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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Defizite in der Zusammenarbeit bei der vor- und nachstationären Betreuung aus Sicht der Krankenhäuser – Ergebnisse aus semi-strukturierten Leitfadeninterviews auf Ebene der Geschäftsführung

Meeting Abstract

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  • Insa Seeger - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Lars Rölker-Denker - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Andreas Hein - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP151

doi: 10.3205/15dkvf262, urn:nbn:de:0183-15dkvf2624

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Seeger et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Krankenhäuser nehmen eine zentrale Rolle in der medizinischen Versorgung ein. Derzeit werden Verlagerungseffekte in den ambulanten Bereich diskutiert, die mit Versorgungslücken aufgrund der möglichen Schnittstellenproblematik einhergehen. Regional können diese unterschiedlich ausgeprägt bzw. bereits Lösungsansätze zur gemeinsamen Koordination über die Sektorengrenzen hinweg umgesetzt sein.

Fragestellung: Ziel war es, mittels Interviews die medizinische Versorgung in der Region XXX zu erfassen und Ideen für Forschungsprojekte zu sammeln. Zum Thema Kooperation wurde nach Defiziten bzgl. der Zusammenarbeit bei der vor- und nachstationären Betreuung von Patienten mit niedergelassenen Ärzten, Therapeuten oder Pflegeheimen sowie deren Ursachen gefragt.

Methode: In der Region nehmen 85 Krankenhäuser ihre Aufgaben gemäß §108 SGB V wahr. Die Interview-Anfrage wurde im Rahmen einer Gelegenheitsstichprobe per E-Mail an 36 Geschäftsführer gesendet, von denen sich 26 zum Interview bereit erklärten. Es wurden Krankenhäuser aus ländlichen und städtischen Regionen ausgewählt, ebenso aus verschiedenen Versorgungsstufen. Die Daten wurden von April 2014 bis Januar 2015 im Rahmen von semi-strukturierten leitfadengestützten Interviews erhoben und aufgezeichnet. Nach einfacher Transkription wurden die Texte paraphrasiert, codiert und ausgewertet. Im Zuge der Auswertung wurde ein Kategorienbaum abgeleitet und während der Auswertung angepasst.

Ergebnisse: „Das Hauptproblem sind die Sektorengrenzen.“ Diese Aussage wurde von der Hälfte der befragten Krankenhäuser getätigt. Dabei äußerten sich sechs Krankenhäuser eher allgemein zu den starren Sektorengrenzen. Zwei Krankenhäuser gaben an, dass die Entlassmedikation vor dem Wochenende zu Problemen führe. Die Auswirkungen der Sektorengrenzen auf die Finanzierung der Leistungen bemängelten neun Krankenhäuser. Die prä- und poststationäre Versorgung müsse verbessert, die Finanzierungsmöglichkeiten transparenter und flexibler eingesetzt werden. Bestimmte Leistungen dürften von Krankenhäusern nicht erbracht werden, weil diese dem ambulanten Bereich zugeordnet werden. Aufgrund der Budgetierung im niedergelassenen Bereich kann eine zeitnahe Versorgung nicht geleistet werden, folglich stellen sich die Patienten erneut im Krankenhaus vor. Die Niederlassungsmöglichkeiten und deren Grenzen in der ambulanten Versorgung wirken sich aus Sicht von vier Krankenhäusern auch auf die stationäre Versorgung aus. Durch die hohe Belastung der Hausärzte sind viele KV-Sitze nicht besetzt. In einigen Regionen werden von den Praxisinhabern, die demnächst in Ruhestand gehen, gezielt Krankenhaus-Ärzte mit dem Hintergedanken der Abwerbung angesprochen. Die Niederlassungsbezirke sind sehr groß und werden der ländlichen Versorgung nicht gerecht. Die Kommunikation mit niedergelassenen Ärzten und Therapeuten wird von den Krankenhäuern überwiegend positiv bewertet. Zwei Krankenhäuser geben an, dass regelmäßig Gesprächsrunden mit Ärzten stattfinden, um Schnittstellenprobleme zu diskutieren und interessante Fälle vorzustellen. Gesundheitsnetzwerke mit Ärzten, Pflegeheimen und Therapeuten bestehen bei zwei weiteren Krankenhäusern. Weitere vier Krankenhäuser sind der Meinung, dass die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten verbessert werden muss. Als Ursache für die Defizite in der Kooperation werden historische Gründe und geographische Grenzen genannt. Zur verbesserten Patientenversorgung wünschen sich zwei Krankenhäuser eine digitalisierte Vernetzung und eine gemeinsame Patientenakte.

Diskussionen: Die Befragung zeigt, dass die Akteure die bestehenden Kooperationen positiv bewerten. Hemmende Faktoren für die Überwindung der Sektorengrenzen sind aus Sicht der Befragten die rechtlichen Rahmenbedingungen, daher werden sektorenübergreifende Bedarfsplanungs-, Vergütungs- und Vertragssysteme benötigt, um diese Defizite abzubauen. Der regelmäßige fachliche Austausch fördert die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den an der Versorgung beteiligten Partnern. Dies kann mit unseren Ergebnissen bestätigt werden. Eine sektorenübergreifende Prozessverbesserung kann nur mit personellen Ressourcen und einer ausreichenden Finanzierung bisheriger wie neuer Leistungen sichergestellt werden.

Praktische Implikation: Durch den Einsatz von Case Managern erfolgt eine patienten- und ökonomisch orientierte Versorgung über die Sektorengrenzen hinweg. Der Einsatz von digitalisierten Arztbriefen und Patientenakten könnte die sektorenübergreifende Informationsverfügbarkeit verbessern. Durch die vom Sachverständigenrat vorgeschlagene Einrichtung „lokaler Gesundheitszentren zur Primär- und Langzeitversorgung“ könnten effizientere und leistungsfähigere Strukturen zur Zentralisierung von ambulanten und stationären Versorgungsangeboten geschaffen werden.