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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Smartphone-basierte Sturzdetektion, Datenübermittlung und Ereignisvisualisierung

Meeting Abstract

  • Aaron Krämer - Institut für Medizinische Informatik, RWTH Aachen University, Deutschland
  • Ralf Bettermann - Institut für Medizinische Informatik, RWTH Aachen University, Deutschland
  • Siamak Mottaghian - Institut für Medizinische Informatik, RWTH Aachen University, Deutschland
  • Thomas Deserno - Institut für Medizinische Informatik, RWTH Aachen University, Deutschland
  • Stephan Jonas - Institut für Medizinische Informatik, RWTH Aachen University, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 251

doi: 10.3205/15gmds038, urn:nbn:de:0183-15gmds0382

Veröffentlicht: 27. August 2015

© 2015 Krämer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Zur Sturzerkennung werden Geräte und Sensoren am Körper der Person getragen oder angebracht. Ein Algorithmus wertet die Daten aus und ermittelt, ob ein Sturzereignis vorliegt. Seit längerem werden spezielle Systeme für ältere Menschen entwickelt [1], aber auch im Heim-, Freizeit- und Sportbereich kommt es vermehrt zu Stürzen [2], [3].

In diesem Artikel wird die Entwicklung einer Android Applikation zur Sturzverfolgung beschrieben (vgl. Sposaro und Tyson [4]).

Material und Methoden: Die Applikation besteht aus 4 Modulen: Die Messung von (1) physiologischen Parametern wird mit einer (2) automatischen Sturzerkennung kombiniert und über eine (3) Bluetooth-Schnittstelle an Rettungskräfte vor Ort übermitteln und (4) dort visualisiert. Mehrere Sensoren erfassen sowohl die Lage als auch die Vitalparameter des Benutzers. Zur Erfassung der Vitalparameter des Benutzer wird ein Pulssensor über Bluetooth angebunden. Die Lagebestimmung erfolgt mit Hilfe von Beschleunigungssensoren.

In einer ersten Version wird eine UVEX Skibrille (http://www.uvex-sports.com) mit RECON SNOW2 (http://www.reconinstruments.com) eingesetzt. Grundsätzlich ist aber jedes Gerät welches mit dem Android Betriebssystem läuft in der Lage die Applikation auszuführen. Das modulare Softwarekonzept erlaubt es, weitere Sensoren mit geringem Aufwand hinzuzufügen.

Die Sensordaten werden kurzfristig auf dem Gerät gespeichert und ausgewertet. Jeder Sensor meldet eigenständig, ob ein Sturz erkannt wurde. Bei einem erkannten Sturz wird zunächst über den Bildschirm in der Skibrille eine Interaktion mit dem Benutzer initiiert. Ein Sturz ist erfolgt, wenn der Benutzer keine Rückmeldung gibt oder den Sturz bestätigt.

Sobald ein Sturz positiv bestätigt wurde, werden die Daten des Sturzes und laufende Vitalparameter an ein Ausgabemodul übergeben, welches diese über eine Bluetooth Schnittstelle für einen Client bereit stellt.

Sobald ein Client, also beispielsweise ein Sanitäter mit einem Smartphone, in der Nähe ist, können die Daten abgerufen und durch eine Visualisierungs-Anwendung dargestellt werden. Die Anwendung zur Visualisierung der Daten zeigt kontinuierliche Vitalparameter als Graphen an. Position, Richtung und Intensität eines Aufpralls werden mit einem Pfeil auf einem Körpermodell visuell dargestellt. Diese Visualisierungs-Anwendung kann vom Notarzt oder Rettungsteam direkt genutzt werden, um den Zustand des Patienten vor Ort zu überwachen und Rückschlüsse auf eventuelle Verletzungen zu ziehen.

Die Sturzerkennung wird anhand der Methoden von Noury et al. [1] evaluiert. Sensitivität (Verhältnis erkannter Stürze zu allen Stürzen) und Spezifität (Verhältnis erkannter nicht-Stürze zu allen nicht-Stürzen) werden in einer Nutzerstudie ermittelt, in der Probanden bestimmte Stürze in Sportsituationen ausführen. Der Nutzen für das Rettungspersonal soll mit synthetischen Daten bestimmt werden, die durch nachgestellte Unfälle unterschiedlichen Schweregrades generiert werden. Basierend auf der Visualisierung auf der Client-Applikation kategorisiert das Rettungspersonal den Schweregrad des Falles, was mit den Ausgangsdaten verglichen werden kann. Zudem wird eine Selbsteinschätzung der Rettungskräfte erhoben. Die Benutzeroberfläche wird unter ergonomischen Gesichtspunkten untersucht mit dem ISONORM 9241/110S Fragebogen untersucht.

Ergebnisse: Die Applikation befindet sich derzeit in der Entwicklung. Die Sturzerkennung wird durch existierende und evaluierte Verfahren gewährleistet. Die Evaluierung wird zur GMDS 2015 abgeschlossen sein.

Diskussion: Stürze sind die Hauptunfallart in Sport und Freizeit und eine frühe Diagnose ist wichtig [2], [3]. Die hier vorgestellte Applikation bietet die Möglichkeit nach einem Sturz die Vitalparameter vor Ort zu empfangen sowie Position, Richtung und Intensität des Aufpralls graphisch nachzuvollziehen.

Durch eine Visualisierung des Sturzhergangs und der Vitalparameteränderungen könnten so bereits früh schwere innere Schäden erkannt und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Verzögerungen, wie zuletzt im Fall Michael Schumacher bekannt geworden könnten somit verhindert werden.

Eine hilfreiche Ergänzung der Sofortmaßnamen am Unfallort wäre ein Körper-Modell zur Modellierung von Weichteil- und Kochenschäden. Zudem könnte statt einer Bluetooth Verbindung auch eine Telenotarzt-Schnittstelle verwendet werden.

Mögliche Erweiterungen des Systems sind die Verwendung weiterer Sensoren um die Güte der Sturzerkennung zu erhöhen, weitere Vitalparameter zu erhalten oder komplexere Verletzungen zu erkennen. Durch die Verwendung mehrerer Beschleunigungssensoren an verschiedenen Extremitäten könnten so beispielsweise Rückschlüsse auf Verletzungen von Gelenken oder der Halswirbelsäule gezogen werden.

Die Applikation wurde für Smartphones entwickelt, grundsätzlich ist aber jedes Gerät, das mit dem Android Betriebssystem betrieben wird, in der Lage, die Applikation auszuführen.


Literatur

1.
Noury N, Fleury A, Rumeau P, Bourke AK, Laighin GO, Rialle V, Lundy JE. Fall detection - Principles and Methods. Engineering in Medicine and Biology Society 2007. 29th Annual International Conference of the IEEE; 22-26 Aug. 2007. pp.1663-6.
2.
Michel FI, Bochud Y. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 09 – Haus und Freizeit. Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2012.
3.
Beratungsstelle für Unfallverhütung [internet]. Switzerland: Swiss Council for Accident Prevention. Jul 28, 2014. Available from: http://tinyurl.com/bfu-entwicklung-verletzter Externer Link
4.
Sposaro F, Tyson, G. iFall: An android application for fall monitoring and response. Engineering in Medicine and Biology Society 2009. Annual International Conference of the IEEE; 3-6 Sept. 2009. pp.6119-22,