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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

26.09. - 28.09.2013, Graz, Österreich

Interpretation von Häufigkeitsadverbien in medizinischen Texten

Vortrag

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  • corresponding author Johannes Bernhardt-Melischnig - Medizinische Universität Graz, Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation, Graz, Österreich
  • Stefan Schulz - Medizinische Universität Graz, Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation, Graz, Österreich

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Graz, 26.-28.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocV15_01

doi: 10.3205/13gma235, urn:nbn:de:0183-13gma2353

Veröffentlicht: 20. August 2013

© 2013 Bernhardt-Melischnig et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Mit der Interpretation von Häufigkeitsadverbien wie „oft“, „häufig“, „selten“ sind Studierende bei Lehr- und Prüfungsmaterialien sowie im Patientengespräch ständig konfrontiert. Was heißt es genau, wenn eine Krankheit „oft“ mit Fieber einhergeht, oder ein Patient „gelegentlich“ Herzrasen verspürt? Lässt sich die Bedeutung solcher Adverbien quantifizieren? Wie weit ist die Interpretation kontextabhängig?

Methodik: Um diese Fragen empirisch zu untersuchen, wurde eine Web-Umfrage mit drei Teilaufgaben T1–T3 konzipiert und im Rahmen einer Lehrveranstaltung von Studierenden der Humanmedizin bearbeitet. Hierbei waren 19 Häufigkeitsadverbien als Prozentwerte auszudrücken (T1), sowie unabhängig davon als Prozentintervalle (T2).

Für T3 waren für sechs Adverbien je sieben Aussagesätze aus einer Kollektion von Prüfungsfragen entnommen worden, wobei Richtig- und Falschantworten zu gleichen Anteilen repräsentiert waren. Für jedes Adverb in jedem Satz waren wie in T1 Prozentwerte zuzuweisen.

Die Präsentation der Fragen erfolgte zufallsgesteuert. Die Ergebnisse einer Teilaufgabe waren in der folgenden nicht mehr einsehbar. Die Ergebnisse wurden in Excel nachbearbeitet und mit SPSS ausgewertet.

Datensätze mit unvollständigen, mehrdeutigen oder falschen Angaben wurden herausgenommen, ebenso offensichtliche Ausreißer. So fiel bei T3 in einigen Fällen die systematische Zuweisung von Werten nahe 100% bei „nie“ auf, was vermuten ließ, dass hier eher die Interpretation der Aussagen als des Adverbs im Vordergrund stand.

Die Ergebnisse von T1 wurden als Mittelwerte mit Standardabweichungen (SD) dargestellt. Für T2 wurden die Mittelwerte aus den Intervallmitten errechnet und die mittleren Intervallbreiten ermittelt. Aus T3 wurden pro Häufigkeitsadverb die zugewiesenen Prozentwerte mit 95%-KI miteinander verglichen.

Ergebnisse: Von 109 Teilnehmenden (60% w, 40% m) wurden bei T1 81, bei T2 84 und bei T3 57 Antworten verwertet. Die drei Umfragen wiesen eine große Übereinstimmung auf. „Immer“ und „nie“ lagen in T1 nahe bei 100% bzw. 0%; die SDs zwischen 1% („nie“) und 22% („gewöhnlich“). Die Mittelwerte aus T2 und T3 wichen nur minimal ab. Die Intervallbreiten korrelierten sehr gut mit den SDs (Pearson=0.89). Bei der Einbettung der Adverbien in sprachliche Kontexte ergaben sich kleinere, aber nicht signifikante Unterschiede (siehe Abbildung 1 [Abb. 1] und 2 [Abb. 2]).

Diskussion: Die generell beträchtliche Streuung zeigte deutlich die Problematik einer präzisen Quantifizierung von Temporaladverbien. Es ließen sich Gruppen identifizieren, die sich in ihrer Interpretation unwesentlich unterscheiden, wie „häufig“, „oft“, „gewöhnlich“, „öfter“ und „manchmal“, „gelegentlich“, „zeitweise", „mitunter“. Wesentliche Unterschiede in Intervallbreite und SD zeigten sich im Mittelfeld nicht, so dass wir keine Empfehlungen zur Bevorzugung bestimmter Adverbien aussprechen wollen. Überraschend war der Befund, dass die Interpretation wenig vom sprachlichen Kontext abhing.