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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) als theoretische Folie zur Implementierung technologischer Innovationen in der Versorgungsforschung

Meeting Abstract

  • Michael Schaller - UMIT, Hall in Tirol, Austria
  • Michael Schaller - Katholische Stiftungsfachhochschule München, München, Germany
  • Jenny Kubitza - Katholische Stiftungsfachhochschule München, München, Germany
  • Bernd Reuschenbach - Katholische Stiftungsfachhochschule München, München, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP027

doi: 10.3205/17dkvf289, urn:nbn:de:0183-17dkvf2897

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Schaller et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Fragen der Implementierung technologischer Innovationen erfahren innerhalb der internationalen Versorgungsforschung in den letzten Jahren zunehmende Beachtung. Die Berücksichtigung von Aspekten soziotechnischer Überlegungen ist vor diesem Hintergrund obligatorisch. An diesem Punkt des aktuellen Diskurses weist die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) als Sozialtheorie in ihrem postmodernen Paradigma ein großes Anknüpfungspotential auf, denn „Die bekannteste und zugleich umstrittenste These der ANT, [ist] die methodologische Forderung, sämtliche Entitäten – Menschen wie technische Apparate – als Akteure zu behandeln […]“ ([1], S. 15). In Bezug auf die Implementierung von Technologien im Gesundheitswesen wird die ANT international bereits zur Kenntnis genommen (vgl. [2]). Eine aktuelle Zusammenschau zur Thematik konnte bislang nicht identifiziert werden.

Fragestellung: Ziel ist es zu klären, wie die ANT in der Versorgungsforschung im Rahmen der Implementierung technologischer Innovationen zum jetzigen Zeitpunkt aufgegriffen wird. Damit soll ein theoriegeleiteter Beitrag zum Technik-Diskurs in der Versorgungsforschung geleistet werden.

Methode: Zur Bewertung der Konzeption der ANT als theoretische Basis für die Implementierung technologischer Innovationen wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Der Materialzugang erfolgte durch Recherche in elektronischen Fachdatenbanken (PubMed und CINAHL) mit den Suchbegriffen ‚actor network theory‘ und ‚health services research‘, verknüpft mit dem Booleschen Operator ‚AND‘, um einen breiten Zugang zu gewährleisten. Eingeschlossen wurden alle deutsch- und englischsprachigen Beiträge mit Bezug zur ANT im Rahmen der Versorgungsforschung, dabei besonders im Hinblick auf die Implementierung technologischer Innovationen. Die relevanten Daten aus den Beiträgen zur Beantwortung der erkenntnisleitenden Fragestellung wurden extrahiert, narrativ zusammengefasst und diskutiert.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 41 Beiträge identifiziert, davon wurden elf als wesentlich für die vorliegende Fragestellung eingestuft. Von diesen Beiträgen stammen fünf aus der nordamerikanischen Region und sechs aus dem skandinavischen Raum bzw. aus dem Vereinigten Königreich. Deutschsprachige Publikationen konnten nicht identifiziert werden. Zumeist konnte ein positiver Nutzen der ANT im Rahmen der Implementierung technologischer Innovationen bemerkt werden. In einem weiteren Sinne beziehen sich die relevanten Beiträge auf die Implementierung technologischer Innovationen im Bereich der Versorgungsforschung unter Heranziehung der ANT. Folgende Aspekte bei der Anwendung der ANT sind zu unterscheiden:

1.
ANT als theoretischer Zugang
2.
ANT als Basis für das methodische Vorgehen
3.
Grundsätzliche Überlegungen zur ANT.

Diskussion: Die eher marginalen Trefferzahlen sowie die eher aktuellen Publikationsdaten der identifizierten Beiträge verweisen darauf, dass die ANT im internationalen Technologie-Diskurs der Versorgungsforschung langsam Eingang findet. Die genannten Ergebnisse bestätigen weiterhin den Schluss von Cresswell et al (2010, S. 1), dass die ANT „can be helpful in investigating technology implementations in healthcare settings.“ Für die deutschsprachige Versorgungsforschung wird vor diesem Hintergrund: eine intensivere Beschäftigung mit der ANT gefordert, denn die postmoderne Verwobenheit der Entitäten, insbesondere bei technologischen Implementierungsprozessen, weist einen Bedarf nach komplexen Aushandlungsprozessen auf und „Die ANT beschreibt weder Gesellschaft noch Natur, sondern einen Prozess der Artikulation.“ ([1], S. 29).

Praktische Implikationen: Die erarbeiteten Hinweise deuten darauf hin, dass die ANT bei einer langfristigen und nachhaltigen Implementierung technologischer Innovationen hilfreich ist, da zunächst die soziotechnischen Beziehungen und Zusammenhänge der Netzwerke verstanden werden müssen. Der nächste Schritt für die Intensivierung der Theoriediskussion sowie der Forschungspraxis ist die Erstellung eines Implementierungs-Konzeptes/-Frameworks mit akteur-netzwerk-theoretischer Basis für eine versorgungswissenschaftlich geprägte Implementierungsforschung.


Literatur

1.
Belliger A, Krieger DJ. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. In: Belliger A, Krieger DJ, Hrsg. ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: Transcript; 2006. S. 13–50.
2.
Cresswell KM, Worth A, Sheikh A. Actor-Network Theory and its role in understanding the implementation of information technology developments in healthcare. BMC Medical Informatics and Decision Making. 2010;10(67): 1-11. Abgerufen von: http://www.biomedcentral.com/1472-6947/10/67/prepub Externer Link