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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Mit Informationskompetenz im Forschungsprozess die Zukunft an der SLUB Dresden gestalten

Shaping the future at the SLUB Dresden with information literacy in the research cycle

Fachbeitrag

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  • corresponding author Michaele Adam - Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Deutschland
  • Jens Mittelbach - Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2014;14(1-2):Doc06

doi: 10.3205/mbi000303, urn:nbn:de:0183-mbi0003035

Published: August 28, 2014

© 2014 Adam et al.
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Zusammenfassung

Informationskompetenz als Schlüsselqualifikation in der Wissenschaft erfährt mit dem digitalen Wandel tiefgreifende inhaltliche Veränderungen. Die Etablierung von E-Science und in der Folge neu entstehende Informationsbedürfnisse stellen große Herausforderungen für wissenschaftliche Bibliotheken dar. Bisherige Konzepte sind zu überdenken und neu zu gestalten, um als kompetenter Partner im gesamten Forschungsprozess zu bestehen.

An der SLUB Dresden werden fünf Phasen des Forschungsprozesses unterschieden. Diesen Phasen lassen sich fünf grundlegende Kompetenzbereiche zuordnen. Neben Recherchekompetenz zählen dazu Methodenkompetenz, Forschungstechnologiekompetenz, Forschungsanalysekompetenz sowie Publikationskompetenz. Im ersten Teil der Arbeit werden die inhaltlichen Aspekte dieser Kompetenzen beschrieben und auf aktuelle Informationsangebote aus der SLUB-Praxis bezogen. Der zweite Teil betrachtet Informationskompetenz im Kontext zum medizinischen Forschungsprozess. Das vierstufige fachspezifische Konzept der Zweigbibliothek Medizin wird vorgestellt.

Eine immer stärkere Vernetzung der Bibliothek mit den einzelnen Fachbereichen ist Voraussetzung, um flexibel auf Veränderungen in deren Informationsbedürfnissen reagieren zu können. Gleichzeitig wird auch eine bibliotheksinterne Vernetzung immer wichtiger, um das vorhandene Expertenwissen effektiv nutzen zu können. Die Vermittlerrolle der Bibliothek im Allgemeinen und der Zweigbibliothek Medizin als fakultätsnaher Einrichtung im Besonderen gewinnt an Wichtigkeit.

Schlüsselwörter: Informationskompetenz, Forschungsprozess, E-Science, SLUB Dresden, Zweigbibliothek Medizin

Abstract

Information literacy is a key skill for students and researchers. In an increasingly digital world, the scope of this skill is changing fundamentally. The establishment of e-sciences and the development of new information demands prove to be a great challenge for academic libraries. Traditional concepts of teaching information literacy need to be revised if libraries want to continue to be assistants and stewards in the entire research cycle.

At the SLUB Dresden we pragmatically distinguish five phases of the research cycle correlating with five different areas of competence. Among these competencies are – apart from information retrieval skills – methodological, technological, and analytical skills as well as publication skills. The first part of this article examines these skills and shows how the SLUB tries to provide adequate services. The second part looks at information literacy in the context of the research cycle in the field of medicine. The quadripartite subject-specific concept of teaching information literacy in medicine is presented.

To be able to continually adjust to the ever-changing information needs, it is a prerequisite that libraries increase their networking efforts and reach out to the faculties. Internal networking is also necessary in order to exchange expert knowledge. The role of the library in general and of the branch library of medicine with its faculty specificity is becoming more important.

Keywords: information literacy, research cycle, e-science, SLUB Dresden, branch library of medicine


Informationskompetenz im Wandel

Informations- und Medienkompetenz gehören grundsätzlich zu den Schlüsselqualifikationen von Studierenden. Sie zu erwerben bedeutet, sich auf wissenschaftliche Tätigkeit vorzubereiten. Wissenschaftliche Bibliotheken spielen bei der Vermittlung dieser Kompetenzen eine große Rolle. Bereits 2004 entwarfen Lux und Sühl-Strohmenger [1] ein umfassendes Bild der Situation der Bibliotheken in ihrer Rolle als Vermittler von Informationskompetenz. Aus dem angloamerikanischen Raum wurde neben dem Begriff „information literacy“ (übersetzt mit Informationskompetenz) mit viel Enthusiasmus das Konzept der „Teaching Library“ übernommen [2]. Die Aufgabe und das Selbstverständnis von Bibliotheken war damit etabliert.

Unbestritten ist, dass Bibliotheken als öffentliche Einrichtungen einen Bildungsauftrag haben. Noch dezidierter lässt sich sagen, dass die Wahrnehmung dieses Auftrages eines der legitimierenden Prinzipien von modernen Bibliotheken ist. In einer Welt, in der Informationsressourcen zunehmend in digitaler Form vorliegen und auch außerhalb von Bibliotheken Zugriff auf sie besteht, müssen Informationseinrichtungen Angebote schaffen, die ihren weiteren Unterhalt rechtfertigen. Im Bereich der Vermittlung von Informationskompetenz lassen sich solche Angebote konzipieren. Allerdings ist es unabdingbar, dass Bibliotheken sich dabei eng am Bedarf ihrer Klientel orientieren und ihre Vermittlerrolle neu interpretieren. Ebenso wie ihre potentiellen Nutzer sind Bibliotheken heute nämlich Teil einer vollständig von Informationstechnologien bestimmten Welt, die in immer schnellerer Folge von seismischen Erschütterungen des technologischen Wandels durchzogen wird. Nicht nur die Menge an Informationen ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Neue Kommunikationswege haben zu einem veränderten Informationsverhalten der „digitalen Konsumenten“ [3] geführt. Die heute elektronisch vorliegenden Daten ermöglichen völlig neue Forschungsfelder, die häufig als E-Science beschrieben werden. E-Science setzt sich aus einer Kombination technologisch erforderlicher Werkzeuge und Methoden für die Untersuchung riesiger Datenmengen zusammen und bildet gleichzeitig die Grundlage für das kollaborative und interdisziplinäre Arbeiten. Diese sich verändernden Möglichkeiten in der Forschung erfordern neue Kompetenzen der Wissenschaftler.

Aber auch Bibliothekare müssen neue Wege beschreiten und sich neuartige Kompetenzen aneignen, um eine Funktion im Prozess ihrer Vermittlung übernehmen zu können. Der Begriff „Teaching Library“ kann dabei schnell hinderlich werden. In der bibliothekarischen Praxis hat er die Tendenz, nicht als das Lehren von Inhalten durch die Bibliothek, sondern vielmehr als „Bibliothekslehre“ verstanden zu werden. In dieser Interpretation lehrt die Bibliothek sich selbst, ihre zunehmend inadäquaten, weil auf sich selbst gerichteten Werkzeuge, und wird damit Selbstzweck. Aber selbst im ursprünglich intendierten Sinne gedeutet, schreibt der Begriff „Teaching Library“ ein traditionelles Rollenverständnis fest, das anachronistisch ist. Im modernen Informationsuniversum sind Agens und Patiens der Vermittlungshandlungen entgrenzt; es gibt nicht mehr den wissenden Bibliothekar, der den unwissenden Benutzer unterrichtet. Informationsvermittlung findet zunehmend auf Augenhöhe und bidirektional statt, denn im Setup der Kommunikationspartner sind Kompetenzen auf beiden Seiten verteilt. Diejenigen, die früher gelehrt haben, sehen sich heute stärker als je damit konfrontiert, selbst lernen zu müssen, und zwar in einem lebenslangen Prozess. Um der Authentizität der Kommunikation willen müssen sich Bibliothekare vom Ideal des Wissenshüters verabschieden [4] und in die Rolle des Helfens, Vermittelns und Vernetzens hineinwachsen.

Als Partner in der Hochschullehre und Forschung sind Bibliotheken also gefordert, ihre bisherigen Konzepte zu überdenken und diese den neuen Bedingungen anzupassen. In engem Zusammenhang ist hierbei die Erarbeitung eines neuen „Framework for Information Literacy for Higher Education“ zu sehen, das seit 2013 von der Association of College and Research Libraries (ACRL) erarbeitet und voraussichtlich im Herbst 2014 verabschiedet wird [5]. Als zentrales Thema darin wird die Metaliteracy angenommen [6], [7]. Darunter ist eine Kompetenz zu verstehen, welche die traditionellen Basiskompetenzen um die Fähigkeit zum kollaborativen Arbeiten und zum Teilen von Informationen in digitalen Umgebungen erweitert [8]. Die gesamte Wissenswelt wird als Ökosystem begriffen, von dem das Individuum ein Teil ist, das von jedem Individuum mitbestimmt wird und an das es sich fortwährend in kritischer Selbstreflexion anpassen muss [6]. Diese Erkenntnis spiegelt sich auch in der Lösung der ACRL von feststehenden Standards und der Entwicklung von Konzepten wieder. Mit der damit verbundenen Flexibilität sollen künftige Veränderungen im Forschungsprozess besser unterstützt werden können.


Konzept SLUB – inhaltliche Aspekte

Die besondere Situation in Dresden ist dadurch geprägt, dass die SLUB als Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek sehr unterschiedliche und komplexe Aufgaben im Freistaat Sachsen erfüllt. In ihrer Rolle als Universitätsbibliothek ist sie zuständig für die Informationsversorgung an der Technischen Universität Dresden.

Bereits seit Anfang 2000 existiert ein sehr vielfältiges Schulungskonzept an der SLUB. Bisher betrafen die Inhalte – in eher traditioneller Weise – insbesondere die Bereiche der Recherchekompetenz (fachbezogenes Information Retrieval) und in einigem Umfang auch die Publikationskompetenz (Literaturverwaltung). Unterstützt wurden damit vor allem Tätigkeitsbereiche am Anfang und gegen Ende des Informationsverarbeitungszyklus. Im Bestreben, den gesamten Forschungsprozess zu begleiten, wurde an der SLUB ein neues, ganzheitliches Konzept entwickelt. Die immer stärkere Herausbildung und Etablierung von E-Science stellt dabei eine grundsätzliche Herausforderung für Bibliotheksmitarbeiter dar, der sie sich allerdings stellen müssen, wenn sie auch weiterhin die wissenschaftlichen Prozesse begleiten und unterstützen wollen. Um diesen Prozessen entsprechende, ineinandergreifende Dienstleistungen entwickeln zu können, werden folgende Phasen des Forschungsprozesses unterschieden:

1.
Ideation (Ideen erzeugen, Fragen stellen, Informationen finden)
2.
Operationalisierung (Methoden wählen, Partner suchen und vernetzen, Förderer finden)
3.
Kollektion und Kreation (Techniken und Technologien identifizieren, Daten erzeugen und sammeln, Experimente durchführen)
4.
Interpretation (Daten darstellen und analysieren, Ergebnisse beschreiben, Publikation vorbereiten)
5.
Dissemination (Forschungsergebnisse publizieren)

Innerhalb dieser Phasen lassen sich auch fünf grundlegende Kompetenzbereiche verorten, Recherchekompetenz, Methodenkompetenz, Forschungsanalysekompetenz, Forschungstechnologiekompetenz und Publikationskompetenz (Abbildung 1 [Abb. 1]). Diese Bereiche sind nicht losgelöst voneinander zu betrachten. Es gibt zahlreiche Schnittstellen und Wechselwirkungen untereinander. Einige sollen im Folgenden genannt werden.

Zu Beginn des Forschungsprozesses wird vor allem Recherchekompetenz benötigt, um die Frage nach bereits vorliegenden Forschungsergebnissen zum interessierenden Thema beantworten zu können und um deren Veröffentlichungen aufzufinden. Kenntnisse der Datenquellen und Medien gehören ebenfalls dazu. Die umfangreichen Angebote an der SLUB dazu reichen von den klassischen zentralen Einführungsveranstaltungen zu Beginn des Studiums bis zu fachbezogenen vertiefenden Kursen für fortgeschrittene Studierende, Doktoranden und Wissenschaftler. Eine Verbindung gibt es hier bereits beim Sammeln von Literaturquellen zur Literaturverwaltung, die unter dem Aspekt des forschungsethisch korrekten Zitierens dieser Quellen in der Publikation gleichzeitig mit zur Methodenkompetenz und zur Publikationskompetenz zu zählen ist.

Methodenkompetenz umfasst Themen wie Kenntnisse zur Anwendung fachspezifischer Forschungsmethoden, der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, aber auch zum Auffinden von potentiellen Forschungspartnern. Bereits hier wie vor allem auch bei der Forschungsanalyse- und Publikationskompetenz können bibliometrische Methoden zum Einsatz kommen.

Forschungstechnologiekompetenz betrifft vor allem die Anwendung etablierter und neuer Techniken bei der Analyse von Forschungsdaten, die heute zunehmend in digitaler Form vorliegen. Sie steht in engem Kontext zur Forschungsanalyse. Dazu gehört beispielsweise die Visualisierung als Werkzeug zur Darstellung von inhaltlichen Zusammenhängen bei großen Datenmengen. Im Forschungsfeld der Digital Humanities, einer fachlichen Ausprägung der E-Science, sind besonders Verfahren des Data-Minings und der Textanalyse von Belang. Allgemeine Fragen der Datensicherheit und Datenverschlüsselung gehören ebenfalls in diesen Kompetenzbereich. Hierzu konnten kürzlich erste Erfahrungen mit der Gestaltung einer sogenannten Kryptoparty an der SLUB gesammelt werden. Experimentellen Charakter hatte der gerade erst geschaffene Makerspace [9], an dem die SLUB als Partner beteiligt war. Das mehrwöchige Projekt hatte das Ziel, Ideen, Menschen, Projekte und neue Technologien zu verknüpfen. Von großem Wert ist gerade bei diesen technologiebasierten Themen die gute Kooperation mit entsprechenden Instituten oder Fachbereichen an der TU Dresden.

Die steigenden Datenmengen ermöglichen und erfordern gleichzeitig neue Analyseformen. Forschunganalysekompetenz ist sowohl in der Forschung, in der persönlichen wissenschaftlichen Karriere, beim Publizieren als auch im Wissenschaftsmanagement von großem Interesse. Die recherchierten Publikationen und Zitationen können thematisch oder hinsichtlich ihrer Wahrnehmung untersucht werden. Forschungstrends können identifiziert und Abhängigkeiten beziehungsweise Netzwerkstrukturen analysiert und visualisiert werden. Damit öffnet sich hier ein umfangreiches Betätigungsfeld im Umfeld der Bibliometrie. Als Aufgabengebiet für Bibliotheken rückt diese zunehmend in den Fokus. Bibliothekare profitieren im Hinblick auf bibliometrische Dienstleistungen insbesondere von ihrer fächerübergreifenden Perspektive, vom Wissen über das Publikationsverhalten der Wissenschaftler in den einzelnen Fachgebieten, aber auch von den langjährigen Erfahrungen als Informationsspezialisten. An der SLUB entstand im Rahmen der Arbeitsgruppe Elektronisches Publizieren ein Bibliometrie-Team. Neben individueller Beratung werden auch Einführungskurse sowie auf das Fachgebiet zugeschnittene Veranstaltungen angeboten und zunehmend nachgefragt.

Zum Zeitpunkt des Publizierens sind alle Kenntnisse mit Bezug zum Schreiben wichtig. Vornehmlich werden Sachkenntnisse der Textverarbeitung, Literaturverwaltung und Zitierregeln benötigt. Autoren interessieren sich aber auch für Auswahlkriterien bei der Auswahl des Publikationsmediums, welches am besten für die Veröffentlichung des Themas geeignet ist. Wie kann eine größtmögliche Sichtbarkeit erreicht werden? Zunehmenden Informationsbedarf gibt es in diesem Zusammenhang hinsichtlich des Open Access-Publizierens und der damit verbundenen urheberrechtlichen Aspekte. Schulungsangebote an der SLUB unterstützen diesen Themenkomplex schon weitgehend. Die Arbeitsgruppe Elektronisches Publizieren bietet Open Access- und Bibliometrie-Kurse an. Bestehende Kurse zur Literaturverwaltung mit RefWorks, Zotero und Citavi werden demnächst noch erweitert. Die erstmalige Beteiligung der Bibliothek an der diesjährigen Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten, auch hier wieder in Kooperation mit der TU Dresden, traf auf große Resonanz und wird sicher fortgesetzt.


Konzept SLUB – organisatorische (strukturelle) Aspekte

Die einzelnen Phasen im Forschungsprozess benötigen jeweils an Inhalt und Nutzer angepasste Bildungsangebote. Das Spektrum an der SLUB hat daher eine große Bandbreite. Diese reicht von Einführungsveranstaltungen für Studierende über fächerbezogene Kurse, thematisch spezialisierte Kurse bis hin zu dem individuellen Angebot der Wissensbar. Das innovative Konzept der Wissensbar wurde im letzten Jahr entwickelt, um noch bedarfsgerechter und gezielter Wissen vermitteln zu können. Dahinter verbirgt sich ein individuell zugeschnittener Beratungsdienst. Benutzer können zu ganz speziellen Fragestellungen aus den Themenbereichen „Lernen/Forschen”, „Technik/Technologien” und „Schreiben/Publizieren” nach einer Terminauswahl die jeweils ausgewiesenen Experten an der SLUB konsultieren [10].

Im Regelfall finden die Veranstaltungen auf Grund der institutionellen Eigenständigkeit der SLUB auf fakultativer Basis statt. In einigen Fällen sind sie auch in das Curriculum einzelner Studiengänge integriert. Als wichtiger Baustein im Schulungsangebot für Doktoranden hat sich seit ihrer Gründung im Herbst 2013 die Kooperation mit der Graduiertenakademie der TU Dresden entwickelt. In dem Qualifizierungsprogramm für junge Nachwuchswissenschaftler aller Fachbereiche, also auch der Medizin, konnten sich bisher speziell die Kurse der Bibliothek zur Literaturverwaltung sowie zur Forschungsanalyse/Bibliometrie und zum Open Access-Publizieren/Urheberrecht etablieren.

Die Kommunikation der Angebote findet vorrangig online statt. Die Anmeldung zu Schulungen und Führungen erfolgt über den SLUB-Schulungskalender [11], die Buchung der Wissensbar [12] ist ebenfalls webbasiert. Über Neuerungen oder Veranstaltungstipps wird im SLUBlog [13] und über Twitter [14] informiert.


Informationskompetenz im medizinischen Forschungsprozess

Die sich verändernden Anforderungen an Informationskompetenz werden im Wissenschaftsgebiet der Medizin besonders deutlich. Vom Wandel im medizinischen Forschungsprozess sind alle oben beschriebenen Phasen betroffen. Als klassische Recherchekompetenz ist die systematische Literaturrecherche anzusehen. Sie findet auch weiterhin starke Aufmerksamkeit, da die evidenzbasierte Medizin fundierte Kenntnisse im Umgang mit Retrieval Systemen verlangt [15]. Mit einer explorativen Literatursuche gewinnen jedoch auch vermehrt neue Suchtechnologien Beachtung. Gerade während der Ideenfindung eines Forschungsthemas sowie in multimedialem Kontext helfen diese, inhaltliche Zusammenhänge von Dokumenten zu finden. Zunehmend wichtig werden Kenntnisse zur Beurteilung der Qualität von Veröffentlichungen.

Die enorm wachsende Menge an klinischen und experimentellen Studien und steigender Interdisziplinarität erfordern die Ausbildung neuer Kompetenzen in den weiteren Phasen des Forschungsprozesses. Damit bieten sich zahlreiche Chancen für medizinische Bibliotheken, die Sichtbarkeit innerhalb ihrer Institution zu erhöhen. In einem systematischen Review zeigt Cooper neue bibliothekarische Aktivitäten und veränderte Rollen auf [16]. Ein Beispiel für ein neues Aufgabenfeld stellt dabei die translationale Medizin als Schnittstelle zwischen experimenteller Forschung und der Überleitung der Ergebnisse in die klinische Praxis dar. Mögliche Formen der translationalen Forschungsunterstützung benennt Holmes in einer weiteren Untersuchung der Rolle der Bibliothek [17]. Dazu zählen neben administrativen und Koordinierungsaufgaben sowie Kommunikation vor allem eine Vielzahl von Trainingsthemen im Bereich des Datenmanagements, der Evaluation des Forschungsoutputs und -impacts und des Schreibens und Publizierens. Entscheidend für das konkrete Vorgehen vor Ort ist in jedem Fall ein enger Kontakt zu den Wissenschaftlern. Nur so lassen sich deren spezieller Informationsbedarf insbesondere auf dem Gebiet der E-Science identifizieren und passende Angebote bereitstellen [18]. Schwierig scheint die Antwort auf die Frage, wie eine Fachbibliothek ihm Rahmen ihrer limitierten Ressourcen möglichst schnell auf diese veränderten Anforderungen reagieren kann.


Zweigbibliothek Medizin aktuell

Die Zweigbibliothek Medizin befindet sich als dezentraler Standort der SLUB direkt auf dem Campus der Medizinischen Fakultät. Aus der Nähe resultiert ein enger Kontakt zu den Studierenden und Wissenschaftlern, aber auch besondere Kenntnis der Informationsbedürfnisse im Fach Medizin insgesamt. Mit welchen fachspezifischen Schulungsangeboten unterstützt die Zweigbibliothek Medizin die Lehre und Forschung an der Fakultät? Wie fügen sich diese Angebote in das SLUB-Gesamtkonzept ein?

Zu den verschiedenen Nutzergruppen gehören die Studierenden der Studiengänge Medizin, Zahnmedizin, Gesundheitswissenschaften/Public Health und Pflegewissenschaft, Doktoranden und Mitarbeiter der Medizinischen Fakultät/des Universitätsklinikums, Teilnehmer an der Pflegeaus- und -weiterbildung der Carus-Akademie sowie Interessenten externer Einrichtungen. Zur Vermittlung von medizinischer Recherchekompetenz bestehen bereits seit langem traditionelle Angebote. Unter Einbeziehung der neu entstandenen zentralen SLUB-Services ergab sich die Möglichkeit, die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse im Lern- und Forschungsprozess besser zu berücksichtigen. Entstanden ist ein mehrstufiges Weiterbildungskonzept, das Raum für künftige bedarfsgerechte Anpassungen bietet. Damit stehen Studierenden, Lernenden und Forschenden zu jedem Zeitpunkt ihrer Arbeit geeignete Qualifikationsangebote zur Verfügung.

Abbildung 2 [Abb. 2] zeigt für Forschung und Lehre in der Medizin ein vierstufiges Konzept:

  • Teil 1: „Basiswissen Informationskompetenz – wissenschaftliche Literatursuche für Studienanfänger der Medizin und Zahnmedizin“
  • Teil 2: „Aufbauwissen Informationskompetenz – Literaturrecherche in medizinischen Fachdatenbanken“
  • Teil 3: „Spezialwissen Informationskompetenz“
    • Kurs 3.1: Systematische Literaturrecherche für Mediziner und Zahnmediziner
    • Kurs 3.2: Literaturverwaltung und Wissensorganisation für Mediziner und Zahnmediziner: Zitierregeln, Literaturverwaltungsprogramme, Beispiel RefWorks
    • Kurs 3.3: Forschungsanalyse und Bibliometrie
  • Teil 4: „Expertenwissen Informationskompetenz (Wissensbar)“
    • Individuelle Beratungstermine bei Experten zu allen Themen: Lernen/Forschen, Schreiben/Publizieren, Technik/Technologien
      • Zum Beispiel:
        Lernen/Forschen > Medizin
        Schreiben/Publizieren > Literaturverwaltung
        Schreiben/Publizieren > Wissenschaftsstatistik (Bibliometrie)

Die Teile 1 und 2 richten sich gezielt an die Studierenden zu Beginn ihres Studiums im ersten und zweiten Semester. Ziel ist es, dem Anspruch der medizinischen Fakultät entsprechend möglichst alle Studierenden mit Grundlagen wissenschaftlicher Literatursuche vertraut zu machen. Allerdings werden die Bibliothekskurse fakultativ angeboten, da sie auf Grund der institutionellen Trennung nicht in das Curriculum und damit in den Stundenplan integriert werden können. Umfangreiche Werbemaßnahmen sind jeweils notwendig, um die Informationen zu kommunizieren. Beide Veranstaltungen wurden in Vorlesungsform neu konzipiert, wobei sich ein wechselseitiger Nutzen für Zentralbibliothek und Zweigbibliothek ergab. Einerseits konnten Erfahrungen aus zentralen Einführungsveranstaltungen mit einfließen, andererseits fand das neue Konzept in der weiteren Entwicklung zentraler Kurse Berücksichtigung.

Die Teile 3 und 4 richten sich ebenfalls an Studierende, aber gleichzeitig auch an die Wissenschaftler. Kurs 3.1 ermöglicht die intensivere Beschäftigung mit der systematischen Literaturrecherche in den Fachdatenbanken PubMed, Embase, Cochrane Library, Web of Science. Kurs 3.2 vermittelt Kenntnisse zu Zitierregeln allgemein und mit Bezug zur Dissertation an der Medizinischen Fakultät, zu Literaturverwaltungsprogrammen und zur Arbeit mit RefWorks, dem aktuell an der TU und SLUB lizenzierten Programm. Beide Kurse werden monatlich im Computerpool angeboten und enthalten Übungsanteile. Zusätzlich finden diese Kurse auch im Wahlpflichtfach „Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens“ statt, dass jeweils im Sommersemester von der Medizinischen Fakultät in Zusammenarbeit mit der Zweigbibliothek Medizin angeboten wird.

Neu im Programm ist Kurs 3.3 mit einem Überblick über bibliometrische Kennzahlen und deren Datenquellen sowie Anwendungsszenarien wie die Analyse von Kooperationen, Forschungstrends oder Entwicklung von Publikationsstrategien. Damit zielt das Kursangebot nun auch auf die Aneignung von Kompetenzen in den weiteren Phasen des Forschungsprozesses: Methodenkompetenz, Forschungsanalysekompetenz und Publikationskompetenz. Termine sind zunächst pro Semester einmal und auf Anfrage in Kliniken bzw. Instituten geplant. Hauptsächliche TeilnehmerInnen sind Doktoranden in verschiedenen Stadien ihrer Dissertation und MitarbeiterInnen der Medizinischen Fakultät/des Universitätsklinikums.

Über Angebote zu weiteren Themen informiert der SLUB-Schulungskalender an zentraler Stelle, wie zum Beispiel zu den Literaturverwaltungsprogrammen Citavi und Zotero oder zum Open Access Publizieren.

Teil 4 basiert auf dem SLUB-Konzept der Wissensbar, also der bereits erwähnten individuellen Beratung zu den Themenkomplexen Lernen/Forschen, Schreiben/Publizieren, Technik/Technologien durch Experten. Besonders deutlich wird hier die enge Verflechtung der zentralen fachübergreifenden und der medizinspezifischen Angebote.

Für den wachsenden Interessentenkreis im Bereich der Pflegeaus- und -weiterbildung an der Carus-Akademie, der Bildungsakademie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, wurde das vierstufige Konzept an den Informationsbedarf und Unterrichtsplan der Bildungsakademie angepasst. Die Kurse in der Pflegeausbildung finden jeweils zu Beginn des ersten Lehrjahrs für alle Klassen in Kleingruppen statt. Die Kurse in der Pflegeweiterbildung werden nach Absprache organisiert. Zusätzlich stehen auch hier die Beratungsangebote über die Wissensbar zur Verfügung.

Der Kommunikation aktueller Veranstaltungstermine dienen neben dem SLUB-Schulungskalender und Twitter zusätzlich noch fakultätsinterne Portale. Diese werden täglich von dem angesprochenen Nutzerkreis verwendet und eignen sich daher besonders gut zur gezielten Information.


Ausblick

Im digitalen Wandel verändern sich für Bibliotheken die Aufgaben und die an sie gestellten Anforderungen tiefgreifend. Die technologischen Veränderungen, neue technische Infrastrukturen im Forschungsprozess zwingen dazu, die Rolle der Bibliothek als Informationsvermittlerin neu zu überdenken und zu definieren. Gleichzeitig kann dies als Chance begriffen werden für die Öffnung für neue Tätigkeitsfelder und neue Methoden. Flexibilität in den Angeboten wird an Bedeutung weiter zunehmen. Dies gilt für die Bibliothek insgesamt, aber natürlich auch für die medizinische Fachbibliothek. Eine stärkere Vernetzung mit den Forschungsbereichen wird immer wichtiger. Gleichermaßen trifft dies auch auf die Vernetzung und Kooperation unterschiedlicher Arbeitsbereiche innerhalb der Bibliothek zu, um deren Expertenwissen effektiv nutzen zu können.

Von großem Vorteil ist der nahe, auch persönliche, Kontakt zum Fachbereich. In dem Erkennen von aktuellen Informationsbedürfnissen und der daraus abgeleiteten Vermittlerrolle zu speziellen Arbeitsgruppen in der gesamten Bibliothek ist eine wesentliche Aufgabe zu sehen. Für die Zweigbibliothek Medizin an der SLUB Dresden führt der Weg zu einem zukunftsfähigen und flexiblen Lehr- bzw. Lernangebot über den engen Austausch mit der Zentralbibliothek. Fachbezogene Spezifika und individuelle Gegebenheiten an der Medizinischen Fakultät können so ideal berücksichtigt werden. Gleichzeitig ist ein Partizipieren an der Entwicklung der zentralen Services möglich.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Lux C, Sühl-Strohmenger W. Teaching Library in Deutschland/Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz als Kernaufgabe für öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken. Wiesbaden: Dinges & Frick; 2004.
2.
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