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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Hat eine IVF/ICSI-Behandlung einen gesundheitsökonomischen Wert für die deutsche Gesellschaft?

Meeting Abstract

  • Thomas Hildebrandt - Universitätsklinikum Erlangen, Frauenklinik, Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken (UFF), Erlangen, Deutschland
  • Nicola Oversohl - Universitätsklinikum Erlangen, Frauenklinik, Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken (UFF), Erlangen, Deutschland
  • Stefanie Frentz - Universitätsklinikum Erlangen, Frauenklinik, Dezernat 6, Erlangen, Deutschland
  • Ralf Dittrich - Universitätsklinikum Erlangen, Frauenklinik, Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken (UFF), Erlangen, Deutschland
  • Susanne Cupisti - Universitätsklinikum Erlangen, Frauenklinik, Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken (UFF), Erlangen, Deutschland
  • Patricia G. Oppelt - Universitätsklinikum Erlangen, Frauenklinik, Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken (UFF), Erlangen, Deutschland
  • Katharina Heusinger - Universitätsklinikum Erlangen, Frauenklinik, Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken (UFF), Erlangen, Deutschland
  • Matthias W. Beckmann - Universitätsklinikum Erlangen, Frauenklinik, Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken (UFF), Erlangen, Deutschland
  • Michael Patrick Lux - Universitätsklinikum Erlangen, Frauenklinik, Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken (UFF), Erlangen, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP102

doi: 10.3205/15dkvf192, urn:nbn:de:0183-15dkvf1926

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Hildebrandt et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Aufgrund des demographischen Wandels ist die deutsche Gesellschaft mit großen sozialpolitischen Problemen konfrontiert. Ein Grund ist die sinkende Geburtenzahl. Die assistierte Reproduktion bietet eine Lösungsmöglichkeit. Betroffene werden jedoch durch Zuzahlungen bzw. komplette Finanzierung der Leistungen deutlich belastet.

Fragestellung: Um die Bedeutung einer reproduktionsmedizinischen Behandlung für die deutsche Gesellschaft aus gesundheitsökonomischer Sicht zu analysieren, wurde ein Kostennutzwertmodell entwickelt.

Methode: Die qualitätsadjustierten Lebensjahre eines gewonnenen Menschenlebens wurden mittels des EQ-5D-Fragebogens an gesunden Menschen aller Altersklassen erhoben. Im Folgenden wurden die Kosten als auch Erlöse eines Menschenlebens (z.B. Anteil am Bruttosozialprodukt) aus gesellschaftlicher Perspektive detailliert erhoben. Im dritten Arbeitsschritt wurden die IVF/ICSI-Behandlungskosten aus Sicht der Patientin, der Kostenträger und eines universitären Fortpflanzungszentrums ermittelt. Abschließend wurden die Kosten pro QALY für die Reproduktionsmedizin berechnet.

Ergebnisse: Für ein gewonnenes Menschenleben wurden 77,25 QALYS ermittelt (Frauen 77,2 Männer 77,3). Unter Einbeziehung des Sozialbudgets ergab sich ein Erlös von 1,9 Mio. € pro Menschenleben (ohne Sozialbudget: 2,1 Mio. €). Die Kosten für den Patienten/Krankenkasse betrugen 1.400€ für eine ICSI- und 1.032€ für eine IVF-Behandlung. Es wurden Kosten pro QALY von -25.042,17€ kalkuliert. Unter Einbeziehung der Erfolgswahrscheinlichkeiten von 40,34% bei einer <29-jährigen Frau und von 16,55% einer 40-jährigen Frau, ergeben sich 31,16 bzw. 12,78 QALYs für einen reproduktionsmedizinischen Zyklus (Erlös pro QALY von 10.063€ bzw. 4.049€). Aus Sicht des Leistungserbringer eines universitären Fortpflanzungszentrums erscheint die Therapie jedoch nicht kostendeckend und ergibt negative Deckungsbeiträge (IVF -345,72€; ICSI -91,63€).

Diskussion: Die Datenlage zum gesundheitsökonomischen Nutzen reproduktionsmedizinischer Maßnahmen erscheint weltweit äußerst begrenzt. Vorliegende Daten aus Griechenland zeigen ebenfalls wie die vorliegende Arbeit eine positive Bilanz für IVF/ICSI-Therapien aus gesellschaftlicher Sicht. Im Vergleich zu anderen medizinischen Maßnahmen ergibt sich für keine andere Therapie ein derartig hoher Zugewinn an QALYs sowie eine derartig positive Erlössituation von bis zu 10.000€ je QALY. Diese positive Bilanz lässt sich für alle derzeit im Deutschen IVF-Register erfassten Altersgruppen nachweisen. Im Vergleich hierzu fallen im Rahmen anderer Therapien stets Kosten für den Zugewinn an QALYs an, während sich für reproduktionsmedizinische Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung ein Nettoerlös für die Gesellschaft ergibt.

Praktische Implikationen: Bei der assistierten Reproduktion handelt es sich aus gesundheitsökonomischer Sicht um eine äußert sinnvolle Maßnahme; eine komplette Kostenübernahme und entsprechende Honorierung der Zentren erscheint aus gesellschaftlicher Sicht notwendig.