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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Modellierung der Versorgungsverteilung mittels anbieterbezogenen Einzugsbereichen und unter Berücksichtigung der Größe des Anbieters

Meeting Abstract

  • Stefan Mathis-Edenhofer - GÖG, Planung und Systementwicklung, Gramatneusiedl, Österreich
  • Michael Gyimesi - GÖG, Planung und Systementwicklung, Gramatneusiedl, Österreich
  • Thomas Guem - SBA Research GmbH, Wien, Österreich
  • Gerhard Fülop - GÖG, Planung und Systementwicklung, Gramatneusiedl, Österreich

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP041

doi: 10.3205/15dkvf277, urn:nbn:de:0183-15dkvf2771

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Mathis-Edenhofer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Bei gesundheitspolitischen Fragen im Zusammenhang mit Anbieterstandorten (z.B.: Aufstockungsbedarf) gilt es, die Auswirkungen auf die regionale Versorgungssituation zu analysieren. Zur Einschätzung der Versorgungslage auf Basis der bestehenden Anbieter sind Richtwerte (RW) zur Versorgungsdichte (VD), z.B. Fachärzte/innen oder Betten pro 1.000 EW) und zur Erreichbarkeit im Straßen-Individualverkehr in Minuten maßgebliche Anhaltspunkte. Damit können prinzipiell Aussagen zur Versorgungsverteilung gemacht werden. Zur Berechnung der Versorgungsdichte (Anbietereinheiten (AE) pro EW) wird aber eine eindeutige Zuordnung benötigt.

In der Praxis werden unterschiedliche Ansätze verfolgt, um jedem Anbieterstandort ein eindeutiges (nicht überlappendes) Einzugsgebiet, das nicht an politische Grenzen gebunden ist, zuzuordnen.

Eine robuste Methode ist die Bildung von „natürlichen Einzugsgebieten“ [1]. Bei dieser Vorgehensweise werden anbieterbezogene Einzugsgebiete so gebildet, dass jede Gemeinde dem nächstgelegenen Anbieter zugeordnet wird. Durch diese Aufteilung lässt sich die VD (AE pro EW im Einzugsgebiet) berechnen und kartographisch darstellen. Eine zweite Methode besteht darin, die VD pro Anbieter für sein Einzugsgebiet (definiert per Erreichbarkeits-RW; die Außengrenze wird Isochrone genannt) zu berechnen.

Fragestellung: Die beiden letztgenannten Methoden mit anbieterbezogenen Einzugsgebieten haben folgende Einschränkungen:

  • Bei „natürlichen Einzugsgebieten“ übernimmt jeder Anbieter ein Einzugsgebiet, unabhängig von seiner Größe.
  • Durch Isochronen definierte Einzugsgebiete missachten die Versorgungswirksamkeit von benachbarten Anbietern.

Es stellt sich also die Frage, ob ein ergänzender, algorithmischer Zugang für die Berechnung von VD entworfen und implementiert werden kann, sodass

    • die Größe des Anbieters für die Definition seines Einzugsgebiet berücksichtigt wird,
    • potenziell jeder Anbieter in der Erreichbarkeitsfrist einer Gemeinde berücksichtigt wird und
    • die Entfernungen weiterhin bedeutsam für die Zuordnung einer Gemeinde zu einem Einzugsgebiet sind („Nächstgelegenheit“).


Methode: Festlegungen für den Entwurf des Algorithmus:

  • Alle AE einer Gemeinde werden zu einer „Anbieter-Gemeinde“ zusammengefasst.
  • AE werden zunächst gemäß VD-RW der Heimatgemeinde zugeordnet: Eine Anbieter-Gemeinde mit und 60.000 Einwohnern und 5 sesshaften Augenärztinnen bekommt (bei einem vorgegebenen VD-RW von fünf Augenärzte/-ärztinnen pro 1.000 EW) drei AE zugeordnet.
  • AE werden dann in benachbarten Gemeinden gemäß „Nächstgelegenheit“ zugeteilt (bzw. „verbraucht“). Nächste Gemeinde ist jene, die der „Anbieter-Gemeinde“ am nächsten liegt (Entfernung der Gemeindemittelpunkte). Als Nächstes folgt jene, die am zweitnächsten liegt, und so weiter. Zugeordnet wird so lange, bis eine der folgenden zwei Bedingungen erfüllt ist: die AE sind verbraucht oder der Erreichbarkeits-RW wird überschritten.


Durch diese algorithmische Verteilung von AE auf EW können Gemeinden letztendlich drei verschiedene Zustände erreichen:

  • Die Gemeinde ist versorgt ("ausreichend" AE zugeordnet)
  • Die Gemeinde ist nicht versorgt – die Gemeinde liegt zu weit weg von einem Anbieterstandort bzw. andere Gemeinden liegen näher und haben bereits „alle AE verbraucht“.
  • Die Gemeinde ist überversorgt – es gibt zu wenig EW, die AE gemäß VD-RW innerhalb der Erreichbarkeitsfrist in Anspruch nehmen können.


Ergebnis: Der Algorithmus wurde als Software-Tool implementiert testweise (Betten der innere Medizin, Zahnärzte/innen erprobt. In der kartographischen Darstellung wird die Funktionsfähigkeit des Algorithmus ersichtlich. Zur besseren Analyse des Algorithmus kann im Tool das Ergebnis stufenweise dargestellt werden, indem der Erreichbarkeits-RW minutenweise eingestellt werden kann.

Diskussion: Die erste testweise Implementierung deutet auf Brauchbarkeit des Algorithmus zur Modellierung von Versorgungsverteilung hin. Insbesondere erscheint der Algorithmus geeignet, die regionale Bedeutung einzelner Anbieterstandorte zu bewerten. Als Limitation ist zu nennen, dass bei sehr kleinen Erreichbarkeits-Radien (z.B.: Allgemeinmedizin) keine wesentliche Zusatzinformation gegenüber der direkt berechneten Versorgungsdichte in Gemeinden entsteht.

Praktische Implikationen: Der Algorithmus bietet eine Alternative zu vielen bestehenden Methoden der Darstellung der Versorgungsverteilung. Es kann in vielfältigen Fragen zur regionalen Auswirkung von veränderten Anbieterkonstellationen eingesetzt werden.


Literatur

1.
Fülöp G. Raumplanung der Gesundheitsfürsorge in Österreich – Analyse und Steuerung regionaler Ungleichheiten in der gesundheitlichen Versorgung. Wien: Institut für Stadt- und Regionalforschung der TU Wien; 1999.