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Scientabilität – ein Konzept zum Umgang der EbM mit Homöopathie und anderen Lehren der Glaubensmedizin
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Veröffentlicht: | 11. März 2013 |
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Gliederung
Text
Hintergrund und Fragestellung: Homöopathie ist die wohl beliebteste und verbreitetste dogmatische Lehre im deutschen Gesundheitswesen. Sie beruht nicht auf naturwissenschaftlichen Grundlagen, sondern beruft sich überwiegend auf ein 200 Jahre altes Gedankengebäude. Dennoch sichern ihr Gesetze heute einen Sonderstatus als „besondere Therapierichtung“ zu.
In der Absicht, die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel zu prüfen, werden seit über 180 Jahren Studien durchgeführt, von den ersten Doppelblindversuchen im Wirtshaus „Zum roten Hahn“ bis zu den Reviews von Linde [1] und Shang im The Lancet. Da selbst einige RCTs sowie der Review von Linde Wirksamkeiten ermitteln, die über dem Placebo-Effekt liegen, wird heute die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel – unabhängig von ihrem Verdünnungsgrad – von Anhängern der Homöopathie als belegt angesehen. Solche Behauptungen verunsichern Ärzten und Patienten und sie schüren das Misstrauen gegenüber der akademischen Medizin, deren Grundlagen denen der Homöopathie entgegenstehen.
Die Fragestellung lautet: Wie kann die Methodik der EbM weiterhin der akademischen Medizin zur kritischen Selbstbewertung dienen, ohne sich dabei von Anhängern der Homöopathie und anderer Glaubenslehren vereinnahmen und missbrauchen zu lassen?
Material/Methoden: Literaturrecherche
Ergebnisse:
- 1.
- Verfechter der EbM erheben den Anspruch, dass ihre Methodik für jede Art von Wirksamkeitsnachweis geeignet ist.
- 2.
- Es gibt zahlreiche Quellen, die die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel als wissenschaftlich belegt bezeichnen und sich dabei auf die Methodik der EbM berufen.
- 3.
- Selbst die hochwertigsten klinischen Studien sind fehler- und interpretationsanfällig.
- 4.
- Vereinzelt wurde darauf hingewiesen, dass die EbM für die Untersuchung von Glaubensmedizin nicht geeignet ist [2].
Schlussfolgerungen: Die Methodik der EbM ist nicht dazu geeignet, die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel zu bestätigen oder zu widerlegen, da sie keine ausreichende Aussagekraft besitzt, um gesicherte Erkenntnisse der Naturwissenschaft außer Kraft zu setzen. Wir regen an, vor einer klinischen Untersuchung eines Verfahrens oder einer Arzneisubstanz deren „Scientabilität“ zu prüfen [3]. Ein Verfahren oder eine Arzneisubstanz ist dann „scientabel“, wenn sie nicht gegen gesicherte Erkenntnisse der Physik, Chemie, Physiologie und Pharmakologie verstößt. Ist sie nicht scientabel, soll ihre Wirksamkeit nicht in klinischen Studien untersucht werden.
Literatur
- 1.
- Linde K, et al. Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? A meta-analysis of placebo-controlled trials. The Lancet. 1997;350:834-43.
- 2.
- Hall H. Complementary and Alternative Medicine (CAM): Fairy Tale Science and Placebo Medicine. 6th World Skeptics Congress; Berlin; 2012.
- 3.
- Weymayr Ch, Heißmann N. Die Homöopathie-Lüge. München: Piper; 2012.