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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Zur Schnittstelle zwischen stationärer Pflege und zahnmedizinischer Betreuung – erste Erfahrungen

Meeting Abstract

  • Ina Nitschke - Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Klinik für Alters- und Behindertenzahnmedizin, Zürich, Schweiz
  • Angela Stillhart - Zentrum für Zahnmedizin, Universität Zürich, Klinik für Alters- und Behindertenzahnmeidzin, Zürich, Schweiz
  • Kerstin Gross - Zentrum für Zahnmedizin, Universität Zürich, Klinik für Alters- und Behindertenzahnmeidzin, Zürich, Schweiz
  • Julia Kunze - Zentrum für Zahnmedizin, Universität Zürich, Klinik für Alters- und Behindertenzahnmeidzin, Zürich, Schweiz
  • Mohammad Houshmand - Zentrum für Zahnmedizin, Universität Zürich, Klinik für Alters- und Behindertenzahnmeidzin, Zürich, Schweiz

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP150

doi: 10.3205/15dkvf261, urn:nbn:de:0183-15dkvf2611

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Nitschke et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Aufgrund lebenslanger oral-präventiver Maßnahmen gehen im Alter immer weniger Zähne verloren. Die Vierte Deutsche Mundgesundheitsstudie hat gezeigt, dass 78% der 65- bis 74-Jährigen bezahnt und nur noch zu 22% zahnlose sind. Mit dem Älterwerden treten immer häufiger chronische Krankheiten auf, die oft ein kontrollorientiertes Besuchsverhalten beim Zahnarzt in beschwerdeorientiertes wandeln, da die Bewältigung der Selbstverständlichkeiten im Alltag immer schwieriger wird. Erst tritt eine Hilfsbedürftigkeit ein, die den Zahnarztbesuch weit in den Hintergrund rücken lässt, später die ambulante und stationäre Pflegebedürftigkeit. Beim Übertritt in eine stationäre Pflegesituation sollte sich der Konsilzahnarzt, wenn kein ansprechbarer Hauszahnarzt mehr vorhanden ist, schnell einen Überblick über die Mundgesundheit verschaffen und das Pflegepersonal sowie die Angehörigen darüber informieren.

Das zahnmedizinische Problembewusstsein in den stationären Pflegeeinrichtungen ist teilweise noch wenig ausgeprägt, sodass eine Kontinuität der präventiven zahnmedizinischen Leistungen zurzeit oft nicht gegeben ist. Weiterhin erschweren die zu gering bemessenen Pflegezeiten die Oralhygiene. Es besteht ein Risiko für die Verschlechterung des Mundgesundheitszustandes, unerkannter Schmerzen, für Entstehung eines erhöhten Behandlungsbedarfes und für Aspirationspneumonien bei schlechter Mundhygiene.

Fragestellung/Methode: Um eine gute zahnmedizinische Betreuung einer Pflegeeinrichtung zu gewährleisten, müssen grundsätzlich die Beteiligten, sowohl im pflegerischen als auch im zahnmedizinischen Team interessiert sein, die Aufgaben des anderen zu erfassen. Nur wenn die eine Berufsgruppe eine Idee der Komplexität und Erschwernisse des Berufsfeldes der anderen hat, wird sich eine unterstützende Zusammenarbeit ergeben können. Können zahnmedizinische Pflegeexpertinnen und –experte trainiert werden, um die Schnittstelle zwischen Zahnarzt und Pflege zu strukturieren, zu organisieren und zu einer besseren Mundgesundheit in der Einrichtung beitragen?

Ergebnisse: 2014 wurde 23 Pflegeeinrichtungen im Kanton Zürich, die mit der mobilen Zahnklinik zusammenarbeiten, eine strukturierte Fortbildung zum besseren Management der Mundgesundheit angeboten. Für zwei Mitarbeitende jeder Einrichtung wurde die für die Einrichtung kostenlose Schulung angeboten. Die Schulung besteht in einer eintägigen 8-stündigen Schulung ohne Pausenzeiten in der Klinik für Alters- und Behindertenzahnmedizin.

Für die Etablierung eines zahnmedizinischen Qualitätsmanagementsystems in der stationären Pflege wurden im Rahmen dieser Schulung, Vorträge zur Mundgesundheit, Prävention, oralen Erkrankungen sowie zum Zahnersatz gehalten. Daneben gab es praktische Übungen an Gipsmodellen. Weiterhin waren Patienten einbestellt, bei denen unterschiedlicher Zahnersatz genau angeschaut und ein- sowie ausgegliedert werden konnte. Bei den Kollegen und Kolleginnen konnte dann auch Mundbefunde mit Spiegel und Sonde aufgenommen werden. An diesem Tag wurden auch die Formulare (z.B. Anmeldebogen, Mundbefund, Pflegeempfehlung, etc.) besprochen, die von Seiten der Zahnmedizinern für die Einrichtungen entwickelt wurden. Neben dem Fortbildungstag sollen zwei Einsätze von den angehenden zahnmedizinischen Pflegeexperten organisiert werden. Dazu gehört auch das tägliche Abschlussgespräch, an denen der Pflegeexperte und der verantwortliche Zahnarzt teilnehmen, damit gleich vor Ort alle weiteren Behandlungen abgesprochen werden können.

Die Kurse werden vier Mal im Jahr angeboten, wobei die Anmeldungen oft schwierig sind, da teilweise die Einrichtungen noch nicht die Notwendigkeit erfassen, aus ihrem Kreis eine Person mit dieser Schnittstellenaufgabe aufzubauen. Somit konnten bisher 28 zahnmedizinische Pflegeexperten aus 12 von den 23 Einrichtungen den praktischen Schulungstag absolvieren. Diese leiteten 16 Einsätze des Zahnarztes in ihrer Einrichtung, wobei ein Einsatz zwischen 1–3 Tagen dauern kann.

Praktische Implikationen: Um die zahnmedizinischen Probleme in den Einrichtungen in den Griff zu bekommen oder auch zu lösen, müssen alle Beteiligten sowohl im pflegerischen als auch im zahnmedizinischen Team bereits sein, die Kompetenzen und die Notwendigkeit der Tätigkeit des jeweils anderen anzuerkennen. Gemeinsam ist dann das individuelle zahnmedizinische Konzept in der Einrichtung zu etablieren, welches die Ansprüche und Realitäten beider Berufsgruppen berücksichtigt. Arbeitsabläufe müssen an den Schnittstellen abgesprochen sein, die Prozesswege für beide Berufsgruppen sollten deutlich definiert sein. Die Leitung einer Pflegeeinrichtung kann mit dem Etablieren einer zahnmedizinischen Pflegeexpertin die Bereitschaft der Einrichtung signalisieren, zahnmedizinisches Problembewusstsein aufzubauen und sich fachlich gut orientiert den Problemen der Mundhöhle gemeinsam mit dem Konsilzahnarzt zu stellen.