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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Hausarztzentrierte Versorgung in Thüringen: Ergebnisse der Evaluation von Versorgungskosten und Behandlungskoordination

Meeting Abstract

  • Antje Freytag - Universitätsklinikum Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland
  • Janine Biermann - Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Deutschland
  • Andreas Ochs - Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Deutschland
  • Gerald Lux - Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Deutschland
  • Thomas Lehmann - Universitätsklinikum Jena, Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Dokumentation, Jena, Deutschland
  • Sven Schulz - Universitätsklinikum Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland
  • Jürgen Wasem - Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Deutschland
  • Jochen Gensichen - Universitätsklinikum Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP119

doi: 10.3205/15dkvf209, urn:nbn:de:0183-15dkvf2097

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Freytag et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Hausarztzentrierte Versorgungsmodelle (HzV) stärken die Rolle der hausärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzte. Seit 2004 können die gesetzlichen Krankenversicherungen ihren Versicherten solche Versorgungsverträge optional anbieten. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz sind sie dazu verpflichtet, HzV-Modelle einzuführen. In Thüringen haben die Versicherten der AOK PLUS seit dem 01.01.2011 die Möglichkeit, an einem HzV-Modell teilzunehmen. Der HzV-Vertrag wurde zwischen der AOK PLUS – Die Gesundheitskasse für Sachsen und Thüringen und dem Thüringer Hausärzteverband e.V. in Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen geschlossen und ist als Zusatzvertrag („add-on“) zur Regelversorgung angelegt.

Fragestellung: Ziel ist die Evaluation der Hausarztzentrierten Versorgung-(HzV) der AOK PLUS in Thüringen hinsichtlich zentraler ökonomischer und koordinativer Outcome-Indikatoren sowie der Teilnehmerzufriedenheit bei Versicherten und Hausärzten und dem Einsatz von Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH).

Methode: Es handelt sich um eine retrospektive Fall-Kontroll-Studie auf der Basis von Krankenkassenabrechnungsdaten [Current Controlled Trials: ISRCTN6116004108]. Versicherte der Teilnehmergruppe (TG) wurden über 18 Monate (07/2011–12/2012) hinweg beobachtet. Die Kontrollgruppe wurde mittels Propensity Score Matching (PSM) gebildet, um Selektionseffekten zu begegnen und mögliche Outcome-Unterschiede auf den Einfluss der HzV zurückführen zu können. Outcome-Unterschiede wurden anhand einer Vielzahl von Indikatoren analysiert mit dem Fokus auf Versorgungskosten, Inanspruchnahme und Behandlungskoordination sowie Pharmakotherapie. Die Indikatorenauswahl erfolgte in Anlehnung an das Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung (QiSA) sowie bestehende HzV-Evaluationen. Die Effekte wurden auf Basis des difference-in-difference Ansatzes ermittelt, um für verbliebene Prä-Differenzen zu adjustieren. Während die Gesamtevaluation für Teilnehmer durchgeführt wurde, die zum Ende des Nachbeobachtungszeitraums lebten, ermittelten wir den Versorgungskosteneffekt zusätzlich für die Gruppe der Teilnehmer inkl. der bis 12/2012 verstorbenen auf Basis eines zweiten PSM.

Ergebnisse: 40.289 überlebende teilnehmende Versicherte konnten in die Studie eingeschlossen werden. Aus der potenziellen Kontrollgruppe (potKG) der Überlebenden (n=322.732) konnten im Rahmen des PSM 40.298 Kontrollen identifiziert werden. Der Anteil von Frauen betrug 59,1% in der TG und 60,0% in der KG. Das durchschnittliche Alter betrug 64,8 (±16,36) Jahre in der TG sowie 65,3 (±15,77) Jahre in der KG. Vor Matching unterschied sich der mittlere Propensity Score (PS) statisch signifikant (TG 0,176±0,126 SD vs potKG 0,103±0,077; p<0,001). Nach dem Matching zeigten sich keine stat. sign. Unterschiede: TG 0,176±0,126 vs KG 0,177± 0,128; p=0,281. Der geringe Standardfehler der Differenzen des PS von 0,0025 spricht für eine hohe statistische Güte des Matchings. Dies galt auch für das Matching inkl. Verstorbener. Die Ergebnisse der Evaluation des HzV-Effekts in Hinblick auf Versorgungskosten, Leistungsinanspruchnahme (ambulante ärztliche Leistungen, stationäre Aufenthalte, Rehabilitation, ambulant verordnete Arzneimittel, Heilmittel, Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege) sowie Indikatoren zur Behandlungskoordination (Anteil Patienten, die mehr als einen Hausarzt kontaktieren, Anteil Behandlungsfälle bei Fachärzten ohne Überweisung, Anzahl unterschiedlicher kontaktierter Facharztgruppen, Anzahl von Hausbesuchen, Früherkennungsmaßnahmen, Krankenhausnotfällen, Anteil Patienten mit Polymedikation) werden auf der Konferenz präsentiert.

Diskussion: Der gewählte Matchingansatz ermöglicht es, einer umfangreichen Patientenpopulation von Teilnehmern der HzV adäquate Kontrollpatienten zuzuweisen und auf diese Weise Selektionseffekte zu kontrollieren. Potentielle Unterschiede in den Outcomes lassen sich somit auf den Einfluss der HzV zurückführen.

Praktische Implikation: Die Evaluationsergebnisse werden von den beteiligten Akteuren zur Weiterentwicklung des HzV-Programms in Thüringen genutzt werden.