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Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Virtueller Medizinischer Campus Graz: eine e-Learning Umgebung wird 5 Jahre alt

Virtual Medical Campus Graz: an e-learning environment has its 5 year-anniversary

Fachbeitrag

  • corresponding author Reinhard Staber - Abteilung Virtueller Medizinischer Campus, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
  • author Josef Smolle - Abteilung Virtueller Medizinischer Campus, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
  • author Pamela Bauer - Abteilung Virtueller Medizinischer Campus, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
  • author Florian Hye - Abteilung Virtueller Medizinischer Campus, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
  • author Sigrid Thallinger - Abteilung Virtueller Medizinischer Campus, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
  • author Heide Neges - Organisationseinheit für Studium & Lehre, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
  • author Gilbert Reibnegger - Vizerektor für Studium und Lehre, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich

GMS Med Bibl Inf 2007;7(3):Doc43

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2007-7/mbi000095.shtml

Published: December 19, 2007

© 2007 Staber et al.
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Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund der Einführung neuer Studienpläne an der Medizinischen Universität Graz entstand ein Lerninformationssystem, der Virtuelle Medizinische Campus (VMC) Graz. Mehrere Förderungen machten den Auf- und Ausbau des Systems möglich. Die SCORM-konforme Ausstattung der Lernobjekte mit Metadaten erlaubt Wiederverwendung und Austausch der Lernobjekte mit anderen Studiengängen und Systemen. Eine möglichst einfache und intuitive Bedienung gewährleistet, dass Autorinnen und Autoren Inhalte unkompliziert in das Repository des Systems uploaden können. Einige spezielle Autorentools erleichtern dabei die Bereicherung mit interaktiven tutoriellen Inhalten.

Im Jahr 2005 sah sich die Medizinische Universität Graz, bedingt durch ein EuGh-Urteil mit mehr als 3300 StudieninteressentInnen für Human- und Zahnmedizin konfrontiert und entschloss sich, als einmalige Puffermaßnahme das erste Semester ausschließlich virtuell abzuhalten mit Prüfungen in Präsenzform am Ende des Semesters. Mehr als 1 Million Lernobjektaufrufe aus allen Studiengängen und 257.000 Web-based-Training-Absolvierungen wurden dabei ohne einen einzigen Ausfall bewältigt. Diese einmalige Zwischenlösung eines virtuellen Eingangssemesters zeigte die potentielle Leistungsfähigkeit des Systems und die organisatorischen Möglichkeiten, kurzfristige Belastungsspitzen durch e-Learning abzufangen.

Mittlerweile versorgt der VMC Graz mit 13 Studiengängen vier Universitäten in zwei europäischen Staaten sowie zwei internationale postgradule Programme mit seinem e-Learning-System. Für die Zukunft geht die technische Entwicklung des VMC in Richtung Web 3.0 – „Semantic Web“, die inhaltliche und strategische Entwicklung schlägt einen vergleichbaren Weg ein und ist von einem weiteren Ausbau von Kooperationen geprägt.

Schlüsselwörter: VMC, Virtueller Medizinischer Campus, e-Learning, eLearning, Lerninformationssystem, Universität, Medizinische Universität Graz, neue Medien, neue Medien in der Lehre, Blended Learning, Repository, Web 2.0, Web 3.0, Autorentool, web-based-Training, virtuelles Mikroskop, virtuelle Lehre, virtuelles Semester, Auswahlverfahren, bed-side-teaching, Participatory-Design, Studiengang, Universitätslehrgang, Zertifikat e-Learning

Abstract

Parallel with the initiation of an integrated curriculum at the Medical University of Graz a virtual learning environment was implemented, designated as Virtual Medical Campus (VMC). Several financial support projects made the development of the VMC and its enhancements possible. Learning objects are granular and strictly equipped with a set of metadata conforming the SCORM 2004 2nd edition-standard and are therefore reusable and exchangeable with other study courses or e-Learning-systems. Simple usability allows authors the intuitive creation of content, which may be enriched with interactive and tutorial systems using several built in authoring tools like web-based-training or a Virtual Microscope.

In 2005 more than 3300 students applied for human medicine at the Medical University of Graz and it was decided to give a virtual term with a selection process at the end of it.

More than 1 million accesses to learning objects and 257,000 web-based-trainings were handled without a single breakdown. This unique interim solution of a virtual term demonstrated the capacity of the VMC-system and the organisational possibility to intercept rushes of application using e-Learning.

In the meanwhile the VMC Graz provides 13 study courses at four universities in two different European countries and two international postgraduate programs. The technical development aims at Web 3.0 – “Semantic Web” and the further expansion of co-operations is a present and future strategy.

Keywords: VMC, Virtual Medical Campus, e-learning, eLearning, learning management system, virtual learning environment, university, Medical University of Graz, new media, new media in education, blended learning, repository, Web 2.0, Web 3.0, authoring tool, web-based-training, virtual microscope, virtual education, virtual term, selection procedure, bed-side-teaching, participatory-design, study course, university training course, certificate e-Learning


Hintergrund und Geschichte

Vor dem Hintergrund der Einführung neuer Studienpläne im Wintersemester 2002/2003 für die Curricula für Humanmedizin und Zahnmedizin an der Medizinischen Universität Graz entstand ein Lerninformationssystem, der Virtuelle Medizinische Campus (VMC) Graz [1] (http://vmc.meduni-graz.at).

Die neuen Curricula zielen auf frühen PatientInnenbezug, Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten, vernetztes Wissen und themenzentrierten, fächerübergreifenden Unterricht [2], wie er in den letzten Jahren an zahlreichen Universitäten eingerichtet wurde, ab [3].

Themenorientierte, fächerübergreifende 5-wöchige Module lösten den streng fächerzentrierten Unterricht ab. Damit konnten herkömmliche Bücher und Lernunterlagen dem Unterricht nicht länger gerecht werden.

Der VMC sollte als integratives Lehr-/Lernsystem mit elektronischen Medien Studierenden das Lernen im neuen Curriculum erleichtern und das Erkennen von Zusammenhängen fördern, aber auch Lehrenden eine fächerübergreifende Orientierungshilfe geben und diese in ihrer täglichen Arbeit unterstützen.


Das Projekt VMC

Der VMC Graz ist eines der Förderprojekte „Neue Medien in der Lehre an Universitäten und Fachhochschulen“ des bm:bwk. Zu Projektstart wurden die damals am Markt befindlichen Lernplattformen evaluiert. Der „Vision VMC“ genügte damals keines der Produkte und so wurde die Idee einer Eigenentwicklung geboren. Im April 2002 wurde mit der Software-Entwicklung begonnen, rechtzeitig zum Semesterbeginn im Herbst konnten die ersten Lernobjekte eingepflegt werden. Die kurze Vorlaufzeit erforderte eine zügige Entwicklung. Das Prinzip des „Rapid Prototyping“ wurde deshalb sowohl für die technische als auch die inhaltliche Entwicklung herangezogen. In einer ersten Phase wurden vorhandene Inhalte eingepflegt, danach wurde bewusst darauf geachtet, „just in time“ Inhalte zur Verfügung zu stellen.

Von Anfang an konzentrierte sich das Projektteam auf das Wesentliche. Es galt nicht „wenigen alles“ sondern „allen das Notwendige“ zu bieten. Besonderes Augenmerk wurde und wird auf die strenge Kongruenz zwischen Curriculum und den Inhalten der Neuen Medien gelegt. Durch weitere an die Pilotphase angeschlossene Förderungen wie etwa „Bildungsinnovationsimpulse 2004“, „Entwicklung und Umsetzung von e-Learning/e-Teaching-Strategien an Universitäten und Fachhochschulen 2005“ und ein EU-Interreg IIIA Österreich-Slowenien 2005-Projekt waren eine konsequente Weiterentwicklung (z.B.: Mehrsprachigkeit Deutsch – Englisch – Slowenisch) und ein Ausbau des VMC möglich.


Struktur und Gliederung

Um den Studierenden die Orientierung im System zu erleichtern, aber auch um innerhalb der Module Übersichtlichkeit zu bewahren, wurde eine einheitliche Ordnungsstruktur eingeführt.

Jedes Modul wird so in 5 bis 15 Themen gegliedert. Dabei umfasst ein Thema 5 bis maximal 30 Unterrichtseinheiten und beinhaltet Beiträge von einem oder mehreren Fächern.

Die Unterrichtseinheiten wiederum haben einen Umfang von einer bis zu maximal 4 Unterrichtsstunden und werden von einem einzelnen Fach bestritten. Jede Unterrichtseinheit entspricht dabei einem einheitlichen Lehrveranstaltungstyp.

Die Gliederung eines Moduls im VMC gibt also die inhaltliche Ordnung und nicht unbedingt die zeitliche Abfolge der Unterrichtseinheiten wieder.

In einem Anhang werden zu jedem Modul allgemeine Informationen, Grundkenntnisse und weiterführende Materialien angeboten.

Die kleinste atomare Einheit stellen Lernobjekte dar. Jedes Lernobjekt ist mit einem SCORM 2004 2nd Edition konformen Metadatensatz ausgestattet. Lernobjekte sind somit granular und austauschbar. Über Export- und Importschnittstellen können Lernobjekte mit anderen Studiengängen oder anderen Systemen ausgetauscht werden [4].


Inhaltliche Strategie

Um das System möglichst rasch mit Inhalten befüllen zu können wurde ein niederschwelliges System gewählt. Eine möglichst einfache und intuitive Bedienung gewährleistet, dass Autorinnen und Autoren bestehende und adaptierte Inhalte unkompliziert in das Repository des Systems uploaden können. Einerseits durch diesen Ansatz, andererseits natürlich durch die hohe Kompetenz im eigenen Haus ist von Anfang an eine recht hohe Quantität an Lehrinhalten erreicht worden. Auf zahlreichen Instituten und Kliniken lag bereits eine Unmenge an elektronischem Material vor: Medizinische Physik (e-Seminar; Simulationen), Biologie (Simulation, Virtuelles Hospital), Chemie (CD), Histologie (CD), Anatomie (CD, Didaktik), Dermatologie (CD), Augenheilkunde (CD und Downloadbereich im Internet), HNO (Videothek).

Damit war schnell eine „gesunde Basis“ geschaffen. Die Mehrzahl der Lernobjekte bestand initial aus reinen Präsentations- und Visualisierungs-Dateien, wobei Word®, PDF®, HTML und Powerpoint® am häufigsten verwendet wurden. Laufende Evaluierungen bestätigten, dass die Nachfrage durch die Kongruenz zum Curriculum determiniert wird. Interaktivität, Komplexität und Multimodalität sind hinsichtlich Nachfrage von untergeordneter Bedeutung.

Ab Herbst 2004 wurde die Entwicklung spezieller Autorentools für die Generierung interaktiver tutorieller Systeme forciert. So steht neben einem einfach zu bedienenden Online-Editor, welcher W3C-valide Webseiten erzeugt, ein Web-based-Training-Werkzeug zur Verfügung. Ein weiteres spezifisches Werkzeug ist das Virtuelle Mikroskop, mit welchem realitätsnahes Mikroskopieren im virtuellen Raum möglich ist. Zusätzlich gibt es eine wachsende Zahl interaktiver Simulationen, zahlreiche Video- und Tonaufnahmen sowie Fallstudien für problemorientiertes Lernen.

Ende Oktober 2007 waren bereits mehr als 9250 Lernobjekte im System vorhanden (Abbildung 1 [Abb. 1]).


Das virtuelle Semester - eine Zwischenlösung für das EUGH-Urteil

In Österreich werden jährlich ca. 1100 MedizinerInnen ausgebildet, davon 300 in Graz.

In Deutschland werden jährlich ca. 20.000 Medizininteressierte abgewiesen.

Im Jahr 2005 sah sich die Medizinische Universität Graz, bedingt durch ein EuGh-Urteil mit mehr als 3300 StudieninteressentInnen für Human- und Zahnmedizin konfrontiert. Es war rasch klar, dass übliche Präsenzlehre hier nicht möglich sein würde und so wurde der Entschluss gefasst, das erste Semester ausschließlich virtuell abzuhalten [5]. Am Ende des virtuellen Semesters wurden lediglich die Modulprüfungen in Präsenzform abgehalten. Dieses Modell vereinte für die Studierenden die bekannten Vorteile von e-Learning mit dem Vorteil, den Lebensmittelpunkt während des ersten Semesters nicht nach Graz verlegen zu müssen, und ermöglichte dennoch die gezielte intensive Vermittlung zentraler Inhalte. Die Medizinische Universität Graz andererseits konnte mithilfe des VMC, obwohl in den Hörsälen keinesfalls ausreichend Platz zur Verfügung gestanden wäre, den Massenandrang an Studierenden bewältigen und den klar definierten Lernstoff mit eindeutigen Anforderungen anbieten.

Während der Sommermonate 2005 wurden Hardware und Software einem architektonischen Redesign unterzogen. Es musste gewährleistet werden, dass der VMC ohne Performanceeinbrüche oder gar Systemausfälle den zu erwartenden elektronischen Ansturm abwickeln kann. An die Stelle von drei Servern traten vier in Cluster organisierte Layer: Webcluster, Datenbank-Cluster, Repository und ein Enterprise Virtual Array. Durch die Kombination von Virtualisierung, Caching und Datenstreaming wurde erreicht, dass die Serverlast umso geringer ansteigt, je mehr UserInnen gleichzeitig auf das System zugreifen. Gleichzeitig wurde das System bis hinab zum einfachen Kabel redundant ausgelegt, sodass Reparaturen, Konfigurations- und Wartungsarbeiten im laufenden Betrieb vorgenommen werden können, ohne dass UserInnen etwas davon bemerken.

So entstand aus der Projektplattform ein beliebig skalierbares Hochleistungssystem, welches während des „Virtuellen Semesters“ mehr als 1 Million Lernobjektaufrufe aus allen Studiengängen, bis zu 90 „Klicks“ pro Sekunde, 257.000 Web-based-Training-Absolvierungen, 123.087 auszuwertende Prüfungsergebnisse aus WBTs (Web-based-Training-Objekten), etwa 2800 Feedbacks mit Fragen und etwa 3 MB Download pro UserInnen-Session ohne einen einzigen Ausfall bewältigte.

Von den 3336 Voranmeldungen inskribierten schließlich 1269 Studierende tatsächlich, zu den dreitägigen Präsenzprüfungen traten 1060 Studierende an [6].

Darüber hinaus wurde das Curriculum dahingehend umgestellt, dass Übungen und Seminare welche jedenfalls in Präsenzform abgehalten werden in höhere Module ausgelagert wurden. Im Gegenzug wurden deklarative Inhalte, die für virtuelle Lehre geeignet schienen aus höheren Modulen vorgezogen.

Für Lerneinheiten und Lernobjekte wurden Mindestanforderungen hinsichtlich Gestaltung, Interaktivität, Umfang und Ausstattung festgelegt und zusätzlich zu den vorhandenen Lernobjekten für das erste Semester wurden etwa 150 Präsentations- und Visualisierungsobjekte, über 200 Web-based-Training-Lernobjekte sowie etliche Videos und Simulationen neu erstellt. Diese Lerninhalte sind wieder verwendbar und wurden nach Abschluss des Virtuellen Semesters zusätzlich als vorausgesetzte Grundlagen in spätere Module eingebunden. Um die betroffenen Lehrenden optimal vorzubereiten, wurden 2-tägige Schulungen (mit einem Zertifikat) abgehalten, in denen neben Lernobjektgestaltung, Mediendesign und didaktischen Ansätzen auch die virtuelle Betreuung der Studierenden über Feedback-Workflows geübt werden konnten.

Aus den Feedbacks der Studierenden zu Lernobjekten wurden FAQs generiert. Die 724 FAQs zu Lernobjekten füllten 113 DIN-A4-Seiten. Mit 1032 ausgefüllten Evaluierungsbögen wurde ein Rücklauf von 97,4% erreicht.

In der Evaluierung gaben mehr als 90% der Studierenden an, dass die WBTs Spass gemacht und sie beim Lernprozess unterstützt hätten. Mit mehr als 75% sprach eine große Mehrheit der Studierenden auch Ihre Zufriedenheit mit der technischen Performanz, der Bedienbarkeit des VMC und der organisatorischen Abwicklung des virtuellen Semesters aus. Der große Stoffumfang und die fehlende soziale Interaktion wurden hingegen negativ bewertet. Mehr als 90% der Studierenden des virtuellen Semesters hätten lieber Präsenzlehre und ein Auswahlverfahren vor Studienbeginn gehabt [7].

Diese einmalige Zwischenlösung eines virtuellen Eingangssemesters zeigte die potentielle Leistungsfähigkeit des Systems und die organisatorischen Möglichkeiten, kurzfristige Belastungsspitzen in einer tertiären Bildungseinrichtung durch e-Learning abzufangen. Weitere Änderungen der Gesetzeslage ermöglichten schon im Jahr darauf ein Auswahlverfahren vor Studienbeginn, sodass auch das erste Semester wieder überwiegend in Präsenzlehre stattfindet.


Etablierungsphase

Das virtuelle Semester brachte in vielerlei Hinsicht einen Entwicklungsschub für den VMC. Das Team des Kompetenzzentrums wurde aufgestockt und neben der technischen und inhaltlichen Weiterentwicklung wurde auch die strategische Ausrichtung gestärkt.

So wurde aus dem Kompetenzzentrum VMC schließlich die „Abteilung Virtueller Medizinischer Campus“ (A-VMC), welche fix in der Organisationseinheit für Studium und Lehre verankert ist und unter der Leitung eines Professors des Instituts für Medizinische Informatik steht.

E-Learning ist als Abhaltungsmöglichkeit im Studienplan dezidiert ausgewiesen und für Lehrende, die Blended-Learning einsetzen wurde an der Medizinischen Universität Graz ein Honorierungsanreiz geschaffen.

Eine Professur für Neue Medien in der medizinischen Wissensvermittlung und -verarbeitung am Institut für Medizinische Informatik wurde installiert und experimentell didaktische e-Learning-Forschung als eigener Forschungszweig an der Medizinischen Universität Graz etabliert.

Aus der Idee der virtuellen Lerneinheiten wurde ein Blended-Learning-Modell in höheren klinischen Semestern. Dabei wird der Zeitgewinn durch den partiellen Ersatz der Präsenzlehre durch virtuelle Lerneinheiten für „bed-side-teaching“ genutzt. Für die Ausgestaltung der betreffenden Lerneinheiten wurde von der Studienkommission für Humanmedizin ein stringenter Kriterienkatalog beschlossen.

Seit dem Sommer 2006 wird nun für das neue Auswahlverfahren vor Studienbeginn ein Studiengang genutzt, zu dem ein freier Zugang – vorbehaltlich einer formlosen Registrierung – gestattet wird. Studieninteressierte können sich dort über das ganze Jahr hinweg auf einen Auswahltest, der im Herbst ebenfalls in Präsenzform abgehalten wird, vorbereiten. Im Gegensatz zu den an anderen Medizinischen Universitäten eingesetzten nicht-wissensbasierten Tests erfasst das Grazer Auswahlverfahren auch die Lernbereitschaft und die Lernfähigkeit und vermittelt bereits medizinisches Grundlagenwissen. Die Erstsemestrigen, die das Grazer Auswahlverfahren absolviert haben, verfügen daher über ein einheitliches Niveau an Grundlagenkenntnissen, so dass bereits im ersten Semester medizinisch relevante Inhalte gelehrt werden können.

Erste Evaluierungen des Auswahlverfahrens zeigten, dass der Studienerfolg danach signifikant über dem der Gesamtpopulation der vorangegangenen Jahre lag. Während beispielsweise früher nur 20% der Studierenden den 1. Studienabschnitt in Mindestzeit absolvierten, schafften es 95% der AbsolventInnen des Auswahlverfahrens [8].


„Der Stand der Dinge“ und Zukunftsaussichten

Mittlerweile begleitet der VMC die Studierenden durch alle sechs Studienjahre. Im Oktober 2007 erreichte die Nutzung durch die Studierenden knapp 200.000 Zugriffe auf Lerninhalte pro Monat (Abbildung 2 [Abb. 2]). Ebenfalls seit Oktober 2007 hostet der VMC Graz das eLearning Angebot der Medizinischen Universität Innsbruck und mit dem Studiengang für Medizinische Nomenklatur eröffnete der 13. Studiengang seine virtuellen Pforten. Damit versorgt der VMC Graz vier Universitäten in zwei Europäischen Staaten sowie ein Diplomfortbildungsprogramm der Österreichischen Ärztekammer und einen internationalen Universitätslehrgang mit einem e-Learning-System.

Im Winter 2007/2008 wird der VMC – sozusagen zum 5-jährigen Jubiläum – als VMC Version 2.0 kräftig modernisiert und in neuem Web 2.0-Gewand relauncht. Damit wird, ganz im Sinne des Web 2.0-Gedanken, das 2006 eingeführte „Participatory-Design-Konzept“ flächendeckend für alle Studierenden nutzbar. Studierende können im Sinne von „Lernen durch Lehren“ an der inhaltlichen Gestaltung von Lernobjekten unter der Anleitung von facheinschlägigen Lehrpersonen aktiv teilnehmen und werden dabei vom Team der A-VMC bei technischen und e-didaktischen Fragestellungen unterstützt.

Gemeinsam mit 18 Universitäten, Fachhochschulen und Bildungseinrichtungen gestaltet die Medizinische Universität Graz das „Zertifikat e-Learning“, eine österreichweite offene Weiterbildungsinitiative im Bereich Neue Medien und e-Learning.

Für die Zukunft geht die technische Entwicklung des VMC in Richtung Web 3.0 – „Semantic Web“ [9], die inhaltliche und strategische Entwicklung schlägt einen vergleichbaren Weg ein und ist von einem weiteren Ausbau von Kooperationen geprägt.


Literatur

1.
Smolle J, Staber R, Jamer E, Reibnegger G. Aufbau eines universitätsweiten Lern-Informationssystems parallel zur Entwicklung innovativer Curricula - zeitliche Entwicklung und Synergieeffekte. In: Tavangarian D, Nölting K, editors. Auf zu neuen Ufern - E-Learning heute und morgen. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann; 2005. S. 217-26.
2.
Maerz R, Stein JI. Medizinstudium 2000. Alternatives for Learning and Assessment, Teaching and Evaluation. ZSfHD. 1998;22(4):3-140.
3.
Glasgow NA. New curriculum for new times. A guide to student-centered, problem-based learning. Thousand Oaks: Corwin Press; 1997.
4.
Holzinger A, Smolle J, Reibnegger G. Learning objects (LO): An object oriented approach to manage e-learning content. In: Lazakidou A, editor. Encyclopedia of informatics in healthcare and biomedicine. Hershey (PA): Idea Group Reference; 2006. S. 89-98.
5.
Reibnegger G, Smolle J. EUGH-Urteil vom 7. Juli 2005: Virtueller Medizinischer Campus Graz bietet Lösung. fnma newsletter. October 2005:6-7.
6.
Smolle J, Staber R, Hye F, Jamer E, Macher S, Neges H, et al. E-Learning in the First SEMESTER of an Undergraduate Medical Curriculum. EDEN conference proceedings; 2006. Available from: http://www.eden-online.org/contents/conferences/submit/upload/Smolle.doc. External link
7.
Smolle J, Neges H, Staber R, Macher S, Reibnegger G. Virtuelles Eingangssemester im Studium der Humanmedizin. Kontext, Nutzung, Ergebnisse. In: Seiler Schiedt E, Kälin S, Sengstag C, Hrsg. e-Learning - alltagstaugliche Innovation? Münster, New York, München, Berlin: Waxmann; 2006. S. 287-95.
8.
Smolle J, et al. eLearning im studentischen Life Cycle der medizinischen Ausbildung. Auswahlverfahren - Anreicherungskonzept - Blended Learning - Postgraduale Fortbildung. Studieren neu erfinden - Hochschule neu denken. Jahrestagung der Gesellschaft für Medizin in der Wissenschaft. 12.-14. Sep 2007; Hamburg, Germany. 2007:420.
9.
Berners-Lee T, Hendler J, Lassila O. The Semantic Web: a new form of Web content that is meaningful to computers will unleash a revolution of new possibilities. Scientific American. 2001;284(5):34-43.