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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Integrierte Versorgung für Menschen mit Demenz – Ein Beispiel für gelingende Praxis und den Gewinn von Analyse innovativer Ansätze im Feld

Meeting Abstract

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  • Stefanie Richter - Professur für Gesundheitswissenschaften, Wilhelm Löhe Hochschule für Angewandte Wissenschaften , Fürth, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP118

doi: 10.3205/15dkvf208, urn:nbn:de:0183-15dkvf2088

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Richter.
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Gliederung

Text

Im Mittelpunkt steht die Darstellung eines etablierten integrierten Modells für Menschen mit Demenz, das von der Gedächtnissprechstunde bis zur Komplexversorgung eine patientenorientierte, gestufte und über Sektorengrenzen hinweg koordinierte Versorgung ermöglicht. Zugleich soll der Gewinn qualitativer Verfahren zur systematischen Analyse und Weiterentwicklung innovativer Praxisansätze diskutiert werden.

Hintergrund: In Deutschland sind nach Schätzungen ca. 1 bis 1,3 Millionen Menschen demenziell erkrankt, weltweit ca. 29,3 Millionen [1], [2]. Sofern keine ursächliche Behandlung und wirksamen präventiven Maßnahmen gefunden werden, werden im Zuge des Altersstrukturwandels die Fallzahlen deutlich steigen. Studien verweisen darauf, dass die aktuelle Versorgungssituation in Deutschland eher von einer Unter- und Fehlversorgung gekennzeichnet ist und dass die gängige Struktur und Organisation der Versorgungsleistungen dem im Krankheitsverlauf entstehenden komplexen Bedarf an z.B. aufeinander abgestimmten medizinischen, betreuerischen, rehabilitativen, pflegerischen und alltagsunterstützenden Angeboten nur unzureichend gerecht wird. Integrierte Versorgungsansätze unter Einbezug der Angehörigen und des Wohnumfelds werden als möglicher Lösungsansatz gesehen [3]. Um aktuellen Versorgungsproblemen begegnen zu können, entwickeln Akteure bereits heute in der Praxis eigene Lösungsansätze, die allerdings unzureichend zur Kenntnis genommen werden (können).

Methodik: Ziel der wissenschaftlichen Begleitung war, ein in der Praxis etabliertes Versorgungsmodell zu analysieren, in seinen Strukturen und Prozessen zu verstehen und zu beschreiben, mögliche Hemmnisse und Entwicklungspotenziale mit den Akteuren gemeinsam zu diskutieren und über das Modell hinausgehende Erkenntnisse abzuleiten.

Methodisches Vorgehen:

1.
Entwicklung von Kriterien einer angemessenen und wirksamen Diagnostik und Versorgung sowie von Barrieren auf aktuellem wiss. Kenntnisstand: Systematische Literaturanalyse, ergänzt um Fallstudien von Verläufen betroffener Menschen
2.
Analyse von Strukturen, Prozessen, Interaktionen des ausgewählten Versorgungsmodells: Erhebungsmethoden wie leifadengestützte Experteninterviews, teilnehmende Beobachtung, Dokumentenanalyse, Fallstudien von Versorgungsverläufen von Klienten und Angehörigen; interpretative und inhaltsanalytische Auswertungsverfahren; Triangulation der Ergebnisse
3.
Kontrastierung der Ergebnisse aus 1) und 2) und Wissenstransfer zwischen Forschenden und Akteuren: fokussierte Gruppendiskussionen (Reflexion, Validierung, Bewertung und Diskussion von Entwicklungspotenzialen)
4.
Dissemination und Wissenstransfer zwischen Wissenschaft u. Praxis: Publikation und Präsentationen


Ergebnisse: Dargestellt werden:

  • Aufbau, Strukturmerkmale und Organisation des untersuchten Versorgungsmodells, das eine spezialisierte Versorgung von der Diagnostik, med. Behandlung, Reha-Therapie, Betreuung, Pflege, Hauswirtschaftsservice bis zur Angehörigenarbeit sowohl ambulant, teilstationär als auch im Betreuten Wohnen unter einem Dach integriert
  • Versorgungspfade und das Schnittstellenmanagement im Krankheitsverlauf
  • Kriterien gelingender integrierter Versorgung und für Versorgungsqualität (z.B. Ziel- u. Kulturentwicklung, definierte Arbeits- u. Kompetenzfelder sowie Schnittstellen, Qualitätsmanagement, Informations- u. Kommunikationstechnologien, modularisierte Angebotsstruktur, Case Management)
  • Reflexion eines qualitativ-interpretativen Designs zur Analyse sowie des Wissenstransfers

Diskussion: Deutlich wird, dass die Akteure im Feld infolge des regionalen Altersstrukturwandels und bestehender Versorgungsdefizite bereits innovative Lösungen entwickeln. Das vorgestellte Versorgungsmodell für Menschen mit Demenz zeigt, dass durch Spezialisierung, Bündelung von Leistungsanbietern und ambulanter, teilstationärer und Wohnstrukturen unter einem Dach, durch den Einsatz von Informationstechnologien und Strategien wie z.B. Fall-, Versorgungs- u. Überleitungsmanagement bereits heute eine umfassende und auf den im Krankheitsverlauf entstehenden Bedarf angepasste kontinuierliche Versorgung möglich ist, unter Ausschöpfung aller gesetzlichen Leistungen des SGB V, XI. Für Wissenschaft, Politik und Praxis erscheint es sinnvoll, stärker den Blick auf nachhaltige lokale Lösungsansätze zu richten, diese zu analysieren, weiterzuentwickeln und zu prüfen, inwiefern eine Übertragung des Ansatzes in andere Regionen zielführend ist.


Literatur

1.
Bickel H. Die Epidemiologie der Demenz. 2008.
2.
Ziegler U, Doblhammer G. Prävalenz und Inzidenz von Demenz in Deutschland – Eine Studie auf Basis von Daten der gesetzlichen Krankenversicherungen von 2002. 2009.
3.
Richter S, et al. Integriert versorgen bei Demenz – Gelingende Praxis am Beispiel der Memo Clinic®. München: Springer; 2014.