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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

„The big picture“ - Ansätze zur prägnanten Visualisierung des klinischen Falles in der elektronischen Patientenakte

Meeting Abstract

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  • Daniel Flemming - Hochschule Osnabrück, Osnabrück, DE
  • Ursula Hübner - Hochschule Osnabrück - University of Applied Sciences, Osnabrück, DE

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.210

doi: 10.3205/13gmds103, urn:nbn:de:0183-13gmds1036

Veröffentlicht: 27. August 2013

© 2013 Flemming et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung: Die Elektronische Patientenakte (EPA) dient nicht nur der Dokumentation, sondern auch der Kommunikation zwischen den Akteuren [1]. Im Gegensatz zur Dokumentation ist die Kommunikation fast ausschließlich sowohl auf einen Adressaten als auch auf einen Zweck ausgerichtet [2]. Dienstübergaben stellen verdichtete Kommunikationsszenarien dar, in denen Patienteninformationen zur Sicherstellung der Versorgungskontinuität zwischen den Akteuren der konsekutiven Schichten ausgetauscht werden [3]. In begrenzter Zeit muss ein möglichst vollständiges Bild des Patienten und seiner für die Fortsetzung der Versorgung relevanten Informationen derart gegeben werden, dass die Adressaten die Informationen in der richtigen Form wahrnehmen und sich merken. Ein solch prägnantes Bild des klinischen Falls besteht nicht nur aus faktischen Einzelinformationen, sondern auch aus prospektiven (z.B. Empfehlungen) oder subjektiven (z.B. Einschätzungen, Meinungen) Angaben [4]. Da die Präsentation von Informationen das Denken und die Entscheidungsfindung der Akteure stark beeinflusst, ist es notwendig, die Visualisierung von Informationen mit Bedacht zu gestalten [5]. Somit lautet die Frage dieser Teilstudie, wie Informationen einer erweiterten EPA visualisiert werden müssen, damit sie von den Akteuren während einer Dienstübergabe korrekt wahrgenommen und behalten werden können.

Material und Methoden: Die Grundlagen der Wahrnehmung werden in der Wahrnehmungspsychologie unter anderem durch die Gestaltpsychologie beschrieben [6]. Die dabei formulierten Gestaltgesetze bilden Wahrnehmungsregeln, die sich auf die Visualisierung von Informationen übertragen lassen [7]. Ausgehend von den identifizierten Informationsobjekten für ein vollständiges und komprimiertes Bild in der Patientenübergabe [4], den dazugehörigen Detailinformationen und des daraus abgeleiteten Modells einer erweiterten EPA [8], wurden Fallgeschichten entwickelt, anhand derer die Gestaltgesetze im Rahmen der Informationsdarstellung auf ihre Anwendbarkeit hin untersucht wurden.

Ergebnisse: Alle für den speziellen Fall als relevant identifizierte Informationen wurden auf der linken Bildschirmseite ähnlich einer MindMap zusammengefasst und auf der rechten Bildschirmseite erfolgte die listenartige Darstellung von Detailinformationen. Klinische Probleme (Diagnosen oder zunächst unspezifische Problemformulierungen) wurden in Anlehnung an das Gesetz der Kontinuität mithilfe einer immer wiederkehrenden Form dargestellt. Die Unterscheidung zwischen akuten und chronischen Problemen erfolgte auf der Grundlage des Gesetzes der Prägnanz durch unterschiedliche Farbsättigungen des Vorder- und Hintergrundes. Standen mehrere Probleme miteinander in Beziehung wurde diese durch eine Linie (Gesetz der fortgesetzt durchgehenden Linie) dargestellt. War ein Problem mit weiteren Informationen (z.B. Interventionen, Empfehlungen, Einschätzungen) verbunden, so verwiesen Symbole innerhalb der geschlossenen Formen auf diese Ergänzungen, so dass das Gesetz der Geschlossenheit gewahrt wurde. Der Hinweis auf handlungsorientierte Informationen, wie noch offene ToDos und Handlungsempfehlungen, wurde mithilfe von Symbolen dargestellt, die sich in Anlehnung an das Gesetz der Ähnlichkeit nur farblich unterschieden.

Diskussion: Die Gestaltgesetze konnten auf die Darstellung von Kerninformationen eines klinischen Falles übertragen werden. Damit ist eine piktographische Präsentation möglich, die eine Ergänzung zu listenförmigen Darstellungen bietet. Da sich diese an grundlegenden Wahrnehmungsprinzipien orientiert, ist anzunehmen, dass sie die kognitiven Prozesse der Kommunikationsteilnehmer, insbesondere der Informationsempfänger gut unterstützt. Diese Annahmen werden daher in einem nächsten Schritt experimentell untersucht. Damit die EPA die Akteure in ihrer Kommunikation tatsächlich unterstützt, muss sie sich von einem strukturierten, aber ungerichteten Datencontainer zu einem Werkzeug entwickeln, das sich an den kognitiven Bedürfnissen der menschlichen Informationsverarbeitung orientiert. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen hierbei einen Lösungsansatz auf.


Literatur

1.
Pirnejad H, Niazkhani Z, Berg M, Bal R. Intra-organizational communication in healthcare--considerations for standardization and ICT application. Methods Inf Med. 2008;47(4):336–45.
2.
Engesmo J, Tjora AH. Documenting for whom? A symbolic interactionist analysis of technologically induced changes of nursing handovers. New Tech Work Empl. 2006 Juli;21(2):176–89.
3.
Staggers N, Jennings BM. The content and context of change of shift report on medical and surgical units. J Nurs Adm. 2009 September;39(9):393–8.
4.
Flemming D, Hübner U. How to improve change of shift handovers and collaborative grounding and what role does the electronic patient record system play? Results of a systematic literature review. Int J Med Inform. 2013; accepted paper.
5.
Karsh B-T, Weinger MB, Abbott PA, Wears RL. Health information technology: fallacies and sober realities. J Am Med Inform Assoc. 2010 Jan;17(6):617–23.
6.
Koffka K. Principles of Gestalt Psychology. New York: Harcourt-Brace; 1935.
7.
Ware C. Information Visualization: Perception for Design. 3rd revised edition. Morgan Kaufmann; 2012.
8.
Flemming D, Hübner U, Remmers H. „To tell a better story“ – Ansätze zur Unterstützung eines gemeinsamen Fallverständnisses in der elektronischen Patientenakte. Tagungsband der 57. gmds Jahrestagung; 2012;185-186.