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Augenrauschen: Differenzialdiagnostische Abgrenzung des visual snow-Syndroms
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Veröffentlicht: | 26. November 2014 |
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Als „visual snow“ oder Augenrauschen bezeichnet man die persistierende visuelle Wahrnehmung feiner flimmernder Punkte im Bereich des ganzen Gesichtsfeldes beider Augen, die über Monate oder Jahre anhält. Das Flimmern wird oft wie das Bildrauschen eines analogen Fernsehgerätes ohne Empfangssignal oder als „körniger“ Bildeindruck beschrieben. Da das Augenrauschen bei fast allen Patienten mit weiteren typischen visuellen Phänomenen verbunden ist, erscheint die Klassifikation des Augenrauschens als spezifisches klinisches Syndrom berechtigt. Als typische zusätzliche visuelle Symptome werden von den Patienten in absteigender Häufigkeit angegeben:
- Palinopsie: positive Nachbilder nach Wechsel der Blickrichtung bei stationären Szenen oder verwischte Bildspuren bei bewegten Objekten
- Entoptische Phänomene: aufleuchtende Lichter, farbige bewegte Wolken, Lichtpunkte oder helle Flecken am blauen Himmel
- Photophobie: Vermeiden von hellem Licht, das als unangenehm oder schmerzhaft empfunden wird
- Störung des Dämmerungssehens: durch Augenrauschen und positive Lichtphänomene
Bei den betroffenen Personen ist die Prävalenz von Tinnitus und Migraine mit typischer Aura größer als in der Normalbevölkerung. Eine organische Ursache für das Augenrauschen bzw. das visual snow-Syndrom ist nicht bekannt. Ein Visusverlust durch Augenrauschen wurde auch bei langjährigen Beschwerden bisher nicht beschrieben. Die Differentialdiagnose des visual snow-Syndroms erfordert deshalb den Ausschluss ophthalmologischer und neurologischer Erkrankungen. Das Augenrauschen führt weder zu einer Einschränkung des Visus oder des Gesichtsfeldes. Erkrankungen der Netzhaut oder des Nervus opticus als mögliche Ursache der Rauschwahrnehmung sind durch eine ophthalmologische Untersuchung und mit Hilfe elektrophysiologischer Verfahren (ERG, VECP) ausschließen. Die Palinopsie hat zahlreiche Ätiologien, darunter Epilepsie, fokale Hirnläsionen (z.B. okzipitale Gliome), Multiple Sklerose, Psychiatrische Erkrankungen und zentral wirksame Pharmaka (z.B. Topiramat). Eine neurologische fachärztliche Befundung und die Anwendung bildgebender Verfahren zum Ausschluss derartiger Erkrankungen sind daher bei Palinopsie indiziert.