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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Evaluation des Personal Digital Assistant (PDA)-Angebots der Zweigbibliothek Medizin in Münster

Evaluation of the PDA-project at the Branch Library Medicine at Münster

Fachbeitrag

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  • corresponding author Oliver Obst - Zweigbibliothek Medizin, Universitäts- & Landesbibliothek, Westfälische Wilhelms Universität Münster, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2008;8(2):Doc16

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2008-8/mbi000113.shtml

Published: September 17, 2008

© 2008 Obst.
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Zusammenfassung

In einem Projekt bietet die Zweigbibliothek Medizin (ZB Med) seit 2004 einen PDA-Service für ihre Nutzer an. Der Service besteht aus acht PDAs, die für vier Wochen ausgeliehen werden konnten, sowie einer Anzahl von Programmen zur Installation auf dem PDA des Nutzers.

Die zur Installation auf dem eigenen PDA angebotenen Programme waren in den Jahren 2004–2005 Medline-Suche und Inhaltsverzeichnisse von Medline-Journals und Drug Interaction Facts (alles OVID) sowie die Rote Liste (Editio Cantor Verlag Aulendorf). Innerhalb eines halben Jahres wurden die Programme 154-mal installiert. Die Zufriedenheit mit der Roten Liste war mit 1,58 sehr hoch (auf einer Skala von 1–5, 1 = sehr zufrieden, 5 = sehr unzufrieden). Die Drug Interaction Facts folgten mit 1,75, die Medline-Zeitschriften mit 1,88.

In der anschließenden Projektphase wurde das Hauptaugenmerk auf der Weitergabe der Lizenzen an die Nutzer gelegt. Die Liste der angebotenen Anwendungen wurde auf neuen Programme erweitert: DDInnere, Gelbe Liste, Herold – Innere Medizin, ifap index Pocket, ICD-10, Medline, Pschyrembel, Rote Liste und UpToDate. Mit einer Umfrage unter 186 Nutzern wurde diese Phase im April 2006 evaluiert. Insgesamt hatte die Bibliothek 570 Lizenzen an ihre Nutzer verteilt. Auf die Frage nach den beliebtesten Anwendungen waren die ersten fünf allesamt Produkte, welche die ZB Med im Angebot hatte: Die Rote Liste (84%), der Herold – Innere Medizin (76%), der Pschyrembel (75%), das Arzneimittel pocket (67%) und das PDA-Telefonbuch des Uniklinikums (63%). 88% der Antwortenden waren zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit diesem Angebot, 11% sind unentschieden und lediglich ein einziger unzufrieden.

Durch das Bibliotheksangebot konnte die Marktdurchdringung und die Nutzung der einzelnen Anwendungen zum Teil erheblich gesteigert werden. Die Rote Liste wurde vor dem PDA-Projekt von lediglich 8% der PDA-Besitzer benutzt, nach dem Projekt dagegen von 77%. Dies entspricht einer Steigerung um das 8,4-fache. Ähnliches traf auch auf DDInnere, Ifap index, ICD-10, Herold und den Pschyrembel zu. Das Arzneimittel pocket ist das einzige Produkt, das dieser „helfenden Hand“ nicht bedurfte: Es war mit 38% schon vor Einstieg der Bibliothek nahezu optimal verbreitet,

Im Vergleich zum gedruckten Buch schneidet die Rote Liste am besten ab: 83% fanden die PDA-Version besser als das gedruckte Buch. Das PDA-Arzneimittel pocket wurde von 58% bevorzugt, der PDA-Pschyrembel von 53% und DDInnere von 46%. Der Herold war das einzige PDA-Produkt, das gegenüber dem Buch schlechter abschnitt.

Über 92% der Antwortenden priesen ein insgesamt effektiveres Arbeiten durch den PDA und 79% meinten, dass die Benutzung der PDA-Anwendungen ihnen einen Wissensvorsprung verschaffen würde. 78% konstatierten eine bessere Medikamentendosierung durch Benutzung der PDA-Datenbanken, 68% konnten ihre Therapieempfehlungen verbessern und 53% kamen dadurch zu einer schnellen und treffenden Diagnose. 48% half der PDA bei Prüfungsvorbereitungen.

In einer Gegenüberstellung von Wichtigkeit und Zufriedenheit in einem so genannten Aktionsportfolio ließen sich Hits und Nieten eindeutig identifizieren und voneinander abgrenzen. Dabei stellte sich heraus, dass die Studenten wesentlich zufriedener waren als die Ärzte: Während die Studenten gleich vier Produkte mit 1,57 oder besser benoteten, erreichte bei den Ärzten nur die Rote Liste diese Zufriedenheit.

Schlüsselwörter: PDA, Rote Liste, Medline, Smartphone, Therapie, Diagnose, Arzneimittelliste

Abstract

Since 2004, in a project the Branch Library of Medicine (ZB Med) offers a PDA service for its users. The service consists of eight PDAs on loan for four weeks, as well as a number of programs to install on the user’s PDA.

The programms for installation on the user’s PDA were Medline search and TOC alert, Drug Interaction Facts (all OVID) and the Rote Liste (Editio Cantor Verlag Aulendorf). Within half a year, the programs were installed 154-times. Rate of satisfaction with the Rote Liste was an exceptional 1.58 (on a scale of 1–5, 1 = very satisfied, 5 = very dissatisfied). The Drug Interaction Facts followed with 1.75, Medline with 1.88.

In the subsequent phase of the project, the main focus was on the transfer of licences to users. The list of applications has been extended to nine programmes: DDInnere, Yellow list, Herold – Internal Medicine, ifap index Pocket, ICD-10, Medline, Pschyrembel, Rote Liste, and UpToDate. With a survey of 186 users, this phase was evaluated in April 2006. Overall, the library transferred 570 licenses to their users. The five most popular applications were the Rote Liste (84%), the Herold – Internal Medicine (76%), Pschyrembel (75%), the Arzneimittel pocket (67%) and the Phone book of the clinic (63%) – all products offered by the ZB Med. 88% of respondents were satisfied or very satisfied with this offer, 11% are undecided and only one dissatisfied.

The PDA service considerably increased the market penetration and the use of these applications. Before the PDA project the Rote Liste was used only by 8% of the PDA owners and after the project by 77%. This represents an increase of the 8.4-fold. The same also holds true for the DDInnere, Ifap index, ICD-10, Herold and the Pschyrembel. The Arzneimittel pocket is the only product that did not need this "helping hand": With 38% it was almost perfectly distributed.

Compared with the respective printed books, the Rote Liste achieved best: 83% found the PDA version better than the printed book. The PDA-Arzneimittel pocket was preferred by 58%, the PDA-Pschyrembel by 53% and 46% by DDInnere. The Herold was the only PDA product, which compared worse to the book.

About 92% of respondents praised an overall effective work by the PDA and 79% believed that the use of the PDA applications increased their knowledge advantage. 78% declared a better drug dosing through use of the PDA databases, 68% had better treatment recommendations and 53% were able to quicker diagnosis. 48% was helped by the PDA in test preparations.

Hits and looser could be clearly identified in a comparison of importance and satisfaction with an so-called action portfolio. It turned out that the students were much more satisfied than the doctors: While the students marked four products with 1.57 or better, the doctors only marked the Rote Liste this high.

Keywords: PDA, Rote Liste, Medline, smartphone, therapy, diagnosis, pharmacopoeia


Einleitung

Im Frühsommer 1995 besuchte ich auf einer Informationsreise durch die USA auch eine Reihe von Medizinbibliotheken. Die Tagespresse war gerade voll mit Schlagzeilen über den Ebola-Ausbruch im Kongo, als ich in die Health Sciences Library der University of Buffalo kam. Im Eingangsbereich lag eine frisch erstellte Informationsbroschüre der Bibliothek aus mit den wichtigsten Büchern, Zeitschriften und Informationsmöglichkeiten zum Thema Ebola. Wie ich später erfuhr, hatte bisher kein Benutzer danach gefragt – aber die Bibliothek war vorbereitet!

Dieses proaktive, vorausschauende Handeln hat mich sehr beeindruckt. In der Folgezeit habe ich öfters über den großen Teich geschaut, um bei meinen amerikanischen Kollegen etwas abzuschauen. Die Themen waren vielfältig und immer nützlich für unsere Benutzer: PubMed, Volltextdatenbanken, Evidenz-basierte Medizin, elektronische Bücher, Open Access, Weblogs und – zu guter Letzt – PDA.

Die Bibliothek für die Kitteltasche

PDA steht für Personal Digital Assistant und bezeichnet kleine Taschencomputer mit Palm- oder Windows-Betriebssystem. Diese wegen ihrer Termin- und Kontaktfunktionen früher auch 'Organizer' genannten Handheld Computer passen hervorragend in die Hemdentasche und werden typischerweise mit einem Stift bedient; seit kurzem sind aber auch Tastaturen und Sprachsteuerung auf dem Vormarsch. In den USA hat jeder zweite Arzt einen PDA, dortige Medizinfakultäten statten ganze Semester mit Palms aus und medizinische Anwendungen sind weitverbreitet – auch für das Windows-Pendant Pocket PC oder den iPhone. Berechnung von Dosierungen, Umrechnung von Einheiten, Patientenverwaltung oder Arzneimittelverzeichnisse auf dem PDA helfen dem Arzt Fehler zu vermeiden und verbessern so die Krankenversorgung – das legen zumindest zahlreiche Studien nahe. Eine beträchtliche Anzahl von nordamerikanischen Medizinbibliotheken unterstützt diese positive Entwicklung durch das Angebot von Geräten und Anwendungen. Das naheliegende Prinzip lautet: "Wenn wir den Pschyrembel als Buch ausleihen, warum dann nicht auch den Pschyrembel auf dem PDA?" Und in der Tat liegen die Vorteile dieses Mediums auf der Hand:

  • Handlichkeit: Der PDA/Smartphone ist aufgrund seiner Größe immer dabei, ständig und überall verfügbar
  • Telephon-, Kalender- und Kontaktfunktionalitäten
  • Sämtliche Informationsquellen der Bibliothek stehen ubiquitär zur Verfügung
  • Statt einem Nachschlagewerk sind unbegrenzt viele verfügbar, ohne die Kitteltasche auszubeulen
  • Alles ist in einem Gerät verfügbar / Mit WLAN und UMTS besitzt man eine universelle Informationszentrale
  • Such- und Bookmarkfunktionen ermöglichen das schnelle Auffinden von Informationen

Dass es daneben auch unbestreitbare Nachteile gibt, zeigte sich im Verlauf der Benutzungsstudien:

  • Es gibt insgesamt nur wenige medizinische Anwendungen auf dem Markt
  • Es gibt nur wenige gut durchdachte Anwendungen, die häufig genutzt und nachgefragt werden
  • Es gibt nur wenige Anwendungen mit einer für Großkunden wie Bibliotheken geeigneten Lizenzform
  • Starke Fluktuation der Lizenzformen und Ansprechpartner in diesem (neuen) Markt, keine bewährten Vertriebskanäle für Großkunden, keine Campuslizenzen

Die Mobile Bibliothek

Nach der traditionellen Hol-Bibliothek und der digitalen Bring-Bibliothek ist die Mobile Bibliothek die dritte Zustandsform auf der Evolutionsleiter (Tabelle 1 [Tab. 1]). Die vierte evolutionäre Stufe ist die "Ubiquitäre Bibliothek", die keine speziellen Geräte für die Informationssuche mehr voraussetzt. Sie ist mehr oder weniger unsichtbar und ständig präsent.


Phase 1 des PDA-Projektes

Im Oktober 2003 kam die Rote Liste Pocket auf den Markt. Mit ePocrates und dem Arzneimittel pocket waren zwar bereits zwei verbreitete PDA-Pharmakopöen auf dem Markt, aber die eine bot lediglich US-Arzneimittelinformationen, und die andere wurde nicht regelmäßig aktualisiert. Mit der Roten Liste wurde die Benutzung eines PDA jedoch erstmals für weite Teile der deutschen Medizinstudenten- und Ärzteschaft interessant und sinnvoll. In einem Projekt testete die Zweigbibliothek Medizin (ZB Med) der Universitäts- und Landesbibliothek Münster deshalb, welche Nutzer in Fakultät und Uniklinikum (UKM) von einem solchen PDA-Angebot profitieren würden. Darüber hinaus sollte die organisatorische und technische Umsetzbarkeit eines solchen Service geprüft werden. Das Projekt bestand aus Phase I von 2004–2005, in der (befristete) Campuslizenzen verteilt und PDAs ausgeliehen wurden, und Phase II von 2005–2006, in der (unbefristete) Einzellizenzen zur Installation auf Nutzer-PDAs erworben und verteilt wurden. Ab 2006 ist die Projektphase II in den Dauerbetrieb der Bibliothek aufgenommen worden.

Methode

Anfang 2004 wurden vier Anwendungen als Campuslizenz eingekauft. Nutzungsberechtigt waren alleine die Angehörigen der Medizinischen Fakultät der Westfälischen-Wilhelms-Universität (Ärzte, Studenten, Wissenschaftler) und die Bediensteten des Universitätsklinikums Münster (Lehrkräfte, Pflegepersonal). Die zur Installation auf dem eigenen PDA angebotenen Programme waren:

1.
Medline-Suche und Inhaltsverzeichnisse von Medline-Journals [Journals@Ovid™]
2.
Lexicomp Drug Database
3.
Drug Interaction Facts (1–3: Anbieter OVID)
4.
Rote Liste (Editio Cantor Verlag Aulendorf)

Wer keinen eigenen PDA besaß, konnte für vier Wochen bei der Bibliothek einen Palm Tungsten E oder einen Hewlett-Packard iPAQ 1930 mit diesen vier plus einer variablen Anzahl von vorinstallierten Programmen ausleihen. Insgesamt wurden über 20 Anwendungen getestet und per Ausleihe in Umlauf gebracht, u.a. Lexika, Handbücher der inneren Medizin, Laborwerte und Kodierungsschemata [1]. Die Ausleih-PDAs wurden darüber hinaus mit Zusatzsoftware versehen, z.B. um die Nutzung der einzelnen Anwendungen messen zu können (AppStats1.0 für Palm), um Programme schneller laden zu können (BatteryOL für PocketPC), um PDF-Dateien lesen zu können (Adobe Reader) oder um Dateien verschieben zu können (DEXplor für PocketPC).

Die Ausleih-PDAs wurden von der ZB Med nach der Regel „first come – first serve“ kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Vor und nach der Nutzung der Ovid-Software wurde je eine Umfrage unter diesen Pilot-Anwendern durchgeführt. Beim erstmaligen Herunterladen der Software war das Beantworten eines kurzen Fragebogens (Anhang 1 [Anh. 1]) obligatorisch, nach einem halben Jahr wurde eine Follow-up-Umfrage durchgeführt (Anhang 2 [Anh. 2]).

Resultate zu Projektbeginn

Innerhalb eines halben Jahres wurden die Ovid-Programme 109-mal und die Rote Liste 45-mal installiert. Diese rege Nutzung deutete auf die Existenz einer aufgeschlossenen und technophilen Nutzerschicht hin, deren Informationsbedürfnisse bisher nicht bekannt waren – auf jeden Fall aber nicht befriedigt wurden.

Zunächst wurden die Antworten der Ovid-Nutzer ausgewertet (n=109). 62% der Nutzer waren Klinikärzte, 19% Studenten der Medizin, 9% Wissenschaftler und 6% nicht-wissenschaftliches Personal. 56% aller Nutzer besaßen einen Palm, 43% einen Pocket PC, einer den Psion. Die eine Hälfte (51%) hatte bisher noch keine medizinischen Anwendungen auf ihrem PDA installiert, die andere Hälfte (49%) besaß durchschnittlich 1,8 medizinische Programme. Bei letzteren war das preiswerte Arzneimittel pocket des Börm-Bruckmeier-Verlags am häufigsten vertreten (38%), gefolgt von den kostenfreien Anwendungen ePocrates und MedCalc (je 26%) (Abbildung 1 [Abb. 1]). Bereits jeder Sechste hatte die Rote Liste installiert, obwohl diese gerade erst erschienen war. Jeder Elfte (9%) benutzte die ICD-10. Die sonstigen Installationen (12%) waren meist fachspezifischer Natur, 6% arbeiteten mit eigenen Anwendungen.

Die Ausleihe von PDAs durch die Bibliothek befürworteten 62% der OVID-Nutzer (die ja Nicht-Ausleiher waren), 19% enthielten sich und nur 18% erachteten dies nicht als sinnvoll.

Resultat nach Projekt

Nach einem halben Jahr wurde eine Follow-up-Umfrage unter den 109 Ovid-Benutzern gestartet, die von 37 Personen beantwortet wurde (Anhang 2 [Anh. 2], Rücklauf = 34%). Die Zufriedenheit mit dem Angebot von Medline-Zeitschriften war mit 1,88 sehr hoch (auf einer Skala von 1–5, 1 = sehr zufrieden, 5 = sehr unzufrieden) (Abbildung 2 [Abb. 2]). Die Drug Interaction Facts wurden mit 1,75 noch etwas besser beurteilt. Die Aktualität der Informationen erhielt mit 1,72 ebenfalls eine sehr gute Note, während die Bedienungsfreundlichkeit und Handhabung der Software mit 2,31 bereits etwas abfiel. Deutlich schlechter bewertet wurden die Medline-Suche (2,85) und die Vollständigkeit und Anzahl der Medline-Journals (3,04), während der Zugriff auf die Artikel-Volltexte ebenfalls die Erwartungen der Nutzer enttäuschte (3,40). 57% wollten Artikel auch auf dem PDA lesen, 51% auf alle Medline-Titel zugreifen können. Beide Gruppen (in der Summe 70%) waren wohl darüber unzufrieden, dass nur 6% aller Medline-Zeitschriften angeboten wurden, und dass Artikel-Volltexte weiterhin am Desktop-PC gelesen werden mussten.

Resultat: PDA-Ausleiher

Im Zeitraum von Januar 2004 bis Januar 2005 liehen sich 33 Personen einen PDA für jeweils vier Wochen aus. Die Ausleiher wurde gebeten, nach Rückgabe der PDAs den Ausleihfragebogen (Anhang 3 [Anh. 3]) zu beantworten. 22 folgten dieser Aufforderung, eine Rücklauf von 67%.

82% der Antwortenden waren Ärzte (59%) oder Wissenschaftler (23%), zwei waren nichtwissenschaftliche Bedienste des Uniklinikums (9%), einer war Student und einer machte keine Angaben. Im Vergleich zu den Ovid-Nutzern liehen doppelt so viele Wissenschaftler und halb so wenig Studenten einen PDA aus – ein Hinweis auf den Ausleihgrund? Jeder zweite Nutzer will mal einen PDA testen, bevor er sich einen kauft. Oder ein Hinweis auf die Finanzkraft der Ausleiher: Wer sich sowieso keinen PDA leisten kann, leiht auch keinen zu Testzwecken aus?

Was schätzten die Nutzer besonders an diesen kleinen Handheld Computern? Von 82% aller Beteiligten wurde angeführt, dass der immense Vorteil in seiner geringen Größe und Handlichkeit bestünde, der den PDA ständig verfügbar mache. 59% beeindruckte die Nutzbarkeit vieler verschiedener Anwendungen durch ein einziges Gerät, für 45% war die Unabhängigkeit von Schreibtisch und Desktop-Computer wichtig. Lediglich etwas mehr als ein Drittel (36%) betonte den Spaßfaktor dieses ‚Gadgets’. Aber auch mit dem PDA war es nicht immer möglich, "schnell zum Wesentlichen zu kommen": nur 27% stimmten dieser Aussage zu.

Es folgte die Frage nach der Zufriedenheit mit den Ausleihmodalitäten und mit den ausgeliehenen Programmen (Abbildung 3 [Abb. 3]). Am besten wurde hier die lange Ausleihzeit von 4 Wochen bewertet (1,64 auf einer Skala von 1–5, 1 = sehr zufrieden, 5 = sehr unzufrieden), gefolgt von der Schnelligkeit und Handhabung der PDAs (1,68 resp. 1,73) und der Unterstützung der Bibliothek (1,88). Mit der Übersichtlichkeit (2,09), der Größe des Displays (2,32) sowie der Vollständigkeit der Anwendungen (2,41) waren deutlich weniger zufrieden.

Die Gesamtzufriedenheit mit der Ausleihe von PDAs wurde mit 1,41 sehr viel besser bewertet als jedes der vorherigen Kriterien.

Bei der Wahl zwischen PDA-Ausleihe versus PDA-Anwendungen befürworteten nur 52% (im Gegensatz zu den 62% der Ovid-Anwender), die Bibliothek solle weiterhin PDAs mit medizinischen Anwendungen ausleihen, 48% meinten dagegen, die Bibliothek solle nur die Anwendungen zur Verfügung stellen, einen PDA müsse sich jeder schon selbst kaufen. Kein einziger war jedoch der Auffassung, dass die Bibliothek gar keine PDAs mehr ausleihen oder auf das Angebot von medizinischen Anwendungen für den PDA ganz verzichten solle.

Die Zufriedenheit mit den einzelnen Anwendungen ist ein wichtiges Kriterium für die Beschaffungspolitik der Bibliothek. Wie nicht anders zu erwarten, belegte die Rote Liste den ersten Platz (Abbildung 4 [Abb. 4]), gefolgt von BMJ’s Clinical Evidence Datenbank, dem Wörterbuch Dorman’s Directory und der Gelben Liste. Die Noten von 1,58 bis 1,68 (auf der Skala von 1–5) für diese vier Spitzenreiter zeugen von der überaus großen Zufriedenheit, ja Begeisterung der Nutzer mit diesen Anwendungen. Man muss diesen Noten allerdings mit Vorsicht begegnen, da aufgrund der variablen Bepackung der PDAs mit zusätzlicher Software diese manchmal nur von wenigen Personen getestet werden konnte. Die Angabe n=22 stellt also für diesen speziellen Graph einen Maximalwert dar. Der Arzneimittel pocket folgte mit 1,80, die ICD-10 und die Medline-Suche knapp dahinter. Die weiteren Anwendungen kommen auf 2,17 bis 2,25, außer den Medline-Journals, die hier mit 3,0 wiederum abgewertet wurden. Hier zeigt sich wohl die enttäuschte Erwartungshaltung der Nutzer: „Gerade der Titel, den ich brauchte, ist nicht in dem Paket vorhanden.“

Bei der Frage "Welche Anwendungen sollte die Bibliothek anbieten?" (Abbildung 5 [Abb. 5]) wurden die Antworten der Ovid-Nutzer und der PDA-Ausleiher gepoolt (n=131). Mit Abstand am meisten gewünscht wurde der Pschyrembel Klinisches Wörterbuch (95%), gefolgt von der Roten Liste (89%). Der Herold–Innere Medizin und die Differentialdiagnose-Software DDInnere kamen auf je 75 Wunschprozente, Arzneimittelwechselwirkungen und Laborwerte auf 66% bzw. 64%. Die Medline-Suche bzw. die Inhaltsverzeichnisse von Medline-Zeitschriften wurden von 65% bzw. 59% verlangt. Die ICD-10 und Handbücher zur Inneren Medizin kamen auf ansehnliche 60% bzw. 52%, während die weiteren Anwendungen mit 44% (eBooks), 40% (OPS-301) und 25% (Gelbe Liste) mehr oder weniger deutlich abfielen.

Die freien Kommentare im Fragebogen bestätigten im Wesentlichen die Projektidee und gaben auch schon die Richtung vor, in der sich dieser Service weiterentwickeln sollte:

  • Ausleihe als Test, ob PDAs in den Arbeitsalltag integrierbar sind, ist sehr sinnvoll. Für regelmäßige Nutzung ist aber ein eigenes Gerät besser.
  • Die Ausleihe eines PDAs zum Kennenlernen ist sehr wertvoll und sollte weiter ermöglicht werden. Wenn die ZBMed dann auch noch med. Anwendungen für die User zur Verfügung stellen kann, die einen eigenen PDA haben, ist das super!
  • Dieses Projekt ist eine ausgezeichnete Idee.
  • Ich halte den PDA wegen der beschränkten Übersicht für eine Kurzinfomöglichkeit bis Spielerei; die Anschaffung sollte in der Verantwortung des Einzelnen liegen; Anwendungen kann die Bibliothek zur Verfügung stellen.
  • Wenn die Software besser wird und ein Wechselakku zur Verfügung steht, denke ich konkret über eine Anschaffung nach. Danke für die Möglichkeit der Ausleihe
  • Wer mit dem Gedanken spielt, einen PDA zu nutzen, dem wird mit dem Ausleihangebot zunächst Gelegenheit zum Testen gegeben. Auf Dauer muss er sich dann aber sowieso selber einen kaufen. Dann wäre es sehr schön, von der Bibliothek die Anwendungen zu bekommen

Unsere 'neu entdeckte' Nutzerklientel besaß mittlerweile eigene Geräte und so wurde der Ausleihservice nach der Einführungsphase 2004 immer seltener in Anspruch genommen und lief 2006 still und leise aus (Abbildung 6 [Abb. 6]).


Phase 2 des PDA-Projektes

Nach der Auswertung der obigen Studie startete im August 2005 der zweite Teil des Projekts "Die Mobile Bibliothek". Diese Phase zeichnete sich durch drei grundlegende Änderungen aus:

1.
Ausleihe. Das Hauptaugenmerk sollte nicht mehr auf der Ausleihe von PDAs liegen, sondern auf der Weitergabe der Lizenzen an die Nutzer. Diese sollten sich die Anwendungen auf ihren eigenen PDAs installieren können. Die Bibliothek sollte PDA-Anwendern eine Grundausstattung von allgemeinen medizinischen PDA-Anwendungen anbieten.
2.
Geschäftsgang. Durch das neue Modell musste auch der Geschäftsgang umgestellt werden. In der Folge wurde eine Benutzerverwaltung mit individueller Betreuung und Lizenzschlüsselvergabe aufgebaut.
3.
Lizenzen. Statt mit dem einzigen Anbieter von echten Campuslizenz zu verhandeln, wurde eine Vielzahl von Anbietern ins Boot geholt, um das Angebot entsprechend den Nutzerwünschen zu erweitern.

Geschäftsgang

Abbildung 7 [Abb. 7] zeigt die Arbeitsschritte, die notwendig sind, um Lizenzen zu verwalten und zu vergeben. Alle Nutzeranfragen kommen als Email zum Sachbearbeiter, der als erstes den Nutzer über seine Emailadresse authentifiziert. Wenn die Adresse nicht aus der Universität Münster kommt, wird ein Standardtext zurückgeschickt mit der Aufforderung, die Anfrage von einer gültigen Uni-Münster-Adresse aus erneut einzureichen. Ist die Emailadresse korrekt, wird der Nutzer mit seinen persönlichen Daten (Name, Vorname, Titel, Geschlecht, PDA-Betriebssystem) in die Nutzertabelle der Benutzerverwaltung (Excel-Tabelle) eingetragen. Wenn noch Lizenzen vorhanden sind, wird in dem entsprechenden Lizenztabellenblatt der Nutzername mit Datum eingetragen – damit ist die Lizenz als verbraucht gekennzeichnet. Viceversa wird in der Nutzertabelle das lizenzierte Produkt eingetragen. Die Lizenzschlüssel werden in die Emailantwort an den Nutzer hineinkopiert. Die intensive Benutzung von Textbausteinen sorgt für das einfache Ausstaffieren der Antwortmail mit genauen Installationsanleitungen und Copyright-Vermerken. Die Anfrage-Email wird nun noch in den entsprechenden Email-Ordner kopiert (sicher ist sicher) – der Vorgang ist damit abgeschlossen.

Lizenzen

Zunächst jedoch mussten die Software-Hersteller erst einmal von den Vorteilen dieses Projektes überzeugt, Lizenzmodelle ausgearbeitet und Preise verhandelt werden. Dies war sehr aufwändig und mühsam, da kein Vorgängermodell existierte, an dem man sich hätte orientieren können. Manchmal waren die Türen der Anbieter offen, öfters herrschte Unverständnis und schlechte Konditionen. Je nachdem wie offen die Türe war, konnte die Bibliothek als Großkunde bzw. Zwischenhändler Einsparungen von 10% bis 80% gegenüber dem Listenpreis erzielen.

Die in [2] beschriebene Marktsituation ist weiterhin der Status Quo und alles andere als einfach: Verhandlungen sind schwierig, weil Anbieter nur den Arzt oder den Studenten als Einzelanwender im Hinterkopf haben. Es stehen keine adäquaten Geschäftsmodelle, wie z.B. Campuslizenzen, zur Verfügung. Rabatte müssen einzeln ausgehandelt werden und sind trotzdem oft zu gering, als dass sich ein Angebot durch die Bibliothek, das ja auch immer mit einem erheblichen Betreuungsaufwand verbunden ist, lohnen würde. Durchaus interessante und begehrte Produkte wie die von Springer oder Mediheld können so nicht angeboten werden. Andere sind schlichtweg zu kostspielig, so dass auf weniger attraktive Konkurrenzprodukte umgesattelt werden muss [3], oder die Kontaktaufnahme wird verweigert [4]. Im Verlauf der Projektphase II wurden folgenden Kriterien für die Erwerbungspolitik der Bibliothek ausgearbeitet:

  • Grundlegende Anwendungen mit flächendeckendem Nutzen (fachspezifische Titel sollen sich die Nutzer selber kaufen)
  • Titel nicht überpreisig
  • Rabatt mindestens 25% oder größer (gegenüber einer Einzellizenz)
  • Kein außerordentlicher Aufwand für Betreuung und Freischaltung

Sukzessive – beginnend mit der Roten Liste im April 2004 und endend mit dem Pschyrembel im August 2005 – konnten Lizenzen für die folgenden neun PDA-Produkte erworben werden (Tabelle 2 [Tab. 2]). Diese wurden von der ZB Med nach der Regel „first come – first serve“ dem Kreis der Berechtigten kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Methode

Nach Komplettierung des Angebotspakets im August 2005 wurde eine Werbebroschüre (Anhang 4 [Anh. 4]) erstellt und allen 65 Instituten und Kliniken der Fakultät zugeschickt. Acht Monate später – im April 2006 – wurde eine detaillierte Evaluation per Web-Fragebogen (bei surveymonkey.com, Anhang 5 [Anh. 5]) mit 34 Fragen durchgeführt. Die Aufforderung zur Teilnahme wurde 186 PDA-Anwendern der Phase II zugeschickt. Zur Personalisierung der Einladungen wurde das Mailingprogramm CK Personal Mailer (http://www.ck-software.de) benutzt.

Resultate

Von den 186 Angeschriebenen beantworteten 116 den Fragebogen. Der gute Rücklauf von 62% ist wahrscheinlich sowohl auf die individuelle Ansprache als auch auf die Auslobung von Preisen zurückzuführen. 48% der Antwortenden waren Ärzte/innen am UKM, 31% Medizinstudenten und nur 12% Wissenschaftler der Fakultät. Fünf Nicht-Wissenschaftler antworteten, darunter drei Krankenpflegekräfte, ein IT-ler und eine Physiotherapie-Lehrkraft. Die Verteilung nach Geschlechtern war ziemlich einseitig: 83% waren männlich und nur 17% weiblich – Technophilie und Spieltrieb lassen grüßen.

49% waren über die Homepage der ZB Med auf das PDA-Angebot aufmerksam geworden. Ein direkter Link an hervorgehobener Stelle auf der Homepage scheint sich also bewährt zu haben. 23% erfuhren über den wöchentlichen Newsletter der Bibliothek und ebenso viele über ihre Kollegen von diesem besonderen Service. (Dollfuß findet ähnliche Werte für Homepage: 47% und Newsletter 17%, Kollegen machen bei ihm mit 44% doppelt so viele Nennungen aus [5], Seite 72).

63% geben an, einen PocketPC zu besitzen, 35% einen Palm, nur zwölf haben ein Smartphone (10%). Mehrfachnennungen waren hier möglich, so gaben einige Nutzer an, zwei PDAs zu besitzen, um das komplette Angebot nutzen zu können (DDInnere war nur für Palm und ifap index nur für PocketPC verfügbar). Gegenüber der ersten Umfrage zwei Jahre zuvor waren die Palm-Nutzer mit nur einem Drittel bereits deutlich ins Hintertreffen geraten. Dollfuß findet auch nur ca. 30% Palm-Nutzer ([5], Seite 71). Bis 2008 hat sich dieser Trend weiter verstärkt.

Erstaunliche 31% haben sich einen PDA nur deswegen gekauft, um die Angebote der Bibliothek nutzen zu können (Dollfuß 15–21% ([5], Seite 72). Davon hatten allerdings lediglich zwei nach ihrer eigenen Aussagen die Möglichkeit wahrgenommen, zuvor einen PDA bei der Bibliothek zu testen. Die Appetizer-Funktion der PDA-Ausleihe scheint also doch nicht so groß gewesen zu sein wie vermutet. 10% berichteten in den freien Kommentaren genauer über ihre Gründe für einen PDA-Kauf: Während eine Hälfte ihn dienstlich, für den Stationsalltag, für das Herunterladen von Routinen und Verfahrensanweisungen ihrer Klinik, benutzen wollte, betonte die andere Hälfte den Nutzeffekt der Adressen-, Termin- und Aufgaben-Verwaltung.

59% konnten tatsächlich mit ihrem PDA im Internet surfen, sei es über WLAN, UMTS oder GRPS. Solche hochmodernen Geräte waren natürlich den internetlosen Ausleih-PDAs der Bibliothek bei weitem vorzuziehen und mögen das nachlassende Interesse an diesen erklären. Dumm ist in diesem Zusammenhang nur, dass die Uniklinik keinen WLAN zur Verfügung stellt. Patienten sind mit Telekom-Hotspots besser versorgt als Ärzte.

88% der Antwortenden waren zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit diesem Angebot, 11% waren unentschieden und lediglich ein einziger unzufrieden. Auf einer Skala von 1–5 wäre dies gleichbedeutend mit einer Note von 1,87 – immer noch sehr gut, aber deutlich schlechter als die Zufriedenheit der PDA-Ausleiher (1,41). War dies ein statistischer Ausreißer oder war die Anspruchshaltung mittlerweile gestiegen? Nein, ich denke, die Ausleiher waren zufriedener, weil sie sich nicht mit Installationsproblemen rumschlagen mussten.

58% attestierten dem PDA-Angebot in der bisherigen Form eine gute Struktur und Abdeckung. 90% stimmten für einen weiteren Ausbau des Angebotsspektrums, das zwar keine großen Lücken besitzen würde (dies meinten nur 12%), aber bei den fachspezifischen Anwendungen noch ausbaufähig sei (36%). Dies ist allerdings – wie immer – eine Frage der finanziellen Mittel, aber auch des Angebots, das in einzelnen Fachgebieten (Ausnahme: Innere und Notfall-Medizin) immer noch sehr dünn gesät ist – zumindest wenn’s auf Deutsch sein soll.

Wenn es um die Finanzen ging, war die PDA-Klientel sehr zurückhaltend. Auf die Frage „Wenn diese PDA-Anwendungen nur kostenpflichtig verfügbar wären, wie viel wären Sie bereit pro Anwendung zu bezahlen?“ würden drei von vier (77%) maximal 19 Euro pro Anwendung ausgeben, 87% würden sich nur fünf Anwendungen leisten. Auch bei Dollfuß’ Studie würden 70% maximal 19 Euro ausgeben ([5], Seite 80). An den beiden Extrempunkten des Finanzspektrums finden sich jeweils 6%, die gar nichts bzw. mehr als 40 Euro pro Anwendung ausgeben würden. Ebenfalls 6% würde sich keine oder nur eine Anwendung kaufen bzw. – am anderen Ende – sechs oder mehr. Durchschnittlich würden 39 Euro ausgegeben. Jeder vierzehnte Nutzer würde überhaupt nichts ausgeben, jeder sechzehnte 130 Euro oder mehr. In diese Schere springt das Angebot der Bibliothek und fördert die Nutzung dieser für die Krankenversorgung überaus nützlichen Hilfsmittel durch Beseitigung der finanziellen Hemmschwellen.

Zum Zeitpunkt der Umfrage hatte die ZB Med 570 Lizenzen für elektronische Bücher, Arzneimittelverzeichnisse, Literaturprogramme oder Laborwertelisten an ihre Nutzer verteilt. Auf die Frage nach den beliebtesten Anwendungen (egal ob im Bibliotheks-Angebot oder nicht) „Welche der folgenden Anwendungen nutzen Sie zur Zeit oder würden Sie gerne nutzen wollen?“ (Abbildung 8 [Abb. 8]) waren die Top Five allesamt Produkte, welche die ZB Med im Angebot hatte: Die Rote Liste (84%), der Herold – Innere Medizin (76%), der Pschyrembel (75%), das Arzneimittel pocket (67%) und das PDA-Telefonbuch des UKM (63%), das die Bibliothek selbst herstellt hatte. Am Ende folgten abgeschlagen Medline-Suche und -Journals sowie der ifap index, RSS-Feeds kannte damals noch keiner. Dollfuß weist richtig darauf hin ([5], Seite 73), dass der Pschyrembel fast ausschließlich bei Studenten beliebt ist, dagegen weniger bei Ärzten. Dass in unserer Projektphase II Studenten den Pschyrembel nicht installieren durften, dürfte die Zustimmung zu diesem Produkt deshalb auch erniedrigt haben.

Welche der angeführten Anwendungen fehlten im Angebot der Bibliothek? Hier wurden am häufigsten (auf Platz 6 und 7) Laborwerte (61%), Leitlinien (59%) oder Dolmetscherprogramme (44%, Platz 14) genannt.

Auf die Frage „Welche (medizinischen) Anwendungen haben Sie auf Ihrem PDA installiert, die nicht von der Bibliothek waren?“ Hier wurde wiederum – wie in der ersten Umfrage 2004 – ePocrates als häufigstes Programm genannt (10), gefolgt von MedCalc (7), Archimedes (3), LyteMeister (2), MedMath (2), Wikipedia (2) und Wiser (2). Alle anderen Programme wurden nur jeweils einmal genannt:

5 min clinical consult, 5 min emergency medicine consult, AlternatDex, Avant Go, bnf, Bookstein's Medical Student Pocket Reference, Diagnosaurus, Drug Dex, Drug Reax, Drugs in preg. and lactation, eMedic, eRenal, Formelsammlungen, Gelbe Liste, Growth-BP, Handbase Datenbank, Handnotes, Harrison Manual of Medicine, Hopkins Antibiotix Guide, IA Presenter, Impfprogramm (Shots 2006), MD Visit, Merck Manual, Multipad, M-W 3rd Unabridged Dictionary, Netter Atlas, PalmEKG, Partin tables (Prostata-Ca), Pocket informant, Prognose Algorithmus Nieren-Ca, PubMed on Palm, Sanford guide Antibiotics, Skyscape diverse, spb pocket plus, Telefonbuch, Thieme Lexikon Arzneimittel, TNM Staging, Med. Handlungsanweisungen (Doc), Wörterbuch.

Fragte man ganz generell nach der Wichtigkeit bestimmter Anwendungsgruppen, standen „Arzneimittelinformationen und Pharmakopöen“ mit einem Wert von 1,37 ganz oben auf der Liste (Abbildung 9 [Abb. 9]). Das Ergebnis wurde wieder in Form von Schulnoten dargestellt (1–5, 1 = sehr wichtig, 5 = sehr unwichtig). 92% aller Antwortenden fanden diese Ressourcen wichtig oder sehr wichtig. An zweiter Stelle – aber sehr nahe verwandt von der Klasse her – folgten die Arzneimittelwechselwirkungen mit 1,71. Neben diesen beiden Gruppen fielen alle anderen deutlich ab: Der dritte Platz wurde von Handbüchern zur inneren Medizin belegt (2,08). 73% hielten dies für wichtig bzw. sehr wichtig, aber nur noch 27% für sehr wichtig. Auf den Plätzen folgten Laborwerte, Therapiehilfen, Enzyklopädien, Diagnosehilfen, Wörter- und Onlinebücher. Zugang zu Zeitschriftenliteratur (PubMed, subito, Impact Faktoren) und Buchkataloge landeten abgeschlagen auf den letzten Plätzen.

Interessant ist das Resultat bei den „Fragen und Auskünften per PDA“: Genau die Hälfte waren dafür bzw. sehr dafür, aber immerhin 31% sind unentschieden. Sie fragten sich wahrscheinlich: Welche Fragen könnte mir die Bibliothek beantworten? Wie soll das genau aussehen? Und damit hätten sie sogar Recht, denn zur Zeit der Umfrage gab es noch kein überzeugendes Konzept auf dem Markt.

Kommen wir zur Häufigkeit, mit der diese Produkte benutzt wurden. Wir wissen aus dem obigen zwar ziemlich genau über die Informationsbedürfnisse Bescheid, aber wenig über die tatsächliche Nutzungsfrequenz und die Zufriedenheit mit den Anwendungen.

Die entsprechende Frage zeigt, dass sowohl bei der Häufigkeit der Installation als auch der Frequenz der Nutzung vier Anwendungen unangefochten an der Spitze stehen (Abbildung 10 [Abb. 10]): Die Rote Liste wurde von 78% der Klientel installiert und von diesen mit 84% auch überproportional häufig genutzt (täglich oder mehrmals in der Woche). Das Arzneimittel pocket wurde zwar nur von 44% installiert, von diesen aber mit 80% fast genauso intensiv wie die Rote Liste benutzt. Auf Platz drei folgt der Herold, der von 63% installiert wurde. Von diesen benutzten ihn knapp zwei Drittel auch intensiv. DDInnere als Handbuch und Diagnosehilfe der Inneren Medizin kann mit einer Installationsquote von 35% zwar nicht mithalten, wird aber – einmal installiert – von 62% intensiv genutzt. Dies ist wahrscheinlich eine Auswirkung der schwierigen Installationsprozedur, die sich mit dem Übergang auf eine Mobipocket-Version in 2007 allerdings deutlich verbessert hat. Der Pschyrembel wird mit 52% zwar häufiger installiert, aber weniger häufig täglich bzw. mehrmals wöchentlich aufgerufen als die obigen Programme (52%). Anwendungen wie ICD-10, die Gelbe Liste, ifap index, Zeitschrifteninhalte und Medline-Suche rangieren mit Installationsquoten von 9–27% und Nutzungsquoten von 30–50% weit hinter diesen Vorzeigeprodukten. Manchmal möchte man den PDA-Anbietern nur laut zurufen: Macht doch endlich eure Software leichter installierbar! Nur allzu oft erschweren schlecht verständliche Installationswege, welche die Benutzbarkeit auf dem Altar des Kopierschutzes opfern, den Weg guter Programme in die Hände der wissensdurstigen Anwender.

Steigerung der Marktdurchdringung

Wie man wirklich eine Win-Win-Situation schafft und sowohl dem Anwender als auch dem Hersteller dient, zeigt folgende Gegenüberstellung: Hier wurde die Verbreitung der PDA-Produkte vor und nach Projektbeginn ausgewertet (Abbildung 11 [Abb. 11]). Diese Darstellung zeigt deutlich, dass durch das Bibliotheksangebot die Marktdurchdringung und die Nutzung der einzelnen Anwendungen zum Teil erheblich gesteigert werden konnte. Die Rote Liste wurde vor dem PDA-Projekt von lediglich 8% der PDA-Besitzer benutzt, nach dem Projekt dagegen von 77%. Dies entspricht einer Steigerung um das 8,4-fache. DDInnere 19mal häufiger installiert, Ifap index 8mal häufiger, ICD-10 6mal häufiger. Der Herold weist eine Erhöhung der Marktdurchdringung von Null auf 63% auf, Pschyrembel eine von Null auf 52%. Und so geht es weiter: Gelbe Liste plus 26%, Medline-Suche und Zeitschriften plus 9%, resp. 11%. Durch die Einschaltung der Bibliothek als zentraler Lizenzierungs- und Verteilungsstelle steigt die Marktdurchdringung dieser Produkte auf dem Campus geradezu explosionsartig an: Ein gutes Argument bei der Verhandlung mit Anbietern.

Das Arzneimittel pocket ist das einzige Produkt, das dieser „helfenden Hand“ nicht bedurfte: Es war mit 37,7% schon vor Einstieg der Bibliothek nahezu optimal verbreitet, die Campuslizenz konnte diese Marktdurchdringung lediglich um 6,5% auf 44,2% steigern. Der Grund dafür liegt wohl in dem – unter allen angebotenen Produkten – besten Preis/Leistungsverhältnis.

Die Studie beweist damit, dass zentral vergebene Lizenzen die Verbreitung und den Durchdringungsgrad von PDA-Anwendungen in einer Universitätsklinik deutlich erhöhen können. Das zentrale Management und die kostenfreie Vergabe von Software-Lizenzen führt letztendlich zu einer Win-Win-Situation: Auf der Seite der Benutzer gibt es eine bessere Informationsversorgung, auf der Seite der Anbieter einen höheren Profit.

Zufriedenheit

Die sechs wichtigsten und meistbenutzten Produkte des PDA-Projekts wurden im Folgenden einmal genauer unter die Lupe genommen. Konkret wurde die Frage gestellt: „Wie zufrieden waren Sie mit den sechs Anwendungen in Bezug auf die folgenden Parameter?“

  • Installation und Stabilität
  • Schnelligkeit und Handhabung
  • Vollständigkeit und Inhalte

Das Ergebnis wurde wieder in Form eines Schulnotendurchschnitts dargestellt (1–5, 1 = sehr zufrieden, 5 = sehr unzufrieden). Die sechs Produkte sind in Abbildung 12 [Abb. 12] nach dem Grad der insgesamten Nutzerzufriedenheit aufgeführt.

Aus der Gegenüberstellung der einzelnen Zufriedenheiten (hellgelb, gelb, orange) mit der Gesamtzufriedenheit (rot) kann sehr leicht auf Schwachpunkte der einzelnen Produkte geschlossen werden.

Bei DDInnere war dies – wie schon vermutet – die umständliche Installationsprozedur mit der notwendigen Nach-Installation einer Sicherheitsdatei, die dem Nutzer auf Antrag vom Hersteller zugeschickt werden musste. Dies führte wohl auch zur Abwertung des gesamten Produkts, denn die Schnelligkeit der Anwendung und die Vollständigkeit der Informationen wurden mit ca. 2,0 ganz gut bewertet. Trotzdem stellen diese an und für sich guten Noten die jeweils zweitschlechtesten aller sechs Produkte dar.

Bei Medline hingegen scheint es doch keine Installationsprobleme zu geben wie vermutet, sondern eher einen Ärger über die Unvollständigkeit – aus den freiwilligen Kommentaren ist zu hören, dass hier sowohl die fehlenden Zeitschriftentitel als auch die fehlenden Volltexte bemängelt wurden. Mit anderen Worten: Die Erwartungshaltung war zu groß. Die Medline-Daten sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, da nur wenige dieses Produkt überhaupt installierten. In einer späteren Frage nach der Zufriedenheit wurden Medline-Suche und Medline-Journals differenziert. Dort zeigte sich ein höherer Verdruss mit der Suche anstatt mit den Journals.

Beim Herold wurde insbesondere die Schnelligkeit und Handhabung angemeckert: Dieses Produkt wurde ohne einen Index oder eine Suchmöglichkeit angeboten, was den Nutzern wohl sauer aufstieß. Erstaunlich, dass die Installation mit 2,1 eine schlechtere Note bekam als die des Arzneimittel pockets, obwohl es sich in beiden Fällen um Mobipocket-Produkte mit identischen Installationsroutinen handelte.

Das Arzneimittel pocket erhielt – abgesehen von der Vollständigkeit – sehr gute Bewertungen. Es ist nicht so umfangreich wie z.B. die Rote Liste, da es eine Arzneimittelauswahl enthält. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir uns hier schon in wahrhaft ‚gehobenen’ Regionen befinden. Keine Wertung des AP war schlechter als 1,95, die Gesamtzufriedenheit betrug grandiose 1,74 und wurde im folgenden nur von der Roten Liste (1,69) und dem Pschyrembel (1,64) übertroffen.

Die Rote Liste hingegen zeigte ein sehr ausgeglichenes Zufriedenheitsbild – ein Zeichen für ein gutes und ausgereiftes Produkt. Der Pschyrembel schließt sich nahtlos an: Auch dieser ist eine gut durchdachte, schnelle Anwendung mit einfacher Installation und exzellentem Inhalt.

Insgesamt zeigten die letzten drei Produkte (und mit Einschränkungen auch der Herold ab der verbesserten Version 2006) exemplarisch, wie eine erfolgreiche PDA-Anwendung aufgebaut sein muss, welche Installationswege, Interfaces und Inhalte vom Markt honoriert werden.

Bei der Frage nach der Zufriedenheit mit den einzelnen Produkten bestand die Möglichkeit, freie Kommentare anzufügen. 29 Antwortende machten von dieser Möglichkeit Gebrauch:

  • DD Innere: DDInnere läuft nicht auf meinem neuen WinMDA (das Programm wurde zwar installiert, lief jedoch nicht, da 'Software zu neu') / Leider läuft DDInnere nicht auf dem neuesten Windows Betriebssystem für PDAs (5.0) / DDInnere war unmöglich zu installieren, der Viewer lief nicht auf meinem PDA (Acer n50) – sehr unübersichtliche Installation / Das DDInnere hat absolut nicht funktioniert und war sehr verbuggt.
  • Gelbe Liste: Die Gelbe Liste und mit ihr verbundene Programme machen das System trotz mehrfacher Neuinstallationen und Rückfragen und Veränderungen instabil! / Die Installation der Gelben Liste war sehr problematisch, und das Programm lief nicht richtig – der Hersteller Support ist eine einzige Katastrophe!
  • Herold: Meine Erfahrungen mit dem Herold – Innere Medizin beziehen sich auf die 2005er Version. Die von 2006 ist, soweit mir bekannt, nutzerfreundlicher.
  • ICD-10: ICD-10 für Palm nur unkomfortabel nutzbar / Vor allem ICD-10 finde ich sehr unübersichtlich / ICD-10: Wäre es möglich, hier Gruppen auf einzelnen 'Blättern' wie in der OP-Doku zu erstellen, welche sich auf das jeweilige Fachgebiet beziehen?
  • ifap index: ifap index Pocket lässt sich in manchen Pocket PC nicht installieren.
  • Rote Liste: Preise fehlen in der roten Liste (deutlicher Nachteil, sonst gutes Produkt!) / Insgesamt lässt sich sagen, dass Programme wie die Rote Liste unschlagbar sein werden weil die Verarbeitungsqualität und die Bedienfreundlichkeit (wegen schnelle Handhabung) hervorragend ist, auch die Graphik spielt eine große Rolle, wenn diese Dinge passen arbeitet man gerne, sonst können sie auch behindern, wenn man zu viel Zeit bei der Anwendung verliert / Rote Liste nicht aktuell genug. Derzeit klappt nicht einmal der Rote Liste Zugriff vom Festnetzrechner, also ist auch das Vertrauen gering, wirklich funktionierende Systeme zu bekommen. / Rote Liste stürzt (auf meinem Acer n50 Premium) häufig bei der Präparatesuche an der selben Stelle ab / Mit der Roten Liste ist mein PDA mehrfach abgestürzt.
  • Allgemeines: Der Aufwand der Installation etc. hat verhindert, dass ich das Angebot nutze / Die Möglichkeit zur Installationshilfe in der ZB Med wäre großartig (im Sinne eines Installationsservices), denn zuhause allein vorm Computer 'krieg ich's nicht hin' und würde es doch so dringend nutzen wollen! / Erweiterungen zu Thema Intensivmedizin: Das UKM hat die Kapazitäten im ICU-Bereich erheblich ausgebaut, es arbeiten mehr Ärzte im Bereich ICU-IMC damit auch Repräsentanz diese Bereichen im Angebot nötig! / Die auf Mobipocket basierende Anwendungen, sind sehr schwierig, teilweise gar nicht zu installieren. Ich weiß, dass mehrere meiner Kollegen, ebenfalls diese Probleme haben / Man sollte das Angebot auf jeden Fall erweitern.

Gesamtzufriedenheit

Bei der Frage nach der Gesamtzufriedenheit wurden neben den obigen sechs Kernprodukten weitere drei in die Auswertung mit einbezogen und Medline wurde in Medline-Suche und Medline-Journals differenziert (Abbildung 13 [Abb. 13]). Die Zufriedenheits-Reihenfolge der Top-Produkte ist identisch mit derjenigen von Abbildung 12. Das gute Abschneiden der Medline-Journals, die sich selbst vor den Herold setzen, überrascht. Selbst der ifap index hält hier mit. ICD-10 und Gelbe Liste schneiden jedoch enttäuschend ab und landen mit der Medline-Suche im hinteren Drittel. Was zeichnet diese drei Verlierer aus, was verbindet sie? Sie werden offensichtlich nicht so dringend benötigt wie die anderen Anwendungen oder stellen die Nutzer anderweitig nicht zufrieden.

Vergleich zum Buch

Eine der spannendsten Fragen – vielleicht nicht für Mediziner, aber für Bibliothekare – ist der direkte Vergleich der Medienformen: Was ist besser, der Pschyrembel als Buch oder der Pschyrembel auf PDA? Die Frage lautete: „Die folgenden PDA-Anwendungen liegen alle auch als gedrucktes Buch vor. Wie bewerten Sie die PDA-Version im Vergleich zu dem entsprechenden Buch?“ Das Ergebnis wurde wieder in Form eines Schulnotendurchschnitts dargestellt (1–5, 1 = sehr viel besser, 5 = sehr viel schlechter). Immerhin 111 Personen beantworteten diese Frage, nur 5 nutzten die Möglichkeit, diese zu überspringen. Am besten schneidet die Rote Liste ab (Abbildung 14 [Abb. 14]): 83% fanden die PDA-Version besser oder sehr viel besser als das gedruckte Buch, nur 4% fanden das Buch besser. Mit großem Abstand folgten die übrigen – auch als Buch verfügbaren – Produkte, allen voran das Arzneimittel pocket. Hier bevorzugten 58% die PDA-Version und wiederum nur 4% nahmen lieber das Buch zur Hand. Allerdings fand mehr als jeder Dritte (38%) beides gleich gut – ein interessantes Ergebnis, das in dieser Größe kein anderes Produkt aufwies. Auch der Pschyrembel auf PDA schlägt das Buch mit 53% zu 20% recht deutlich, während die PDA-Version von DDInnere (46% zu 29%) und die Gelbe Liste (38% zu 29%) schon mehr zu kämpfen hatten.

Der Herold ist das einzige PDA-Produkt, das – obwohl gut benutzt und gut beleumundet – gegenüber dem Buch sang- und klanglos untergeht (17% zu 46%). Dies ist wohl die Quittung für die von vielen als lieblos angesehene 1:1-Umsetzung des gedruckten Herold auf den PDA (mittlerweile dürfte sich das Ergebnis zugunsten des PDA verschoben haben, da ab Ausgabe 2006 eine Indexsuche und eine Navigationsleiste hinzugefügt wurden).

Diese Beobachtung wurde durch einige Nutzerkommentare unterstützt wie z.B. den folgenden: „Für mich ist schnell (in Lexika und Wörterbüchern) nachzuschlagendes Wissen wichtiger als Lehrbücher wie Herold auf den PDA – im Buch ist es doch viel angenehmer zu lesen!“

Verbesserungen: Studium und Arbeit

Die beiden nächsten Fragen zielten auf das Herz des PDA-Projekts: Inwieweit hat die Zurverfügungstellung dieser Ressourcen wirklich zu einer Verbesserung von Studium und Arbeit geführt? Oder handelte es sich bei dem starken Nutzerbedarf lediglich um die Steigerung des Nutzungskomforts oder des Spaßfaktors? (Abbildung 15 [Abb. 15]).

Die genaue Frage lautete: „Inwieweit können Sie den folgenden Aussagen zustimmen?“, und im weiteren wurden sechs Bereiche wie Diagnose, Therapie etc. aufgeführt. Die Antwortenden konnten den Grad ihrer Zustimmung auf einer Skala von 1–5 (1 = stimmt genau; 5 = stimmt gar nicht) angeben.

Über 92% der Antwortenden priesen ein insgesamt effektiveres Arbeiten und 79% meinten, dass die Benutzung der PDA-Anwendungen Ihnen einen Wissensvorsprung verschaffen würde. Ab Platz 3 folgen klinische Vorteile: 78% konstatierten eine bessere Medikamentendosierung durch Benutzung der PDA-Datenbanken, 68% konnten ihre Therapieempfehlungen verbessern und 53% kamen dadurch zu einer schnellen und treffenden Diagnose. Selbst bei Prüfungsvorbereitungen, die bisher die Domäne der gedruckten Medien gewesen waren, konnte der PDA helfen und Boden gut machen (48%).

Verbesserungen: Produkte

Die genaue Frage lautete jeweils: „Inwieweit können Sie den folgenden Aussagen zustimmen?“, im weiteren wurden acht Aussagen über bestimmte Produkte und deren genauen „Wirkungen“ auf den studentischen oder klinischen Alltag aufgeführt (Abbildung 16 [Abb. 16]).

Die Aussage „Die Rote Liste auf PDA hat mir geholfen, das richtige Medikament zu finden“ wurde von 85% mit ‚stimmt’ oder ‚stimmt genau’ bewertet und landete damit wiederum auf Platz 1 der zur Auswahl stehenden Aussagen. Mit weiten Abstand folgte die Aussage „Die Arzneimittelverzeichnisse haben mir geholfen, Wechselwirkungen zu erkennen“ (72%) und die eher weichen Aussagen „Der Pschyrembel brachte mir einen Informationsvorsprung“ (70%) bzw. „Die Anwendungen haben mir beim Lernen geholfen“ (66%). „Der Herold hat sich im klinischen Alltag bewährt“ konnten 58% zustimmen und fast die Hälfte (45%) gab an, dass die Rote Liste auf PDA sie vor Verschreibungsfehlern bewahrt hatte. Die beiden Positiv-Aussagen zu DDInnere landeten auf den letzten Plätzen: Dieses Produkt half mehr als jedem Dritten (39%) die richtige Therapie bzw. die richtige Diagnose (35%) zu finden.

Verbesserungen: Konkrete Beispiele

Die Frage „Nennen Sie ein bis zwei konkrete Beispiele dafür, wie Ihnen eine bestimmte PDA-Anwendung geholfen hat“ löste eine Fülle von Kommentaren aus. 95% bezogen sich auf Anwendungen der Bibliothek, die im folgenden nach Anzahl der Nennungen aufgeführt werden. Obwohl man sich das schon gedacht und deshalb ja auch diesen Service eingeführt hatte, ist es doch immer wieder befriedigend bis überraschend zu lesen, wie sehr dies den Nutzern konkret in ihrem Studien- und Arbeitsalltag geholfen hatte. Es bewahrheitet sich die Erfahrung früherer Studien, dass Quick-Reference-Werke auf dem PDA sehr erfolgreich sein können: Im medizinischen Setting sind exemplarisch Arzneimittelverzeichnisse als erfolgreichste Ressource zu nennen. Sie bestimmen damit auch über den Erfolg eines bibliothekarischen PDA-Angebots.

  • Rote Liste
    • Im Nachtdienst erspart man sich das ständige Blättern in der roten Liste und ist unabhängig von stationären PCs
    • Im Pol und im Chirurgieseminar, bzw. im Innere Praktikum auf Station konnte man schneller die passenden Medikamente raussuchen, als dies mit der Roten Liste als Buch möglich gewesen wäre.
    • Rote Liste gut geeignet um Wirkstoff und Nebenwirkungen nachzuschlagen, außerdem schön leicht.
    • Narkosevorbereitung – Rote Liste
    • Rote Liste bei der Visite
    • Die Rote Liste ist äußerst hilfreich um schnell die Dosierung und Gegenanzeigen von Arzneimitteln zu ermitteln. Außerdem bekommt man einen kleinen Überblick über evtl. vorhandene, alternative Darreichungsformen (Tabletten, Lösung, Infusion,...) der Wirkstoffe.
    • Die Rote Liste ist immer in meiner Tasche, schnellstens zur Verfügung, langes Suchen nach einem Computer oder Buch und langwieriges starten bzw. suchen überflüssig. Ich trage mehr Infos in meiner Tasche mit mir herum als andere. Das ermöglich einen schnelleren Zugriff auf Informationen, schnelleres Arbeiten.
    • Rasche Dosierungsermittlung weniger gebräuchlicher Medikamente. Hilfe bei der Aufklärung von Patienten über Nebenwirkungen.
    • Rote Liste immer dabei, z.B. nachts in der Apotheke, bei Notfällen schnell zur Hand
    • 'Rote Liste in der Kitteltasche': effektiver Zeitgewinn!
    • Rote Liste: Direkte Information der Physiotherapieschüler über Medikamentennebenwirkungen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Patientenbehandlung.
    • Rote Liste: Wirkung von Arzneimitteln, die Patienten bereits verordnet wurden, nachschlagen.
    • Täglich : Rote Liste wg. Dosierungen
    • z.B. rote Liste: Dosierung können überprüft werden, Packungsgrößen erkannt und Preisvergleiche gemacht werden.
    • bei der Visite: Dosierungen schnell in der Roten Liste nachgeschaut.
    • Rote Liste ist bei der Visite immer wieder gut zum Nachschlagen. Spart den Weg ins Stationszimmer und macht die Arbeit so effektiver..
  • Pschyrembel
    • In der Vorlesung lassen sich schnell bestimmte medizinische Begriffe z.B. im Pschyrembel nachschlagen
    • Detailwissen bei chronischen Störungen
    • Bei der Visite: seltene Syndrome aus dem Pschyrembel als Erinnerungshilfe
    • Pschyrembel: Wenn in Diktaten Textstellen ungenau bzw. nicht zu verstehen, kann anhand des Pschyrembels oft trotzdem die Textlücke richtig gefüllt werden, ohne dass es zu Fehlern bzw. zu anschließenden Korrekturen kommt. Wenn Gefäße beschrieben werden, deren Lage mir nicht bekannt ist, habe ich die Möglichkeit, mir anhand des Pschyrembels Informationen über das Gefäße anzulesen. So habe ich dann auch einen Lerneffekt. Nur wenn ich weiß, was ich schreibe, bin ich in der Lage, gut zu arbeiten, d. bedeutet auch, Fehler erkennen.
    • Pschyrembel: Direkte Information der Physiotherapieschüler über in der Kinderklinik eher seltene Krankheitsbilder oder Stadieneinteilungen etc.
    • Als Anästhesist muss ich mit fast allen Fachgebieten vertraut sein – da ich vieles aber nicht kenne, hilft mir auch ein allg. Werk, wie der Pschyrembel.
    • z.B. Pschyrembel: unbekannte Stichworte können schnell nachgeschlagen werden
    • Seltene Erkrankungen und Syndrome können in diesem Zusammenhang im Pschyrembel nachgeschlagen werden. Ein Arbeiten ohne PDA ist für mich nicht mehr vorstellbar.
    • Der Pschyrembel hilft mir bei der Bestimmung seltener Krankheiten
    • Pschyrembel zum Nachschlagen von seltenen Erkrankungen.
  • Herold
    • Herold Anwendung hilft z.B. beim Lesen von Artikeln, wenn man ein seltenes oder kompliziertes internistisches Krankheitsbild nicht genau einordnen kann. Dann einfach kurz nachgeschlagen, und es gibt kein gefährliches 'Halbwissen'.
    • Herold zum schnellen Nachlesen bei kritischer DD und Konsilentscheidung.
    • Nachschlagen von Erkrankungen im Herold – geht schneller als im Buch.
    • Schnelles Auffinden von Differentialdiagnosen und Therapien mittels Herold.
    • Herold in der Notaufnahme
    • Bei der Visite: Therapiekonzept aus dem Herold
    • Der Herold ist prima, um klinische Bezüge bei vorklinischen Themen besser zu verstehen. Z.B. in Biochemie Favismus.
    • Für mich als Studentin ist es praktisch, nicht ständig den Herold mitnehmen zu müssen und trotzdem auf die Schnelle etwas nachsehen zu können.
  • DDInnere
    • Ich hatte nur kurz die Möglichkeit DDInnere zu nutzen und das hat mir beim Notarzteinsatz schon geholfen. Auf der Intensivstation zur Vervollständigung von Differentialdiagnosen
    • Via Stichwort in DDInnere Hintergrundinformationen zu unklarem Fieber
    • DD Innere hat dabei geholfen, die richtige Therapie bei Helicobacter Pylori Infektion zu verordnen
  • Medline
    • Unbound (Zeitschriften): Zeitschriften nach für mich relevanten Artikeln durchschauen
    • Beispiel: Unbound als super schneller Abstract Überblick unschlagbar! Leider fehlen einige wichtige Journals, so v.a. European Journal of Urology, immerhin Klasse 1
  • Arzneimittel pocket
    • Arzneimittel Pocket und Ifap haben mir die Medikamente in der Psychiatrie durch mehrmaliges Nachschlagen näher gebracht. --> gut im Praktikum; gutes Klausurergebnis.
    • Arzneimittel pocket fast täglich, um auch im Gespräch mit Patienten auf Station stante pede korrekt Auskunft über Neben-/Wechselwirkungen zu geben.
  • Gelbe Liste
    • Neben-/Wechselwirkungen von Psychopharmaka via Gelbe Liste
  • ICD-10
    • ICD-10: Diagnoseschlüssel nachschlagen
  • Ifap index
    • Während der Famulatur war der ifap Index sehr hilfreich bei der Ansicht von Medikamentenlisten.
  • nicht zuzuordnen (meist Arzneimittelverzeichnisse)
    • Ich habe ein paar Medikamente in der Vorlesung gesucht und brauchte nur kurz meinen PDA herauszuholen. Natürlich deutlich praktischer als wenn ich mein Pharmabuch mitgenommen hätte. Vor allem platztechnisch eine absolute Topleistung!
    • Kontraindikation von Med. bei Kindern (Antibiose)
    • Medikamentendosierungen direkt am Krankenbett verfügbar
    • Überprüfung der Medikation, wo kein PC oder Buch verfügbar ist. (Am Krankenbett, im OP, im Notarztdienst ...) Und viel schneller. Und viel Handlicher.
    • Im Aufklärungsgespräch (Anästhesie) genannte Medikamente können schnell nachgeschlagen werden.
    • Als Anästhesist benutze ich die Arzneimittelverzeichnisse um am Patientenbett die Gruppenzugehörigkeit zu bestimmen (Beispiel: Ist Norvasc ein Calciumantagonist?) um dann die Therapieentscheidung zu treffen.
    • Anwendungsbeschränkung und Nebenwirkungen, die man nicht bei jedem Medikament immer im Kopf hat!
    • Arzneimittelliste im Notarztdienst: perfekt
    • Bei Visiten am Krankenbett, um Nebenwirkungen herauszusuchen.
    • Therapiealternativen beim therapieresistenten M.Crohn herauszufinden.
    • Beispiel 1: Dopaminperfusor-Dosierung im Notfall (hat man als Urologe nicht so sehr im Kopf!) Beispiel 2: Packungsgrößen bei Rezepten
    • Ein direktes Nachschlagen unbekannter Begriffe während einer Vorlesung ist möglich. Man muss nicht mehr warten, bis man ein Buch zur Hand hat.
    • Einordnung von Medikamenten in entsprechende Substanzklassen bei der Prämedikation
    • Medikamente und unbekannte Erkrankungen können bei der Anamnese deutlich schneller nachgeschlagen / eingeschätzt werden!
    • man hat es auf jedenfalls schneller zur Hand und gelangt schneller zu Informationen als aus Büchern, ist wesentlich mobiler, man braucht den Patientenkontakt nicht zu unterbrechen, ist eher bereit sich die neueste Version anzuschaffen, usw.
    • In der Studentenausbildung können Fragen, z.T. während der Vorlesung, schnell geklärt werden. Auf den PDA können nach entsprechender (momentan selbst zu verrichtender Vorarbeit) alle 'Papiere' des täglichen Klinikalltages übertragen werden, was das Arbeiten deutlich strukturiert und beschleunigt.

Projektzusammenfassung

Das Projekt konnte die auf dem Markt verfügbaren PDA-Anwendungen eindeutig klassifizieren. In einer Gegenüberstellung von Wichtigkeit und Zufriedenheit in einem so genannten Aktionsportfolio ließen sich Hits und Nieten eindeutig identifizieren und voneinander abgrenzen. Im oberen, linken Quadranten fanden sich die Hits (hohe Wichtigkeit und hohe Zufriedenheit), im unteren rechten Quadranten die Nieten (geringe Wichtigkeit und geringe Zufriedenheit). Dabei lassen sich deutliche Unterschiede zwischen dem Portfolio für Ärzte (Abbildung 17 [Abb. 17]) und dem für Studenten (Abbildung 18 [Abb. 18]) aufzeigen. Im Gegensatz zur Wiener Studie (Dollfuß [5], Seite 77, Abb. 52) waren die Münsteraner Studenten wesentlich zufriedener als die Ärzte: Bis auf die beiden Medline-Produkte erhalten alle Anwendungen von ihnen Noten, die besser als 2,5 sind – im Gegensatz zu den Ärzten, die nur die Hälfte aller Produkte so gut bewertete. Während die Studenten gleich vier Produkte mit 1,57 oder besser benoteten, kam bei den Ärzten nur die Rote Liste in diese Region.

Insgesamt schafften es bei den Ärzten nur drei Produkte in den oberen, linken Quadranten mit der hohen Wichtigkeit und hohen Zufriedenheit: Rote Liste, Arzneimittel pocket und Pschyrembel. Bei den Studenten waren dies mit sechs Produkten genau doppelt so viele: Zu den obigen drei der Ärzte gesellten sich noch der Herold, DDInnere und die ICD-10 hinzu.

Vollkommen abgewertet (unterer rechter Quadrant) wurden bei den Studenten nur die beiden Medline-Anwendungen, bei den Ärzten DDInnere, Medline-Suche, ICD-10, Gelbe Liste und der ifap index.

In Tabelle 3 [Tab. 3] finden Sie eine detaillierte Gegenüberstellung der einzelnen Produkte nach den in dieser Studie erhobenen Nutzerkriterien aber auch nach für die Bibliothek wichtigen Maßstäben wie Preis und Support.

Bibliothek und PDA

Muss man als Bibliothek unbedingt einen PDA-Service anbieten, um auf dem Laufenden zu sein, um mithalten zu können? Die Beschäftigung mit dieser Spitzentechnik hilft der Bibliothek direkt und indirekt. Direkt durch besser ausgebildete, professionellere Mitarbeiter, die mitsprechen können, wenn es um moderne Technologie geht. Direkt, da der Anschluss an möglicherweise entscheidende Entwicklungen nicht verloren geht, man bleibt sozusagen am Puls der Zeit. Die indirekten Wirkungen sind aber vielleicht noch wichtiger: PDA-Anwender sind technophil, Spitzenanwender und damit oft Vorbild für ihre Kollegen. Diese Vorreiter- und Multiplikatorenrolle übernehmen sie auch, wenn es um sonstige Belange der Bibliothek geht. PDA-Anwender sind sozusagen die Speerspitze der Bibliothek in der Klinik. Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten Argumente beider Seiten:

Pro
  • PDA und Smartphones sind zunehmend das Endgerät
  • Es bereitet kaum Aufwand
  • Es erhöht die Reputation
  • Die Bibliothek übernimmt eine Vorreiterfunktion
  • Es verbessert die Krankenversorgung: ohne Bibliothek benutzt nur jeder sechste einen PDA
  • Es ist ein Vorbild für den personalisierten Service
  • Die PDA-Anwendungen sind der Einstieg in die ad-hoc Hilfe
  • Und dann gibt es ja noch die Zukunft (s.u.)
Contra
  • PDAs sind noch nicht ausgereift, die Technik sehr kurzlebig
  • Es bereitet einen großen Aufwand
  • Lizenzen sind schwierig & teuer zu bekommen
  • Ohne WLAN gibt es keine kritische Masse an Programmen
  • Die Nutzergruppe ist mit 15% aller Nutzer relativ klein

Update

Die zweite Projektphase war ein voller Erfolg. Mittlerweile sind weitere "Kunden" auf dieses Bibliotheksangebot aufmerksam geworden, die Gesamtzahl liegt momentan bei 360 Ärzten, Wissenschaftlern, Studenten und nicht-wissenschaftlichen Bediensteten. Zuwachs kommt auch durch Kliniken, die ihre Mitarbeiter komplett mit PDAs ausrüsten. Dies lohnt sich, da die Bibliothek die Versorgung mit Basis-Anwendungen übernimmt. Insgesamt 1000 Anwendungen der Bibliothek wurden mittlerweile auf Nutzer-PDAs installiert, dabei reicht die Spannbreite von 40%, die nur eine einzige (aber dafür besonders tolle?) Anwendung installiert haben, bis hin zu 1%, die sage und schreibe neun Anwendungen installiert haben. Mittlerweile dümpelt das Projekt allerdings wieder vor sich hin – die Lizenzschwierigkeiten haben nicht aufgehört, im Gegenteil: Drei der vier wichtigsten Anwendungen – Rote Liste, Herold und Arzneimittel pocket – sind zur Zeit nicht verfügbar und so hat sich der Anstieg der Installationszahlen abgeschwächt (Abbildung 19 [Abb. 19]).

Die Rote Liste wurde in der Version 2006 zum letzten Mal angeboten, danach lief der Vertrag mit dem Anbieter aus. Deswegen wurde 2008 ein Followup unter allen Nutzern durchgeführt, die die Rote Liste seit 2004 installiert hatten. 49%, also fast genau die Hälfte, hatten die Rote Liste noch immer auf ihrem PDA installiert und benutzten sie fleissig, obwohl diese mittlerweile 2–4 Jahre alt sind. Kein einziger hatte sich die Rote Liste selber gekauft, nachdem die Bibliothek keine aktuellen Versionen mehr zur Verfügung stellen konnte. Lediglich fünf Nutzer (11%) waren auf ein Konkurrenzprodukt ausgewichen.


Resümee

Die Zweigbibliothek Medizin hat mit diesem Projekt Neuland betreten und systematisch erschlossen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa war Anfang 2004 keine andere Bibliothek mit einem solchen Produkt am Markt vertreten. Keine andere medizinische Fakultät und kein anderes Klinikum unterbreitete ihren Angehörigen ein derart umfassendes Repertoire von "kleinen elektronischen Helfern und Anwendungen". Dies hat sich mittlerweile geändert [6], u.a. auch aufgrund der Münsteraner Vorarbeiten. Das Projekt hat gezeigt, dass durch das PDA-Angebot der Bibliothek sich Diagnose, Therapie und Studium deutlich verbessern. Vielleicht besitzt keine andere Ressource, kein anderer Service der Bibliothek einen solch unmittelbaren Vorteil für den Anwender. Dabei wird die Steigerung der Nutzung bzw. der Marktdurchdringung alleine von dem kostenfreien Angebot der Bibliothek bestimmt. Stellt die Bibliothek dieses Angebot ein, stagniert auch die Nutzung auf dem veralteten Niveau – wie bei der Roten Liste gezeigt.

Wie oben ausgeführt, resultieren aus dieser einmaligen Dienstleistung mehrere direkte und indirekte, äußerst vorteilhafte Effekte für die Bibliothek. Sei es Reputation und Image, sei es Lobbying oder Multiplikatoren in der Klinik: Die Bibliothek profitiert von diesem Leuchtturmprojekt selber am meisten.

Das Projekt hat das Bewusstsein bei den Anbietern geschärft, hat Wege für Campuslizenzen und Rabatte geöffnet und so die Voraussetzungen für Nachnutzungen geschaffen. Was muss eine Bibliothek/ein Krankenhaus in die Hand nehmen, um auf unseren Spuren zu wandeln, um die immensen Vorteile der PDAs zu nutzen? Nicht viel: Ca. 10 Euro pro Arzt und Jahr für Lizenzen, oder 1,50 Euro pro Student. Vielleicht braucht man noch ein paar hundert Euro Startkapital für einige moderne PDAs für interne Tests oder zum Verleihen. Angesichts der deutlichen Verbesserungen in Lehre und Krankenversorgung handelt es sich hierbei um sehr gut angelegtes Geld. Es reicht aus, zu Beginn nur die vier Hits anzubieten: Rote Liste, Pschyrembel, Herold und Arzneimittel pocket. Bewährt hat sich auch eine zentrale Webseite mit einer Zusammenstellung frei verfügbarer Software [6].

Wie wird die weitere Entwicklung aussehen? Die Aussage „Questions will not become stationary – Answers have to become mobile“ gilt weiterhin. Angesichts von 3 Milliarden Handys gegenüber nur 1,2 Milliarden PCs ist noch deutlicher, wohin die Entwicklung mit Macht schreitet. Das Motto lautet: „Instant Access, Always On, No Wait.“ Bibliotheken mit etablierten PDA-Service sind hier einen großen Schritt voraus. Sie besitzen das nötige Knowhow und die Erfahrung, um einer zunehmend mobiler werdenden Nutzergeneration erfolgreiche Dienstleistungen anbieten zu können.

Eine zukünftige, dritte Projektphase wird auf diesen Erfahrungen und Wissensschätzen aufsetzen (müssen) und sich als Ziel nichts weniger auf die Fahne schreiben können als die Integration sämtlicher Informations- und Wissensquellen der Bibliothek mit den Informationen lokaler und überörtlicher Informationsanbieter, aber auch – und dies ist noch viel wichtiger – mit dem Wissen ihrer eigenen Nutzer.

Die auch in den Kommentaren angesprochene, sehr wünschenswerte Integration mit Patientendaten würde darüber hinaus weitere Synergieeffekte schaffen, denkt man nur daran, dass jede Medikation einer automatischen Plausibilitätskontrolle unterworfen werden könnte.

Einbeziehung und sinnvolle Nutzung von Social Networking, Mashups und Geodaten könnten dann in einer vierten Phase den gesamten Campus zu einer virtuell erlebbaren, sozialen Denkfabrik machen (und die Klinik zu einem Hort der fehlerlosen – zumindest aber fehleroptimierten – Diagnose und Therapie). Wie die Integration der Patientendaten auf der einen Seite würde die Integration von Nutzern auf der anderen Seite den PDA und seine Abkömmlinge sowohl im klinischen wie auch im studentischen Alltag endgültig auf ein "richtig praktisches" Niveau heben.


Literatur

1.
Obst O. Die Bibliothek in der Kitteltasche. med information. 2004;8(1):1-2 [updated 2004 September 16, cited 2008 Juli 17]. http://www.uni-muenster.de/ZBMed/medinfo/2004/1_kitteltasche.html External link
2.
Obst O. Erste Auswertungen des Münsteraner PDA-Projekts. GMS Med Bibl Inf. 2006;6(3):Doc25 [updated 2006 December 12; cited 2008 Juli 17]. http://www.egms.de/en/journals/mbi/2006-6/mbi000043.shtml External link
3.
Obst O. i:mobile statt Rote Liste. Weblog Aktuelles 18.10.2007 [updated 2007 October 18; cited 2008 Juli 17]. http://www.uni-muenster.de/ZBMed/aktuelles/555 External link
4.
Obst O. Mobipocket nicht erreichbar. Weblog Aktuelles 20.08.2007 [updated 2007 August 20; cited 2008 Juli 17] http://www.uni-muenster.de/ZBMed/aktuelles/553 External link
5.
Dollfuß H. Einführung und Evaluierung von Ressourcen für den Personal Digital Assitant (PDA) an medizinischen Universitätsbibliotheken [Masterthesis]. Wien; 2008.
6.
Obst O. Mobile Library - Die Medizinbibliothek macht mobil. Vortrag auf der Jahrestagung der AGMB am 25.9.2007 in Ulm. [updated 2007 September 27; cited 2008 Juli 21]. http://medbib.klinikum.uni-muenster.de/obsto/text/agmb/ulm/ulm-mobile-library_web.pdf External link