gms | German Medical Science

HEC 2016: Health — Exploring Complexity
2016 Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

28.08. - 02.09.2016, München

Aufbau eines Nationalen Surveillance-Systems zum Diabetes mellitus in Deutschland

Meeting Abstract

  • Lars Gabrys - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Christin Heidemann - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Yong Du - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Panagiotis Kamtsiuris - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Thomas Ziese - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Christa Scheidt-Nave - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland

HEC 2016: Health – Exploring Complexity. Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI. München, 28.08.-02.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocAbstr. 341

doi: 10.3205/16gmds090, urn:nbn:de:0183-16gmds0906

Veröffentlicht: 8. August 2016

© 2016 Gabrys et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Epidemiologische Daten zeigen einen signifikanten Anstieg eines ärztlich diagnostizierten Diabetes bei Erwachsenen über die letzten Dekaden [1]. In jüngeren Geburtskohorten wird zudem ein säkularer Trend mit steigender Inzidenz des Typ-1-Diabetes beobachtet, dessen Ursachen bislang nicht geklärt sind [2], [3]. Verlässliche Einschätzungen zum Typ-2-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland existieren nicht. Analysen zeigen eine Zunahme des diagnostizierten Schwangerschaftsdiabetes in den letzten Jahren [4], eine systematische Nachverfolgung der betroffenen Frauen findet jedoch nicht statt. Generell sind Informationen zur Versorgungsqualität bei Diabetes mellitus nur begrenzt verfügbar. Aufgrund einer fragmentierten Datenlage und einer unzureichenden Nutzbarkeit verfügbarer Datenquellen ist eine umfassende und kontinuierliche Analyse zu Krankheitshäufigkeit, Krankheitsfolgen, Risikofaktorenentwicklung, Versorgungssituation und Präventionspotential von Diabetes auf Bevölkerungsebene in Deutschland bislang nicht gegeben. Ziel der Nationalen Diabetes-Surveillance ist es, verfügbare Datenquellen auf Bundes-, regionaler und Selbstverwaltungsebene zu bündeln, um eine umfassende und kontinuierliche Analyse und Berichterstattung entlang der drei Handlungsfelder 1. Erkrankungsrisiko senken, 2. Erkrankte früh erkennen und behandeln und 3. Krankheitsfolgen reduzieren, zu ermöglichen.

Methode: Der Aufbau des Surveillance-Systems wird vom Robert Koch-Institut (RKI) koordiniert und durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert. Die Projektlaufzeit beträgt vier Jahre (07/2015 - 06/2019) und ist in drei aufeinander folgende Projektphasen gegliedert. Projektphase I dient der Konzeptentwicklung (Konzeptphase: 2015-2016), in Projektphase II erfolgt die Implementierung und Erprobung der Datenflüsse (Implementierungsphase: 2016-2018), Projektphase III umfasst die Entwicklung eines Prototyps für die Gesundheitsberichterstattung (Produktphase: 2017-2019). Die Durchführung des Vorhabens wird durch einen interdisziplinären Fachbeirat aus den Bereichen Public Health, Epidemiologie, medizinischer Versorgung, evidenzbasierter Medizin sowie Versorgungsforschung, Gesundheitsberichterstattung und Patientenselbsthilfe begleitet.

Meilensteine für Projektphase I sind der Entwurf eines Rahmenkonzeptes und die Definition von Kernindikatoren. Hierbei sollen die Gesamtbevölkerung und die unterschiedlichen Diabetes-Typen (Diabetes mellitus Typ-1 und Typ-2, Gestationsdiabetes) berücksichtigt werden. Die methodischen Grundlagen liefern eine systematische Sichtung und Bewertung der internationalen Literatur sowie ein fortlaufender Konsensprozess mit (inter)nationalen Experten. Durch die Indikatoren sollen nicht nur bevölkerungsrepräsentative Daten zu Prävalenz, Inzidenz, Mortalität und präventablen Risikofaktoren, sondern auch Häufigkeiten und zeitliche Entwicklungen von Komplikationen und Folgeerkrankungen, Lebensqualität und Versorgungsqualität sowie Diabetes-Wissen und Selbstmanagement der betroffenen Menschen abgebildet werden. Meilenstein für Projektphase II ist eine systematische Analyse der Datenlage im Hinblick auf Datenverfügbarkeit, Nutzungsbarrieren und verbleibende Datenlücken zur Abbildung der abgestimmten Indikatoren. Dabei werden Ergebnisse bevölkerungsrepräsentativer Primärdatenerhebungen des Robert Koch-Instituts sowie Daten zur sekundären Nutzung, (z.B. Fallpauschalen-bezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik), epidemiologische und klinische Register zum Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen) berücksichtigt und Indikatoren-gestützt zusammengeführt. Meilenstein für Projektphase III ist die Entwicklung eines innovativen Produkt-Portfolios einer kontinuierlichen und zielgruppenspezifisch (Fach-/Laienöffentlichkeit, Gesundheitspolitik) ausdifferenzierten Gesundheitsberichterstattung.

Perspektive: Die Implementierung einer nationalen Diabetes-Surveillance soll eine umfassende und kontinuierliche Analyse zur zeitlichen Entwicklung von Diabetesrisiko, Präventionspotential, Krankheitslast und Versorgungsqualität in Deutschland unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede ermöglichen. Zudem wird die Surveillance einen zentralen Baustein bei der wissenschaftlichen Begleitung von gesundheitspolitischen Maßnahmen zur Prävention von Diabetes mellitus darstellen. Der Aufbau eines Surveillance-Systems zum Diabetesgeschehen in Deutschland dient als Prototyp für den Aufbau einer Surveillance zu anderen nicht-übertragbaren Gesundheitsproblemen von hoher Public Health Relevanz (Non-Communicable Disease Surveillance). Damit soll die evidenzbasierte Gesundheitsberichterstattung, Politikberatung und Maßnahmenfolgeforschung im Bereich der nicht-übertragbaren Krankheiten weiter ausgebaut werden.


Literatur

1.
Heidemann C, Du Y, Schubert I, Rathmann W, Scheidt-Nave C. Prävalenz und zeitliche Entwicklung des bekannten Diabetes mellitus. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz. 2013;56(5-6):668-77.
2.
Neu A, Ehehalt S, Willasch A, Kehrer M, Hub R, Ranke MB. Rising Incidence of Type 1 Diabetes in Germany 12-Year trend analysis in children 0–14 years of age. Diabetes Care. 2001;24(4):785-6.
3.
Bendas A, Rothe U, Kiess W, Kapellen TM, Stange T, Manuwald U, et al. Trends in Incidence Rates during 1999-2008 and Prevalence in 2008 of Childhood Type 1 Diabetes Mellitus in Germany–Model-Based National Estimates. PloS one. 2015;10(7):e0132716.
4.
Huy C, Loerbroks A, Hornemann A, Röhrig S, Schneider S. Prevalence, trend and determining factors of gestational diabetes in Germany. Geburtshilfe und Frauenheilkunde. 2012;72(4):311.