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Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

www.HistoNet2000.de – didaktisches Konzept und Nutzerakzeptanz eines e-learning-Programms

www.HistoNet2000.de – didactic concept and user-acceptance of an e-learning program

Fachbeitrag

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  • corresponding author Ilse Vollmar-Hesse - Medizinische Fakultät der Universität Ulm, AG Neue Lehrkonzepte in der Medizinischen Ausbildung, Ulm, Deutschland
  • author Jens Zabke - Medizinische Fakultät der Universität Ulm, AG Neue Lehrkonzepte in der Medizinischen Ausbildung, Ulm, Deutschland
  • author Harald Abele - Universitätsfrauenklinik Tübingen, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2007;7(3):Doc44

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2007-7/mbi000096.shtml

Published: December 19, 2007

© 2007 Vollmar-Hesse et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

HistoNet2000 ist ein Lern- und Trainingsprogramm im Internet für den Stoff der Mikroskopischen Anatomie. Um das didaktische Konzept auch für andere medizinische Inhalte, bei denen visuelles Lernen eine wichtige Rolle spielt, nutzen zu können, wurde die Online-Plattform als Prototyp programmiert. Die 2006 neugestaltete zweite Version von HistoNet2000 läuft datenbankbasiert und verfügt über ein Autorentool.

HistoNet2000 unterstützt in Zeiten hoher Studentenzahlen und knapper Ressourcen, was Kursräume, Kursmaterial und Lehrpersonal betrifft, die Qualität und Nachhaltigkeit der Präsenzlehre und kommt als blended-learning-Angebot dem ständig wachsenden Wunsch der Studierenden der Informationsgesellschaft nach medialer Erweiterung der Lehre nach.

Das modular aufgebaute Programm ermöglicht ein vernetztes, interaktives, selbstüberprüfbares Erlernen des Histologiestoffes. Für das so wichtige visuelle Training beim Lernprozess bietet das Programm einen umfangreichen Bildteil, wie er im Buch aus Kostengründen nicht angeboten werden kann. Über eine eingebaute Tutorfunktion hat der Lernende die Möglichkeit jederzeit via e-mail mit dem Dozenten zu kommunizieren, übrigens eine gern genutzte Funktion.

Konzeptentwicklung und Nutzerakzeptanz von HistoNet2000 wurden von Anfang an wissenschaftlich begleitet. 1998 und 1999 wurde eine Umfrage zu Hardware-Ausstattung, Einstellung und Wünschen hinsichtlich e-learning bei 505 Studierenden der Vorklinik durchgeführt. Wenngleich die Hardware-Ausstattung verglichen mit heute relativ bescheiden war, zeigte sich die Mehrzahl aufgeschlossen und interessiert am Einsatz von e-learning-Programmen. Man wünschte sich diese als Ergänzung zur Präsenzlehre und zur Unterstützung des Selbststudiums in den verschiedenen Lernphasen. Die Auswertung der Nutzerakzeptanz mittels logfiles 2006 und 2007 ergab, dass HistoNet2000 ein sehr intensiv genutztes Lernprogramm ist: im Durchschnitt schaute jeder der über 20.000 Besucher pro Halbjahr ungefähr 100 Seiten des Programms an und rief eine Datenmenge von über 1 MB ab. Im Jahr 2007 steigerte sich sogar noch die Nutzungsakzeptanz, in einzelnen Monaten sogar über 40%.

Schlüsselwörter: HistoNet2000, Histologie, Anatomie, e-learning, blended-learning, virtuelle Mikroskopie, Didaktik, Nutzerakzeptanz

Abstract

HistoNet2000 is an Internet learning and training program for Microscopic Anatomy. This online-platform was programmed as a prototype also to be used for other medical topics where visual learning plays an important role. The 2006 remodelled second version of HistoNet2000 is databased and has a tool for editors.

In times of high student numbers but tight resources such as staff, classrooms and learning material HistoNet2000 supports the quality of and has a lasting effect on traditional teachings like lectures, classes etc. Furthermore it meets the growing wish of the students of information society for using multi-media systems by offering a blended-learning supply.

The modular based program enables a linked and interactive as well as self-scrutinizing learning of Histology. The crucial visual training is supported by providing a wide range of pictures that cannot be offered in a book due to the high costs. As a tutor function is included the student has the possibility to communicate with the lecturer any time via e-mail, an offer widely used.

Development and user-acceptance were scientifically analysed. A survey in 1998 and 1999 about e-learning asked 505 students in their preliminary clinical studies about hardware equipment, their attitude and desires in using the New Media. Though the hardware equipment was rather moderate at these times compared to nowadays, a majority showed quite an interest in the use of e-learning programs as a supplement to the traditional teaching methods and support for private study.

The evaluation of the user-acceptance by logfiles 2006 and 2007 showed that HistoNet2000 is a very widely used learning program: the average of the more than 20,000 visitors every six months looked at about 100 pages and called up a data of more than 1 MB. In 2007 the user-acceptance even climbed over 40% in some months.

Keywords: HistoNet2000, histology, anatomy, e-learning, blended-learning, virtual microscopy, didactic concept, user-acceptance


Einleitung

Hinter der Adresse http://www.histonet2000.de/ verbirgt sich ein Lern- und Trainingsprogramm für den Stoff der mikroskopischen Anatomie. Bei diesem Lehrfach muss neben theoretischem sehr viel visuelles Wissen erworben werden. Für den Lernprozess kommt somit einem umfangreichen Bildteil, wie ihn das Print-Medium aus Kostengründen nicht mehr anbieten kann, eine besonders große Bedeutung zu.

Der Impuls für die Entwicklung dieses e-learning-Programms war der regelmäßig während des mikroskopisch-anatomischen Kurses von den Studierenden geäußerte Wunsch, doch für das Diagnostizieren der histologischen Präparate mehr Mikroskopierzeit zur Verfügung zu bekommen. Die Kurszeiten seien viel zu knapp bemessen. Die Abbildungen in den Histologie-Atlanten gäben nur ungenügend die Vielfalt eines Präparates wieder, da es zahlenmäßig zu wenige seien. In Zeiten hoher Studentenzahlen und knapper Ressourcen, was Kursräume, Kursmaterial und Lehrpersonal betrifft, bot es sich an, diesen berechtigten Wunsch nach mehr Zeit für visuelles Training durch Nutzung der Neuen Medien zu erfüllen.


HistoNet2000

HistoNet2000 wurde als Schnittstelle zwischen den separierten und etablierten Lehrveranstaltungen wie Vorlesung, Seminar und Histologie-Kurs an der Anatomie der Universität Ulm entwickelt [1]. Als Leiterin der Histologiekurse während vieler Semester lag mir daran, ein E-Learning-Programm zu gestalten, das zwar die neuen Möglichkeiten der Informationstechnologie nutzt, gleichzeitig aber die hohen Qualitätsstandards des Lehrbuchs, was Layout, Fachinhalte und Bildqualität betrifft, beibehält.

Als wir, d.h. ein kleines, vor allem aus Doktoranden und Studenten bestehendes Team, vor ungefähr 10 Jahren mit der Ausarbeitung von HistoNet2000 begannen, fehlten in Deutschland im Fach Anatomie Angebote, die über das einfache Digitalisieren von Print-Inhalten hinausgingen. Die Möglichkeiten, die die Neuen Medien boten, in einem didaktischen Konzept umzusetzen, wurden nicht genutzt [2]. Unsere umfangreiche Suche im Internet nach Programmen für Histologie, die die digitalen Ressourcen tatsächlich nutzen und qualitativ dem Lehrbuch vergleichbare Inhalte anbieten, brachten 1998 kein einziges Ergebnis, das wissenschaftlichen Ansprüchen genügt hätte (Abbildung 1 [Abb. 1]). Zu bedenken ist dabei natürlich, dass damals das WWW noch in den „Kinderschuhen“ steckte. Die programmtechnischen Möglichkeiten waren, verglichen mit heute, bescheiden und umständlich.

Auch die Hardware-Ausstattung der Studierenden war nicht mit den heutigen Verhältnissen zu vergleichen. Hierzu ein Ergebnis aus unseren 1998 und 1999 durchgeführten Umfragen mit dem Titel „Nutzen und Nutzung der Neuen Medien“, bei denen wir insgesamt 505 Studierende zu ihrer Hardware-Ausstattung sowie zu ihrer Einstellung gegenüber Lernsoftware befragten. Wir wollten u.a. wissen, wer über einen Internetanschluss zu Hause verfügt. 1998 hatten lediglich 26% der Studierenden einen solchen, wohlgemerkt in Form eines Modems bzw. ISDN-Anschlusses. DSL gab es damals noch nicht. Dass 1999 bereits 47% der Befragten über Internet verfügten, zeigt, wie rasant die Entwicklung verlief (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Da auch wir an eine schnelle Verbreitung und technische Verbesserung des Internets glaubten, beschlossen wir ein Histologie-Programm für das Internet zu entwickeln und nicht, wie es eigentlich damals üblich war, eine CD-ROM herauszugeben. Sicher ermöglichen beide, CD-ROM und Internet, unabhängig von Zeit und Raum zu lernen, Lerngeschwindigkeit und Lerninhalte individuell zu bestimmen, sowie die Inhalte zu vernetzen. Das Internet bietet aber darüber hinaus keinerlei Beschränkung des Bildmaterials, die Kommunikation über E-Mail mit dem Dozenten, neben Vernetzung auch die Möglichkeit der Interaktivität und – last not least – die ständig sofort vorzunehmende Aktualisierung der Inhalte.

Leitgedanken

Folgende Leitgedanken galten für uns bei der Entwicklung der Lernplattform:

1.
Die traditionell hohen Qualitätsstandards von Lehrbüchern hinsichtlich Inhalt und Layout sollten in gleicher Weise für dieses elektronische Lernprogramm gelten.
2.
Sämtliche Daten (Bilder, Texte usw.), die digitalisiert in HistoNet2000 eingearbeitet werden, stammen aus der eigenen Urheberschaft fachlich anerkannter Wissenschaftler.
3.
Programmtechnische Vorgaben waren:
    • Modularer Aufbau, so dass jederzeit neue Optionen und neue Inhalte ergänzend und erweiternd eingefügt werden können
    • Programmierung eines Prototyps, der die Übertragung auf andere medizinische Fächer mit hohem Bildanteil ermöglicht
    • Selbsterklärende Navigation durch ein intelligentes Steuerungssystem im Hintergrund, das den Nutzer jederzeit zu wichtigen Knotenpunkten seiner Datenreise innerhalb des Programms zurückführt
    • Autorentool, mit dem die Eingabe individueller Wunschinhalte komfortabel möglich ist
4.
Nutzung der didaktischen Möglichkeiten des Internets:
    • Vernetztes Lernen: Zu jedem Bild können verschiedene, zum Thema passende Texte bzw. Graphiken aufgerufen werden.
    • Interaktives Lernen: Zu einem Thema können durch vorgegebene Verlinkung weitere Informationen aus anderen Internet-Programmen, die unseren Qualitätsstandards entsprechen, aufgerufen werden.
    • Unterstütztes Lernen: Durch den Einbau dynamischer Bezeichner kann der Nutzer seine gestellte Diagnose selbst auf die Richtigkeit überprüfen.
    • Kommunizierendes Lernen: Über E-Mail können dem Dozenten technische und inhaltliche Fragen gestellt werden, die dieser dann auf dem gleichen Weg beantwortet.

Material und Methode

Für HistoNet2000 wurden licht-, transmissionselektronen- und rasterelektronenmikroskopische Präparate in verschiedenen Vergrößerungen fotografiert und anschließend mit Scannern digitalisiert. Die weitere Bearbeitung und Aufbereitung für das Netz erfolgte mit Photoshop von Adobe. Die Bilder wurden im JPEG-Format eingebunden, wobei auf niedrige Kompressionsverluste wert gelegt wurde. Dabei kamen lichtmikroskopisch vor allem Kurspräparate der Universität Ulm zum Einsatz. Die Zertifizierung wurde ausschließlich von Fachwissenschaftlern vorgenommen. Programmiert wurde unter FrontPage in HTML und D-HTML für die Internet-Browser der Generation 4.x und höher von Microsoft und Netscape.

Nachdem das Programm im Laufe der Jahre für eine Anzahl neuer Internet-Browser nicht mehr kompatibel war, entschlossen wir uns 2006 den Content von HistoNet2000 auf eine Datenbank zu übertragen. Die Verwendung einer Datenbank hat den Vorteil, Layout und Module zentral zu steuern, so dass diese für zukünftige Browser-Generationen oder für die Nutzung als Prototyp nur an einer Stelle angepasst werden müssen. Außerdem wird damit die Änderung der Inhalte vereinfacht und die Menge der möglichen syntaktischen Fehler minimiert. Für das Übertragen des Contents wurde eine spezielle Software entwickelt, die die mehr als 2000 Einzeldateien ausliest, deren Inhalte auswertet und sie dann in eine eigens dafür eingerichtete PostgreSQL-Datenbank schreibt. Anschließend wurde eine detaillierte Qualitätsprüfung des gesamten Inhalts durchgeführt und aufgetretene Konvertierungsfehler korrigiert. Die Abbildung 3 [Abb. 3] zeigt die Arbeitsweise der neuen Software.

Auch die Bildschirmoberfläche von HistoNet2000 wurde neu gestaltet, so dass man von der 2. Version HistoNet2000 sprechen kann. Abbildung 4 [Abb. 4] zeigt die Gegenüberstellung des alten und des neuen Layouts, wobei das mehr graphisch ausgerichtete neue wesentlich professioneller aussieht im Vergleich zu der bunten Symbolleiste der ersten Version.


Didaktisches Konzept

Anhand der Bildschirmoberflächen verschiedener Ebenen soll das didaktische Konzept von HistoNet2000 veranschaulicht werden (Abbildung 5 [Abb. 5], Abbildung 6 [Abb. 6], Abbildung 7 [Abb. 7], Abbildung 8 [Abb. 8], Abbildung 9 [Abb. 9], Abbildung 10 [Abb. 10], Abbildung 11 [Abb. 11], http://www.histonet2000.de).

Die Programmierung als Prototyp sowie modularer Aufbau ermöglichen auf allen Ebenen der Bildschirmoberfläche, wie Ebene „Inhaltsverzeichnis“, Ebene „Präparatekasten“ oder Ebene „Histologiepräparat“ leicht den Einbau neuer Optionen. Auch die Buttons der Navigation, die am unteren Rand liegen, sind selbsterklärend.

Bei HistoNet2000 steht visuelles Lernen im Vordergrund. Die eine Hälfte des Bildschirms ist daher reserviert für das histologische Bild, die andere für verschiedene Begleittexte bzw. Begleitgraphiken. Unter dem großen, aufgerufenen Bild erscheinen als kleine Insets die jeweils zur Verfügung stehenden Vergrößerungen des Präparats in einer Art Vorschau.

Vernetzt ist das Bild mit verschiedenen Optionen, die als Reiter auf der linken oberen Bildhälfte angebracht sind. In HistoNet2000 sind realisiert:

  • Info: allgemeine Informationen zu Herkunft, Vergrößerung und Färbung des Präparats
  • Beschreibung: Deskriptive Texte zu den auf dem Bild zu sehenden morphologischen Strukturen
  • Zeichnung: Schematische „Übersetzung“ des nativen Histologiebildes, bzw. zum Histologiepräparat passende makroskopische Zeichnungen
  • Färbung: Hinweise zur Färbemethodik und zur histologischen Präparation
  • Wissen: kurze Grundlagenwissenstexte

Interaktivität wurde durch die Verlinkung mit dem Programm „Virtuelle Mikroskopie“ (Bock, 2006, http://www.uniklinik-saarland.de/med_fak/anatomie/bock/vmic.htm) realisiert. Mit diesem Programm hat der Studierende die Möglichkeit, durch virtuelles Mikroskopieren des unkommentierten analogen Präparats sein in HistoNet2000 erlerntes visuelles Wissen ergänzend zu trainieren.

Unterstütztes selbstüberprüfbares Lernen ist durch den Einbau dynamischer Bezeichner gegeben. Beim Überfahren mit der Maus erscheinen maussensitive Felder an den Stellen, wo sich interessante Strukturen befinden. Um welche Struktur es sich jedoch handelt, wird erst nach Mausklick freigegeben. So kann der Lernende selbst überprüfen, ob seine Diagnose richtig war.

Der Button „Tutor“ ermöglicht die Kommunikation zwischen Lernenden und Dozenten via E-Mail, übrigens eine gern benutzte Funktion.


Nutzerakzeptanz

Zwei Untersuchungen haben wir zur Nutzerakzeptanz durchgeführt:

1.
1998 und 1999 die bereits erwähnte Umfrage „Nutzen und Nutzung der Neuen Medien“ an insgesamt 505 Studierenden des jeweiligen 2. Semesters Medizin
2.
Die Auswertung der Logfiles (Hypertextprotokolle) von HistoNet2000 in den Jahren 2006 und 2007

Aus der Umfrage „Nutzen und Nutzung der Neuen Medien“

Bei der Umfrage „Nutzen und Nutzung der Neuen Medien“, die zu Beginn der Entwicklung von HistoNet2000 durchgeführt wurde, interessierte uns neben der Hardware-Ausstattung, die den Studierenden damals zur Verfügung stand, vor allem die Einstellung der Studierenden zum Lernen mit den Neuen Medien. Die Auswertung der Frage, wie gerne Lernsoftware genutzt wird, ergab, dass 70% der Medizinstudenten sich aufgeschlossen und interessiert gegenüber Lernsoftware zeigten, obwohl das Angebot zu dieser Zeit noch sehr gering war. Nur ein kleiner Prozentsatz (1998: 7%, 1999: 3%) hatte eine ausgesprochene Abneigung gegen Lernsoftware. Erstaunlich war, dass 1998 noch 10% der Studierenden angaben, Lernsoftware nicht bedienen zu können (Abbildung 12 [Abb. 12]).

Im Jahr 1999, als HistoNet2000 zum Teil mit Inhalten verfügbar war, wurde die zusätzliche Frage aufgenommen, in welcher Lernphase das Programm von den Studierenden bevorzugt genutzt wird. Das Ergebnis ist eindeutig: Man nutzt HistoNet2000 zur Vor- und noch mehr zur Nachbereitung des Histologiekurses und hält es für eine sehr gute Ergänzung zum Histologiekurs. Man wünschte aber nicht, dass der Histologiekurs virtuell ersetzt wird (Abbildung 13 [Abb. 13]). Die Antworten zeigen, dass sich bereits damals die Studierenden klar für die Form des e-learnings entschieden, die man heute als blended-learning bezeichnet: Online-Plattformen, die parallel zur Präsenzunterrichtsveranstaltung den Stoff zum Wiederholen und Vorbereiten anbieten und in den verschiedenen Lernphasen (z.B. vor Prüfungen) jederzeit verfügbar sind [3].

Auswertung der logfiles

Im Zeitraum Februar 2006 bis Juli 2007 wurde die Nutzung von HistoNet2000 differenziert ausgewertet. Da wir mehr als nur die reine Besucherzahl erfahren wollten, benutzten wir nicht die im Internet häufig eingesetzten Counter (reine Besucherzähler). Diese funktionieren zum einen nicht einheitlich, zum anderen sind sie sehr leicht modifizierbar. Damit genügen diese nicht wissenschaftlichen Anforderungen. Stattdessen entschieden wir uns dafür, die uns vom kiz (Kommunikations- und Informationszentrum der Universität Ulm) zur Verfügung gestellten logfiles von HistoNet2000 auszuwerten. Der Webserver, der HistoNet2000 für das Internet bereithält, speichert in logfiles jeden Zugriff auf HistoNet2000 im http-Protokoll. Logfiles sind standardisierte Textdateien mit Zusatzinformationen. Die Menge der Zusatzinformationen variiert zwar je nach Webserver, aber das Grundmodell ist bei allen gängigen Webservern identisch. Somit enthalten die Logfiles standardisierte Daten. Für die Auswertung der Logfiles haben wir das Statistikprogramm Sawmill verwendet, welches aus den Informationen tabellarische Zusammenfassungen liefert.

Einige interessante Ergebnisse dieser Auswertung zeigt die Abbildung 14 [Abb. 14]:

a) Betrachtet man die Nutzung über ein halbes Jahr, hier ist der Zeitraum Februar 2006 bis Juli 2006 gewählt, zeigen alle Parameter, dass HistoNet2000 ein intensiv genutztes Programm ist. Die Gesamtzahl der Besuche betrug 20.620, die insgesamt übertragene Datenmenge 23.060 MB. Das heißt, es wurde im Durchschnitt mehr als 1 MB pro Besuch heruntergeladen und jeder Besucher schaute sich ungefähr 100 Seiten des Programms an.

b) Die Auswertung der Nutzerherkunft nach Staaten zeigt, dass zwar 88% der Datenmenge aus dem deutschsprachigen Raum, an erster Stelle Deutschland mit 85% abgerufen wurde. Überraschend war, dass 9% des Downloads in die USA gingen.

c) Betrachtet man die in den einzelnen Monaten übertragene Datenmenge, so fällt auf, dass sie während des Ulmer Mikroskopisch-Anatomischen Kurses, der von April bis Juli stattfindet, ansteigt. Der Vergleich zwischen den Sommersemestern 2006 und 2007 zeigt, dass HistoNet2000 im Jahr 2007 noch intensiver genutzt wurde. So betrug die Steigerungsrate im Monat Juni 44%, im Juli 46%.

d) Die Auswertung der Besuche und Pageviews der einzelnen Tage des Monats Juli zeigt eine enge Korrelation zu den Prüfungsterminen in Ulm, von denen im Juli zwei reguläre Testate und eine Wiederholungsprüfung stattfinden. Aus dem Diagramm ist unschwer abzulesen, wann 2006 diese 3 Prüfungen stattfanden.

e) Dieses Diagramm zeigt die Nutzung von HistoNet2000 vor einer Prüfung, Stunde um Stunde ausgewertet. Die Prüfung fand am 1.6.2006 morgens zwischen 7.00 und 8.00 Uhr statt. Am 31. Mai 2006 werden ab 10.00 Uhr morgens die Besuche auf der Plattform zahlreich. Spitzen liegen zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr vormittags und zwischen 20.00 Uhr und 21.00 Uhr am Abend. Gegen Mitternacht lässt der Lerneifer nach, aber bereits ab 5.00 Uhr morgens steigen die Besuche wieder an bis kurz vor Prüfungsbeginn. Ein kleinerer Anstieg ist kurz nach der Prüfung zu erkennen.


Schlussfolgerungen

1.
HistoNet2000 ist ein Content-e-learning-Programm für Mikroskopische Anatomie.
2.
Das didaktische Konzept nutzt die Neuen Medien, behält aber die traditionell hohen Qualitätsstandards des Buches bei.
3.
Die Lernplattform eröffnet im Vergleich zu den Print-Medien neue visuelle Trainingsmöglichkeiten durch:
    • Einbau beliebig vieler Abbildungen
    • Selbstüberprüfbares visuelles Lernen
    • Kommunizierendes Lernen
    • Interaktives visuelles Lernen
4.
Die Auswertung der logfiles zeigt, dass HistoNet2000 eine hohe Nutzerakzeptanz hat. Es wird vor allem als Blended-Learning-Angebot genutzt. Es ergänzt die Präsenzlehre und unterstützt das Selbststudium in den verschiedenen Lernphasen. Damit wird die Qualität und Nachhaltigkeit der Lehre für Lernende erhöht.
5.
Das neu entwickelte Autorentool individualisiert das Programm für Lehrende: komfortabel können die eigenen Wunschinhalte eingeben werden.

Sicher gilt in der digitalen Welt mehr als anderswo die Feststellung „change happens“, aber es gilt ebenso, wie das Lernprogramm HistoNet2000 zeigt, dass wohl überlegte Konzepte, die solide ausgearbeitet sind und ständig „gepflegt“ werden, auch in einer schnelllebigen Zeit Bestand haben.


Literatur

1.
Filler TJ, Abele H, Vollmar-Hesse I, Peuker ET. Neue Wege der Internet-gestützten Lehre in der Anatomie. Ann Anat. 1999;181:499-508.
2.
Jechle T, Markowski K, Dittler U. E-Learning-Entwicklungsstand an Hochschulen. In: Henning PA, Hoyer H, editors. eLearning in Deutschland. Berlin: uni-edition; 2006. p. 189-206.
3.
Peuker ET, Filler TJ. Digitale Zukunft der Anatomie. Dt Ärztebl. 1999;96(11):B-548(48).