltungen war für das Seminar Q1/Biometrie mit einem durchschnittlichen Score von 1.4 (SD=0.7) sehr gut, wobei dieser Bewertung eine sechsstufige Skala zugrunde liegt (siehe Abbildung 5 [Abb. 5]). Allerdings bezieht sich dieses Evaluationsergebnis auf die Gesamtfallzahl von n=216 Studierenden, die für das Seminar Q1/Biometrie eine Evaluation abgegeben haben. Eine separate Betrachtung der regulären Seminar- und Flipped Classroom-Gruppen ist auf Basis dieser Evaluation leider nicht vorgesehen und möglich, so dass spezifische Evaluationsergebnisse für den Online-Flipped Classroom-Kurs nicht vorliegen.

Unsere eigenen Daten zur erreichten Gesamtpunktzahl der Studierenden bzw. in Folge dessen zu deren Notenverteilung zeigen jedoch, dass keine Unterschiede in Bezug auf die Notenverteilung zwischen den regulären Seminargruppen und dem Flipped Classroom-Ansatz vorliegen (Abbildung 6 [Abb. 6]). So können wir also zumindest davon ausgehen, dass die Durchführungsart sowie Online-Prüfung keinen Einfluss auf die Note im Fach Q1/Biometrie hat.

Zudem können einige Auszüge aus der Evaluation bezüglich des PC-Kurses hier wiedergegeben werden:

Positives:

  • „wirklich sinnvolle/gute Idee den PC-Kurs anzubieten; damit lernt man den Umgang mit einem Statistikprogramm, was man eventuell wirklich mal benötigt (z.B. für Promotion) […] auch die Idee mit den Kurztests finde ich sehr gut, da man immer einen kleinen Teil lernen und verstehen kann und nicht am Ende des semesters noch eine weitere Prüfung neben den 10 anderen schreiben muss“
  • „Ich fande bei dem PC-Kurs war es jetzt überhaupt nicht schlimm, dass dieser online durchgeführt wurde. Es muss ja so oder so jeder an seinem Laptop sitzen. Könnte man auch in Zukunft so beibehalten. Finde ich persönlich auch besser, als im PC-Pool dies durchzuführen.“

Negatives / Verbesserungsmöglichkeit:

  • „3 Programme gleichzeitig zu bedienen und zu hoffen die Internetverbindung bleibt stabil ist unnötiger Stress.“
  • „Am Anfang war ich etwas enttäuscht, weil ich durch das Flipped Classroom Prinzip und die Neuheit, dass SAS-Studio verwendet wird, mir sowieso alles alleine beibringen muss - was ich auch ohne den Kurs zu belegen machen könnte. Ich habe mir vor allem am Anfang etwas mehr Einführung in das Programm gewünscht von Seiten der Dozierenden.“

Bei der Durchsicht der offenen Fragen fällt auf, dass es keine direkten kritischen Anmerkungen zur Online-Prüfungssituation gibt. Detailfragen zu Schwierigkeit, Notenvergabe oder Zeitpunkt der Prüfungen werden genannt, aber keine prinzipiellen Anmerkungen. Insgesamt können wir nach dieser Evaluation zufrieden mit der Durchführung der Lehrveranstaltung sein, auch weil bei der bisherigen Durchführung der Online-Prüfungen keinerlei Probleme oder Einwände von Studierenden an uns herangetragen wurden.


4 Diskussion und Ausblick

In diesem Beitrag wurde die Konzeption und Implementierung einer Lehrveranstaltung zum Erlernen grundlegender biometrischer Fertigkeiten sowie der Einsatz einer Statistiksoftware im Rahmen dieser Lehrveranstaltung nach dem Flipped Classroom-Ansatz vorgestellt. Diese Pflichtveranstaltung im Querschnittsfach Q1/Biometrie wird im Studium der Humanmedizin an der Universität Ulm seither angeboten. Um den Lernerfolg und das Verständnis um die Bedeutsamkeit des Faches zu maximieren, sind Online-Präsenzveranstaltungen mit ausreichend Zeit für die Diskussion und die Interpretation der Analyseergebnisse sehr wichtig. Daher wird die im Rahmen des Flipped Classroom-Ansatzes vorgesehene Selbstlernphase außerhalb der Vorlesung das Vorwissen der Studierenden vor dem Präsenzseminar verbessern, so dass mehr Zeit für eine vertiefte Diskussion biometrischer Inhalte bleibt. Dass ein solches Konzept im Online-Setting funktioniert und von Studierenden akzeptiert wird, haben wir vor unserer ersten Implementierung im Rahmen der regulären Pflichtlehre auf der Basis eines entsprechenden Wahlfachs gesehen.

Die Voraussetzungen für den Einsatz des Flipped Classroom-Konzeptes sind durch den Einsatz einer geeigneten Statistiksoftware und verschiedener Lernmaterialien gegeben. SAS Studio bietet einen unbegrenzten und kostenlosen Zugang zu allen relevanten statistischen Methoden, die gemäß den Lernzielen des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin formuliert sind. Ein deutschsprachiges Lehrbuch wurde veröffentlicht und dient als Einstieg in die praktische Anwendung der Software für unsere Studierenden. Die Verfügbarkeit von weiterem Lehrmaterial (Übungen, Lehrvideos, Selbsttests) wurde als sehr hilfreich evaluiert, dabei ermöglichte es die Lernplattform Moodle zudem, eine Online-Prüfung zu realisieren.

Der Besuch des Seminars unter Verwendung der eigenen Geräte durch die Studierenden bringt den Vorteil mit sich, dass diese sich an die individuellen Gegebenheiten (z.B. Betriebssystem-bedingte Unterschiede in der Nutzung der Oberfläche von SAS Studio) gewöhnen können und im Falle eventueller zukünftiger Projekte bereits mit der Softwareumgebung vertraut sind. Im Entwicklungsprozess haben wir überlegt, ggf. eine Beratung für Studierende, die individuell Probleme bei der Nutzung der Software bzw. der Einrichtung des Zugangs haben, anzubieten. Es hat sich jedoch gezeigt, dass diesbezüglich kein Bedarf besteht. Vereinzelte Probleme konnten in den Präsenzphasen direkt gelöst werden.

Die vorgestellten Evaluationsergebnisse liegen bislang noch nicht in dem Detailgrad vor, der für eine umfassende Bewertung des vorgestellten Online-Flipped Classroom notwendig wäre, vor allem auch, was einen Vergleich zu Studierendengruppen angeht, die das Pflichtseminar Q1/Biometrie nicht unter Nutzung einer Statistiksoftware besuchen. Dies sollte am besten auf der Basis einer clusterrandomisierten Studie durchgeführt werden, in deren Rahmen eine spezifische Erfassung der Erreichung von Lernzielen erfolgen sollte.

Wir haben hier unser Konzept und die Umsetzung eines Online-Flipped Classroom für einen Statistiksoftwarekurs zur Einführung in die medizinische Statistik vorgestellt. Wir hoffen, dass dieser Beitrag auch einen Anreiz darstellt, über die Didaktik im Rahmen der Lehre in unserem Fach zu reflektieren. Auf der Basis der ersten Rückmeldungen sind wir optimistisch, dass der vorgestellte Ansatz dazu beitragen kann, dass sowohl Studierende als auch Lehrpersonen langfristig davon profitieren können.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.

Förderung

Diese Arbeit wurde als Lehrprojekt durch die Medizinische Fakultät der Universität Ulm unter dem Förderkennzeichen L.LPB.0001.12_2022 unterstützt.


Literatur

1.
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