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Prävention zwischen Evidenz und Eminenz
15. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

13.03. - 15.03.2014, Halle (Saale)

Krebsfrüherkennungsuntersuchungen und Patientennutzen im Sinne des SGB V

Meeting Abstract

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Prävention zwischen Evidenz und Eminenz. 15. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Halle, 13.-15.03.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. Doc14ebmP8a

doi: 10.3205/14ebm096, urn:nbn:de:0183-14ebm0963

Veröffentlicht: 10. März 2014

© 2014 Schaefer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im Zusammenhang mit der Bewertung von Arzneimitteln definiert §35b SGB V den Begriff Patientennutzen als „Verbesserung des Gesundheitszustandes, Verkürzung der Krankheitsdauer, Verlängerung der Lebensdauer, Verringerung der Nebenwirkungen sowie Verbesserung der Lebensqualität“. Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) werden an gesunden Menschen durchgeführt. Für sie sollte der Nutzen so streng definiert werden, wie für medizinische Maßnahmen bei bereits Erkrankten. Der Beitrag untersucht, ob für häufige KFU ein Nutzen im Sinne von §35b SGB V belegt ist.

Methode: Systematische Pubmed-Recherche zu Mammographie, Sigmoidoskopie, PSA-Test. Eingeschlossen wurden RCTs und aggregierte Evidenz mit den Endpunkten Gesamtmortalität, tumorspezifische Mortalität, Inzidenz oder Lebensqualität.

Ergebnisse: Primärer Endpunkt aller RCT war Reduktion der tumorspezifischen Mortalität. Daten zur LQ wurden nicht erhoben. Kein RCT war gepowert, eine screeningbedingte Reduktion der Gesamtmortalität nachzuweisen. An Tumorfolgen starben trotz KFU mehr Menschen, als gerettet wurden. Für alle KFU waren Überdiagnosen mindestens 10-fach häufiger als ein verhinderter Tumortod (bei Sigmoidoskopie wurden zusätzliche Diagnosen von Hochrisikopolypen, die eine langfristige Überwachung nach sich zogen, als Überdiagnosen gewertet). Für Patientennutzen gem. §35 SGB V bedeutet dies: keine eindeutige Verbesserung des Gesundheitszustandes (für Gerettete Verbesserung, für Überdiagnostizierte Verschlechterung); keine eindeutige Verkürzung der Krankheitsdauer (für Gerettete verkürzt, für Überdiagnostizierte und Unheilbare verlängert); kein Nachweis der Lebensverlängerung wegen fehlender Power der Studien; keine eindeutige Verringerung von Nebenwirkungen (Verringerung bei Geretteten, zusätzliche NW bei Überdiagnostizierten); keine Daten zum Nachweis der Verbesserung der LQ.

Diskussion: Für keine KFU ist Patientennutzen gemäß §35b SGB V belegt. Für diejenigen, die profitieren, ist der Nutzen sehr hoch. Die allen Untersuchungen immanente Überdiagnose bedeutet andererseits für Betroffene eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes, Verlängerung der Krankheitsdauer und zusätzliche Nebenwirkungen. Die Vorverlegung der Diagnose bringt unheilbar Kranken eine Verlängerung der Krankheitsdauer. Die bisherige Bewertung von KFU allein anhand der Reduktion tumorspezifischer Mortalität blendet diese Schäden aus und berücksichtigt nicht die sozialgesetzlich definierten Anforderungen an Patientennutzen.