gms | German Medical Science

GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

Unter welchen Voraussetzungen eignen sich GKV-Routinedaten zur Überprüfung von Leitlinien im Versorgungsalltag? - Eine Analyse anhand der Indikation Herzinsuffizienz -

Meeting Abstract

  • Sarah Neubauer - Leibniz Universität Hannover, Hannover, DE
  • Jan Zeidler - Leibniz Universität Hannover, Hannover, DE
  • Tobias Schilling - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (HTTG), Hannover, DE
  • Susanne Engel - WINEG, Hamburg, DE
  • Roland Linder - WINEG, Hamburg, DE
  • Frank Verheyen - WINEG, Hamburg, DE
  • Axel Haverich - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (HTTG), Hannover, DE
  • J.-Matthias Graf von der Schulenburg - Leibniz Universität Hannover, Hannover, DE

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.179

doi: 10.3205/13gmds226, urn:nbn:de:0183-13gmds2268

Veröffentlicht: 27. August 2013

© 2013 Neubauer et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung: Leitlinien spielen eine zentrale Rolle in der Medizin, da sie den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammenfassen, Handlungsempfehlungen an die behandelnden Ärzte geben sowie den weiteren Forschungsbedarf aufzeigen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, inwiefern diese Empfehlungen im Versorgungsalltag angewendet werden. Ziel dieser vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) geförderten Studie ist es daher, zu analysieren, unter welchen Voraussetzungen Routinedaten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Überprüfung von Leitlinien im Versorgungsalltag genutzt werden können. Konkret wird anhand der Indikation Herzinsuffizienz untersucht, ob sich die Empfehlungen der nationalen Leitlinie in der Versorgungsrealität widerspiegeln und welche Auswirkungen eine leitliniengerechte Behandlung auf den Verlauf der Erkrankung hat.

Material und Methoden: Um die Fragestellungen zu beantworten, wurden Routinedaten der Techniker Krankenkasse (TK) für die Jahre 2008-2011 verwendet. Analysiert wurden sowohl ambulante als auch stationäre Abrechnungsdaten, Daten der Rehabilitation und zur Arbeitsunfähigkeit, Arznei-, Heil- und Hilfsmitteldaten sowie Stammdaten der Versicherten. Die vorhandenen Routinedaten wurden zunächst validiert und mittels deskriptiver Statistik ausgewertet. Im Rahmen von Subgruppenanalysen wurden die Patienten auf Verschreibungsunterschiede hinsichtlich ACE-Hemmer, Beta-Rezeptorenblocker und anderer Wirkstoffe für die Herzinsuffizienztherapie untersucht. Chancen und Limitationen der GKV-Routinedaten zur Überprüfung von Leitlinienkonformität sowie Voraussetzungen an das Indikationsgebiet und an die Leitlinie selbst wurden systematisch analysiert und kritisch gewürdigt. Um zu untersuchen, ob eine leitliniengerechte Therapie einen Einfluss auf die patientenrelevanten Endpunkte Mortalität, Krankenhauseinweisungen und NYHA-Progression hatte und welche Variablen u. U. weitere Effekte haben, wurde ein binäres logistisches Regressionsmodell angewendet und bzgl. Alter, Geschlecht, Elixhauser-Score, Impfung, EKG sowie Echokardiographie innerhalb eines Jahres nach dem Indexereignis (Ja/Nein), ACE-Hemmer, Beta-Rezeptorenblocker, Schleifendiuretika, Thiazide sowie Aldosteron-Antagonisten (0 = leitliniengerecht/ 1 = nicht leitliniengerecht) kontrolliert.

Ergebnisse: Die relevante Studienpopulation umfasst 104.236 Herzinsuffizienz-Patienten (ICD I50.11-14). Neben den durchgängig Versicherten wurden ebenfalls Patienten berücksichtigt, die in dem Studienzeitraum verstorben sind. Als wichtige Voraussetzung zur Leitlinienüberprüfung müssen die Handlungsempfehlungen der Leitlinien anhand von EMB-Ziffern, ATC sowie OPS Codes abbildbar und dokumentiert sein, um diese mithilfe von Krankenkassendaten analysieren zu können. Dementsprechend sind nicht alle Leitlinienempfehlungen darstellbar, etwa die Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Dennoch lässt sich die Versorgungsrealität, im Speziellen die Pharmakotherapie, gut mit GKV-Routinedaten abbilden. So bekamen z. B. lediglich 56,4% der Patienten ACE-Hemmer verschrieben, obwohl dies über alle Krankheitsstadien nach NYHA laut Leitlinie empfohlen wird. 70,5% der in NYHA-Klasse II-IV eingruppierten Versicherten erhielten Beta-Rezeptorenblocker (Ziel: 100%). Die Regressionsanalyse ergab, dass mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit zu sterben, ins Krankenhaus eingewiesen bzw. progedient zu werden, steigt. Auch der Schweregrad der Herzinsuffizienz (NYHA-Status) erhöht diese Wahrscheinlichkeiten bezüglich der patientenrelevanten Endpunkte. Die Region hingegen besitzt eher eine untergeordnete Rolle. Die leitliniengerechte Therapie hat in allen Modellen einen zumeist statistisch signifikanten Einfluss.

Diskussion: Um die Anwendung von Leitlinien anhand von GKV-Routinedaten abbilden zu können, müssen eine Reihe von Voraussetzungen bezüglich der Datengrundlage, des zu untersuchenden Indikationsgebietes sowie der Leitlinien selbst erfüllt sein. Allerdings existieren auch einige Leitlinienempfehlungen, die beispielsweise auf klinischen Daten basieren, welche in den Abrechnungsdaten der Krankenkasse nicht erfasst sind und daher nicht abgebildet werden können. Trotz dieser Einschränkungen stellen GKV-Routinedatenanalysen ein geeignetes Instrument zur Überprüfung der Anwendung ausgewählter Leitlinienempfehlungen in der Versorgungspraxis dar.