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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Anwendungsfelder von Routinedaten im Gesundheitswesen – von der Versorgungsforschung bis zum Medical Decision Making

Meeting Abstract

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  • David Matusiewicz - FOM - Hochschule für Oekonomie und Management, Gesundheitsmanagement, Essen, Deutschland
  • Holger Gothe - UMIT, Department für Public Health und HTA, Hall in Tirol, Österreich
  • Peter Ihle - PMV forschungsgruppe, Universität zu Köln, Köln, Deutschland
  • Enno Swart - Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie (ISMG), Magdeburg, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP048

doi: 10.3205/15dkvf283, urn:nbn:de:0183-15dkvf2831

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Matusiewicz et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Routinedaten im Gesundheitswesen sind standardisierte Informationen, die vor allem zu Abrechnungszwecken mit den Leistungserbringern erhoben werden. Dies sind beispielsweise Daten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Renten- und Unfallversicherung (Sozialdaten), aber auch der amtlichen Statistik (z. B. Krankenhausdiagnose- oder DRG-Statistik). Im Gegensatz zu Primärdaten, die eigens für den wissenschaftlichen Verwendungszweck erzeugt werden, handelt es sich bei Routinedaten um bereits vorliegende Daten, die zunächst für andere, nicht primär wissenschaftliche Zwecke erhoben wurden.

Fragestellung: Es stellt sich die Frage nach den Vor- und Nachteilen der Routinedaten im Gesundheitswesen und dem Einsatzspektrum dieser in Bezug auf verschiedene Disziplinen der Gesundheitswissenschaften.

Methoden: Es wird ein Überblick über Anwendungsfelder und Potenziale von Routinedaten nach verschiedenen Disziplinen im Gesundheitswesen gegeben. In Anlehnung an die im Jahre 2000 veröffentlichte „Gute Epidemiologische Praxis“ (GEP) wurde erstmalig im Jahr 2005 ein Standard für die Verwendung und Auswertung von Routinedaten im Gesundheitswesen etabliert, der zugleich Grundlage für vertragliche Absprachen zwischen Primärnutzern (wie bspw. Krankenkassen) und Sekundärnutzern (wie bspw. Forschungsinstituten) sein soll. Bis 2014 erfuhr die Gute Praxis Sekundärdatenanalyse (GPS) zwei weitere Revisionen. Formal orientiert an der GEP, aber durchaus als eigenständiger methodischer Standard zu verstehen, umfasst die GPS insgesamt elf Leitlinien, die von ethischen Prinzipien über Qualitätssicherungsmaßnahmen bis hin zur verantwortungsvollen Kommunikation der Analyseergebnisse reichen. Hierbei wurden insbesondere weitere Empfehlungen zur Leitlinie Datenschutz ergänzt.

Ergebnisse: Die Vorteile der GKV-Routinedaten liegen zunächst in der Größe der in wissenschaftliche Auswertungen einschließbaren Population, in der Länge (Kontinuität) der beobachtbaren Zeiträume sowie in der Tatsache begründet, dass diese Daten einen weitgehend unverzerrten Blick auf die Versorgungsrealität gestatten. Weitere Vorzüge sind in der Erfassung der Nachfrage nach bestimmten Gesundheitsleistungen und der Aufschlüsselung nach soziodemographischen Faktoren (z. B. Alter, Geschlecht, Versichertenstatus) zu sehen. Da Routinedaten aus dem Versorgungsalltag stammen, weisen sie in der Regel eine hohe externe Validität auf, so dass allgemeine Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit bei einer ausreichend großen Stichprobe grundsätzlich möglich sind.

Die Nachteile der Nutzung von Routinedaten sind, dass die zu einem anderen Zweck erhobenen Daten nicht zwangsläufig für die erwünschte Fragestellung geeignet sein müssen. Dies führt dazu, dass nicht alle benötigten oder erklärenden Variablen in den Daten erfasst sind. Bei der wissenschaftlichen Nutzung und Analyse von Routinedaten kann dies „Verwirrung“ stiften. Die häufigsten Probleme sind Missclassification und Confounding. Diese lassen sich durch bestimmte Studiendesigns (z. B. Randomisierung, Matching) oder durch bestimmte statistische Verfahren (Stratifizierung, multivariate Analyse) kontrollieren. Auch die interne Validität bei Sekundärdaten bedarf der besonderen Überprüfung.

Die Nutzung von Routinedaten im Gesundheitswesen hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Mittlerweile beschäftigen sich die unterschiedlichsten Fachdisziplinen mit Routinedaten. Ihr Einsatzspektrum reicht von der Versorgungsforschung über gesundheitsökonomische Analysen bis hin zur Verwendung für Modellierungen im Medical Decision Making und Health Technology Assessment (HTA).

Diskussionen: Auch vom Gesetzgeber wurde die Bedeutung dieser Datenquellen für die Gesundheitsberichtserstattung, Evaluation und Steuerung des Gesundheitssystems erkannt. Sekundärdatenanalysen werden somit zunehmend als Datengrundlage der Gesundheitswissenschaft und der Gesundheitspolitik genutzt.

Praktische Implikationen: Für die wissenschaftliche und praktische Nutzung können die versorgungsrelevanten Daten nach projektspezifischen Vorgaben selektiert und in der Regel in pseudonymisierter Form genutzt werden. Die zunehmenden technischen Möglichkeiten haben ebenso dazu geführt, dass größere Datenmengen unkompliziert verarbeitet werden können. Dabei nimmt die Analyse- und Aussagefähigkeit mit der Größe des erhobenen Datenmaterials zu, da eine bessere Repräsentanz der Versichertenpopulation gegeben ist.