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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

muko.fit – ein ergänzendes Versorgungsangebot für CF-Patienten mit kritischen Verläufen und/oder mit besonderen psychosozialen Herausforderungen

Meeting Abstract

  • Corinna Moos-Thiele - Mukoviszidose e.V., Hilfe zur Selbsthilfe, Bonn, Deutschland
  • Sven Hoffmann - Mukoviszidose e.V., Hilfe zur Selbsthilfe, Bonn, Deutschland
  • Winfried Klümpen - Mukoviszidose e.V., Hilfe zur Selbsthilfe, Bonn, Deutschland
  • Leonie Knauf - Mukoviszidose e.V., Hilfe zur Selbsthilfe, Bonn, Deutschland
  • Jochen G Mainz - Universitätskrankenhaus Jena, Mukoviszidose-Zentrum, Jena, Deutschland
  • Carsten Schwarz - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie, Berlin, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP124

doi: 10.3205/15dkvf214, urn:nbn:de:0183-15dkvf2145

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Moos-Thiele et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Ein kritischer Verlauf mit Cystischer Fibrose (CF), erkennbar an einer anhaltend schlechten Lungenfunktion, einem schlechten Ernährungszustand und/oder einer Überforderungssituation in der basalen Therapiewahrnehmung kann auf komplexe Probleme in den sozialen Konstellationen CF-Erkrankter hinweisen. Diese Patienten profitieren von den heutigen Standards der CF-Therapie nicht in dem Maße, wie es möglich wäre. Das bedeutet, dass sich ihre Lebenszeit verkürzt und sie möglicherweise früher sterben, als mit einer konsequenten Anwendung und Durchführung der heutigen Therapiemöglichkeiten.

Fragestellung: Kann ein ergänzendes Versorgungsangebot CF-Patienten mit psychosozialen Herausforderungen und/oder mit kritischen Gesundheitsverläufen unterstützen, die gesundheitliche Situation zu stabilisieren und die Teilhabe am Alltag zu fördern?

Methode: Bei Aufnahme in muko.fit wird durch alle am Versorgungsgeschehen Beteiligten und den CF-Patienten eine individuelle Behandlungsvereinbarung (IBV) für das kommende Jahr erarbeitet. Diese enthält u.a. ärztliche, physiotherapeutische, psychosoziale/sozialrechtliche, psychologische, diätetische und sportwiss. Ziele und Maßnahmen (M) zur prospektiven Intervention, die durch QM Strategien angepasst werden können. Die Koordination und Begleitung der gemeinsam beschlossenen M erfolgt durch die Interventionskräfte (Sozialarbeiter, Sportwissenschaftler). Als Untersuchungsinstrumentarien dienen CFQ-Lebensqualitätsfragebogen, Sportfragebogen, Dokumentationen der Kontakte und Erhebungen klinischer Werte (FEV1, Körpergröße und Gewicht). Ein strukturiertes Interview mit den Ambulanzen, den Teilnehmern und ggf. einer Betreuungsperson erfolgt am Ende des Interventionszeitraums.

Ergebnisse: An dem laufenden Angebot nehmen bisher 41 Teilnehmer (TN) (21w,20m) aus 23 unterschiedlichen Ambulanzen teil. Zum jetzigen Zeitpunkt nehmen 20 Kinder und Jugendliche (K/J) und 21 Erwachsene (E) teil. Von den 41 TN absolvierten bisher 30 Patienten ein komplettes Jahr. Insgesamt belief sich das mittlere Alter auf 18,5±8,0 (2-38) Jahre (K/J: 12,1±4,2 Jahre; E: 23,8±3,7 Jahre) mit einer mittleren Lungenfunktion von 52,0±23,6 FEV1%Soll (K/J: 71,3±25,8%Soll; E: 39,2±19,0%Soll) bei Interventionsstart des Angebots. Im Verlauf konnten keine Unterschiede berechnet werden, was jedoch zeigt, dass die Werte in diesem einen Jahr stabilisiert werden konnten. Insgesamt wurden in allen IBVs der TN 180 M vereinbart. Beratungsschwerpunkte waren Fragen der persönlichen Lebensperspektive, Transition, Inklusion bzw. Integration, finanzielle Sicherung und Klärung sozialrechtlicher Ansprüche. Im Mittelpunkt standen die Organisation der medizinisch-therapeutischen Versorgung und die Umsetzung der notwendigen Therapiemaßnahmen im Alltag der TN. Durchschnittlich wurden 5 M für einen TN pro Jahr geplant (K/J: 4,9±1,1M; E: 4,6±1,1M). Der Vergleich der geplanten (gM) und der erfolgreich beendeten M (eM) zeigt, dass die Anzahl der gM sowohl bei den K/J (gM: 4,8±1,1; eM: 3,4±1,8; p=0,002**) wie auch bei den E (gM: 4,5±1,3; eM: 2,3±1,1; p<0,001***) für diese spezielle Gruppe zu groß war, so dass deren Umsetzung nicht erreicht wurde und eine längere Teilnahme als ein Jahr zur Umsetzung notwendig wurde.

Die ersten Rückmeldungen der Ambulanzen aus den Monitorings zeigen, dass diese strukturierte Arbeit zuerst eine Mehrarbeit für die Ambulanz-Teams bedeutet, jedoch dann eine große Entlastung darstellt. Aus den Meinungen der Patienten und Angehörigen wird deutlich, dass sich die Patienten und ihre Familien in ihrer Kompetenz zum Management der Erkrankung durch muko.fit gestärkt fühlten.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass das ergänzende Versorgungsangebot muko.fit kurzfristig den kritischen Gesundheitsverlauf stabilisieren konnte. Allerdings ist deutlich zu erkennen, dass die Anzahl der M zu viel für ein Jahr war, so dass es notwendig scheint, weniger M zu Beginn zu planen und/oder einen längeren Zeitraum für die Begleitung anzusetzen. Das Gelingen der Umsetzung ist an eine enge und individuelle Betreuung gebunden. Die Effektivität ist somit nur über die langfristige und zeitungebundene Hilfe zu erreichen. Dies hebt muko.fit von bestehenden Versorgungsangeboten ab, da muko.fit auf den individuellen Bedarf der TN reagiert und die Vereinbarungen der IBV noch einmal angepasst werden können. Die individuellen Prozesse werden langfristig begleitet.

Praktische Implikationen: muko.fit soll den betroffenen Familien und Angehörigen helfen, besser mit der Krankheit umzugehen und dadurch sich selbst in das soziale Umfeld zu integrieren, um Isolation und Armut vorzubeugen sowie soziale Integration bzw. Inklusion zu ermöglichen. Dazu sollen Hilfestrukturen vor Ort durch die Vernetzung aller am (Versorgungs-)Geschehen Beteiligten geschaffen werden, so dass den CF-Patienten und ihren Angehörigen eine nachhaltig aufgebaute Versorgungsstruktur zur Verfügung steht.