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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Partizipative Forschung: Kommunikation in krankheitsassoziierten Alltagssituationen bei Menschen mit rheumatischen Erkrankungen

Meeting Abstract

  • Anja Thyrolf - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Rehabilitationsmedizin, Halle (Saale), Deutschland
  • Andrea Schöpf - Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Freiburg, Deutschland
  • Erik Farin-Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Freiburg, Deutschland
  • Wilfried Mau - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Rehabilitationsmedizin, Halle (Saale), Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP135

doi: 10.3205/15dkvf246, urn:nbn:de:0183-15dkvf2466

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Thyrolf et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Menschen mit rheumatischen Erkrankungen berichten oft ausgeprägte Einschränkungen der sozialen Teilhabe. Viele der teilhabebeeinträchtigten Bereiche betreffen soziale Interaktionen und somit kommunikative Situationen. Zu denken ist z.B. an krankheitsbezogene Gespräche mit Behandlern (z.B. Ärzten, Therapeuten), mit Arbeitgeber und Arbeitskollegen oder mit Menschen aus dem Alltagsleben (Familie, Nachbarn, Kollegen, Bekannte). Dabei werden zum Beispiel Probleme wie Stigmatisierung, Überforderung oder Unverständnis thematisiert. Als einschränkender Faktor kann dabei u.a. kommunikatives Verhalten des Betroffenen gesehen werden, das nicht optimal auf die Situation und das Verhalten des Gesprächspartners ausgerichtet ist.

In Anlehnung an die State-Trait-Theorie wird angenommen, dass im Vergleich zu nicht-krankheitsassoziierten Gesprächen, in denen das Verhalten primär persönlichkeitsbedingt ist, krankheitsassoziierte Gespräche situationsbedingte Kommunikationsmerkmale generieren. Aufgrund dieses situationsbedingten Auftretens sind die kritischen Verhaltensweisen modifizierbar.

Während die Kommunikationskompetenzen von Ärzten häufig untersucht wurden, gibt es nur vergleichsweise wenige Ansätze zur Förderung der Kommunikationskompetenzen der Patienten. Kommunikationsprobleme in krankheitsassoziierten Gesprächssituationen wurden bislang nicht untersucht. Unter Berücksichtigung der Krankheitsdauer und der Krankheitsschwere soll deshalb erstmals in einem partizipativen Projekt mit kontinuierlicher Forschungsbeteiligung von Betroffenen untersucht werden, welche Kommunikationsprobleme Menschen mit (chronischen) rheumatischen Erkrankungen in krankheitsassoziierten Gesprächssituationen berichten.

Methode: Innerhalb eines durch die Deutsche Rheuma-Liga (DRL) geförderten Projektes zur Identifizierung fördernder und hinderlicher Faktoren der sozialen Teilhabe bei Menschen mit rheumatischen Erkrankungen werden bundesweit über mehrere Zugangswege (u.a. Flyer, Newsletter DRL) in einer Querschnittserhebung Betroffene online befragt. Dabei werden betroffene Mitglieder der DRL als Forschungspartner vom Beginn an einbezogen. Neben Fragen zur Quantität und Qualität von krankheitsassoziierten Gesprächen in alltäglichen Situationen (berufliches, privates sowie öffentliches Umfeld) werden über den U-Bogen-24 Kommunikationsdefizite in diesen Gesprächssituationen erhoben. Zur Untersuchung der Forschungsfrage wird die Instruktion des Instruments auf krankheitsassoziierte Gesprächssituationen angepasst. Im Anschluss an die Onlinebefragung werden erneut Teilnehmer rekrutiert, die, ebenfalls online, den U-Bogen-24 mit der Originalinstruktion ausfüllen. So können Kommunikationsdefizite in nicht-krankheitsspezifischen Situationen von Menschen mit rheumatischen Erkrankungen erfasst werden. Zur Unterscheidung des Verhaltens in der Krankenrolle (alltägliche krankheitsassoziierte Gesprächssituationen) von dem in der Patientenrolle (Arzt-Patienten-Kommunikation) wird das Verhalten im Arztgespräch mit dem KoKo-Fragebogen (Farin et al. 2014) erfasst. Als Kontrollvariablen werden in beiden Gruppen Persönlichkeitsmerkmale mit dem BFI-10, soziodemografische Daten sowie die Krankheitsdauer und die Krankheitsschwere erfasst.

Ergebnisse: Die betroffenen Forschungspartner haben bereits wichtige Impulse für die fokussierte Datenerhebung auf potenziell relevante Problembereiche geliefert. Diese Bereiche werden derzeit im mitgliederstärksten Selbsthilfeverband Deutschlands und in Vertragsarztpraxen über die Nutzung der Online-Befragungstechnik an einer sehr großen Zahl von chronisch kranken Menschen überprüft und gegebenenfalls ergänzt. Ende Mai 2015 werden die Erhebungen abgeschlossen sein, so dass im Oktober 2015 die Ergebnisse präsentiert werden können.

Diskussion: Die Ergebnisse sollen dazu dienen, insbesondere in kommunikativen Situationen kritische Verhaltensweisen zu identifizieren. Auf dieser Grundlage soll in einem zweiten Projektabschnitt eine Patientenschulung entwickelt werden, mit der kommunikative Kompetenzen gezielt verbessert werden. Die Realitätsnähe und Bedarfsgerechtigkeit werden dabei durch die bereits bewährte und fortzusetzende Beteiligung betroffener Forschungspartner gesichert.

Praktische Implikation: Mit der auf der Basis der empirischen Daten entwickelten Schulung wird ein Beitrag für ein erfolgreiches Krankheitsmanagement und zur Wiederherstellung bzw. Stärkung der sozialen Teilhabe von Menschen mit rheumatischen Erkrankungen geleistet.