gms | German Medical Science

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Existiert eine Über- und/oder Fehlversorgung mit Opipramol?

Meeting Abstract

  • Stefan Christiansen - Axa AG, Medizinisches Gesundheitsmanagement, Köln, Deutschland
  • Isabelle Stoffregen - Axa AG, Medizinisches Gesundheitsmanagement, Köln, Deutschland
  • Jörg-Peter Klötzer - Axa AG, Medizinisches Gesundheitsmanagement, Köln, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP039

doi: 10.3205/15dkvf276, urn:nbn:de:0183-15dkvf2764

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Christiansen et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland entstehen aufgrund von Depressionen gemäss den Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin direkte Kosten in Höhe von 16 Milliarden Euro pro Jahr (Stand 2011) [1]. Diese werden sich voraussichtlich bis zum Jahr 2030 auf 32 Milliarden Euro verdoppeln [1]. Ein Grund dafür ist unter anderem die steigende Verordnungsmenge von Antidepressiva. Diese ist zwischen den Jahren 2010 (1176 DDD = defined daily dose) und 2011 (1257 DDD) um 7% gestiegen [2]. Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) werden die Kosten für die Behandlung von Depressionen aufgrund des demographischen Wandels auch in Zukunft steigen [3]. Weiterhin ist bekannt, dass auch bei der Arzneimitteltherapie Über- und Fehlversorgungen bestehen [4].

Fragestellung: Ziel der vorliegenden Studie war, die Über- und Fehlversorgung am Beispiel von Opipramol exakt zu quantifizieren.

Methodik: Im Zeitraum von 01.01.10-30.06.14 wurden alle Versicherten, die Opipramol einnahmen, identifiziert und diesen die ICD-10-codierten psychiatrischen Diagnosen (F-Diagnosen) zugeordnet. Anschliessend erfolgte eine Einteilung in drei Patientengruppen: Patienten mit einer F-Diagnose, für deren Behandlung Opipramol zugelassen ist (Patientengruppe 1), Patienten mit einer F-Diagnose, für deren Behandlung Opipramol nicht zugelassen ist (Patientengruppe 2) und Patienten ohne F-Diagnose (Patientengruppe 3). Weiterhin wurde untersucht, ob das Opipramol von Fachärzten (FA) für Psychiatrie/Nervenheilkunde/Neurologie (FA-Gruppe 1) oder Fachärzten anderer Disziplinen (FA-Gruppe 2) verordnet wurde. Abschließend wurde kalkuliert, welche Medikamentenkosten pro Jahr durch die Patientengruppen 2 und 3 verursacht werden.

Ergebnisse: Insgesamt nahmen 5444 Versicherte Opipramol ein. Bei 1863 Patienten (Patientengruppe 1, 34,3%) wurde das Opipramol entsprechend der Zulassung verordnet, während bei 3581 Patienten (2426 Patienten der Patientengruppe 2 und 1155 Patienten der Patientengruppe 3, zusammen 65,7%) das Opipramol ausserhalb der Zulassung verabreicht wird. Dies verursacht bei Kosten von 37 Cent pro DDD [2] Gesamtkosten in Höhe von 483.614,05 Euro pro Jahr. Auffallend war zusätzlich, dass das Opipramol am häufigsten von Fachärzten der FA-Gruppe 2 verordnet wurde (79% versus 21%). Der Anteil der Verordnungen durch Fachärzte der FA-Gruppe 1 war in Patientengruppe 1 am höchsten (28,5%) und fiel dann über die Patientengruppe 2 (24%) bis auf 2,7% (Patientengruppe 3) ab.

Diskussion: Unsere Ergebnisse zeigen, dass Opipramol in 65,7% der Fälle ausserhalb der Zulassung verordnet wird. Dies steht im Einklang mit dem Arzneiverordnungsreport, der die hohe Verschreibungshäufigkeit von Opipramol kritisiert [2]. Dieses gehört mit 80,3 Millionen DDD-Verordnungen pro Jahr zu den am häufigsten verordneten Antidepressiva. Allein bei unseren Versicherten könnten durch Abbau der Über- und Fehlversorgung pro Jahr 483.614,05 Euro eingespart werden und gleichzeitig durch die Vermeidung von Nebenwirkungen und die Einleitung einer diagnosegerechten Arzneimittel-Therapie die medizinische Versorgungsqualität gesteigert werden.

Unsere Daten zeigen weiterhin, dass die häufigste F-Diagnose in Patientengruppe 2 die F32.9 (Depressive Episode, nicht näher bezeichnet) ist. Dies bedeutet, dass Opipramol am häufigsten zur Behandlung der Depression ausserhalb der Zulassung eingesetzt wird. Dies könnte z. B. daran liegen, dass Opipramol zur Gruppe der Antidepressiva gehört, aber zur Behandlung der Depression nicht zugelassen ist. Eine Ursache für diese Über- und Fehlversorgung kann die Verordnung von Opipramol durch Fachärzte anderer Disziplinen sein.

Praktische Implikationen: Durch den Abbau der Über- und Fehlversorgung bei der Behandlung mit Opipramol könnten Kosten im Gesundheitswesen eingespart und gleichzeitig die medizinische Versorgungsqualität gesteigert werden. Dies könnte durch die ausschließliche Behandlung von Patienten mit Depressionen durch entsprechende Fachärzte erreicht werden.


Literatur

1.
psyga.info. http://psyga.info/psychische-gesundheit/daten-und-fakten (Zugriff am 14.10.14) Externer Link
2.
mind-and-brain-blog.de. http://www.mind-and-brain-blog.de/569/arzneiverordnungsreport-2012-antidepressiva (Zugriff am 14.10.14) Externer Link
3.
iprevent.de. http://www.iprevent.de/aktuelldaten/docs/2012_09_BK_Zeitschrift_Achsamkeit-iprevent.pdf (Zugriff am 11.04.14) Externer Link
4.
aerzteblatt.de. http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/56388/Erste-Kosten-Nutzen-Bewertung-IQWiG-veroeffentlicht-Studie-zu-Antidepressiva (Zugriff am 14.10.2014) Externer Link