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Subjektive Einflussfaktoren der Nutzung zahnärztlicher Angebote und der Arzt-Patient-Beziehung bei Menschen mit türkischem Migrationshintergrund
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Veröffentlicht: | 25. September 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland nutzen die Zahnvorsorgeuntersuchung in geringerem Maße als die Allgemeinbevölkerung [1]. Bisher ist allerdings noch weitgehend unklar, welche Faktoren die Nutzung dieser Angebote und die Inanspruchnahme zahnärztlicher Angebote insgesamt beeinflussen.
Fragestellung und Zielsetzung: Im Rahmen der vorliegenden qualitativen Studie soll untersucht werden, welche Faktoren die Nutzung zahnärztlicher Angebote im Allgemeinen und der Zahnvorsorgeuntersuchung im Besonderen bei erwachsenen Menschen mit Migrationshintergrund beeinflussen und wie sich die Interaktion mit Zahnärzten und deren Mitarbeiter*innen gestaltet.
Methode oder Hypothese: Im Rahmen leitfadengestützter narrativer Interviews wurden 9 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund zu ihren Erfahrungen, Wünschen und Herausforderungen in der Nutzung zahnärztlicher Angebote und zu Einflussfaktoren auf die Nutzung befragt. Die Interviews wurden von geschulten Interviewerinnen in deutscher oder türkischer Sprache durchgeführt und nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.
Ergebnisse: In den Interviews zeigen sich verschiedene Verhaltensmuster. Während ein Teil der Befragten Zahnvorsorgeuntersuchungen regelmäßig in Anspruch nimmt, geben andere an, nur bei Schmerzen oder anderen Problemen zum Zahnarzt zu gehen. Daneben sind fehlende Kenntnis über die Zahnvorsorgeuntersuchung, Schichtarbeit und Arbeiten mit hoher Mobilität wesentliche Faktoren, die die Nutzung verhindern können. Ein anderer Befragter äußert, dass er die wichtige Zeit seines Zahnarztes ohne konkrete Gesundheitsprobleme nicht in Anspruch nehmen will. Andere Befragte nutzen zahnärztliche Angebote regelmäßig, berichten jedoch teilweise von problematischen Arzt-Patient-Beziehungen.
Neben der wahrgenommenen Behandlungsqualität wirken sich bei den Teilnehmer*innen vorrangig fehlende Transparenz hinsichtlich der Behandlungskosten, zu wenig Zeit während der Behandlung und Sprachbarrieren auf die Arzt-Patient-Beziehung aus. Dabei wurde fehlende Zeit bei der Behandlung teilweise als fehlendes Interesse oder Nachlässigkeit gedeutet. Diese Aspekte verhindern jedoch bei den regelmäßigen Nutzern nicht die Inanspruchnahme. So gaben die Befragten an, lediglich aus Krankheitsgründen oder aufgrund wichtiger Ereignisse Termine zu verschieben oder abzusagen.
Diskussion: Es wird deutlich, dass neben fehlender Kenntnis des Angebots und der fehlenden wahrgenommenen Relevanz soziale und ökonomische Faktoren die Nutzung der Zahnvorsorgeuntersuchung verhindern können. Darüber hinaus prägen zeitliche und ökonomische Faktoren auch die Arzt-Patient-Beziehung.
Praktische Implikationen: Die identifizierten Handlungsbereiche können, ergänzt durch noch ausstehende Erkenntnisse zu den Nutzungscharakteristika anderer Personengruppen, zu einer migrationssensibleren Gestaltung der zahnärztlichen Versorgung genutzt werden.