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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Epidemiologie und Versorgung des Ulcus cruris in Deutschland

Meeting Abstract

  • Kristina Heyer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen, Hamburg, Deutschland
  • Kerstin Protz - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen, Hamburg, Deutschland
  • Katharina Herberger - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen, Hamburg, Deutschland
  • Gerd Glaeske - Universität Bremen, Zentrum für Sozialpolitik, Bremen, Deutschland
  • Matthias Augustin - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen, Hamburg, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP087

doi: 10.3205/15dkvf170, urn:nbn:de:0183-15dkvf1703

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Heyer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Patienten mit einem Ulcus cruris leiden unter hoher Krankheitslast und erfordern einen hohen pflegerischen sowie medizinischen Aufwand. Betrachtet man die Prävalenz oder Inzidenz des Ulcus cruris in Deutschland, finden sich nur wenige Arbeiten mit heterogenen Ergebnissen. Eine der festen Säulen in der kausalen Behandlung ist die medizinische Kompressionstherapie, deren Wirksamkeit in Studien guter Qualität hinreichend belegt wurde. Zur notwendigen Lokaltherapie chronischer Wunden zählen die Wundauflagen, welche in „nicht-hydroaktiv“ (konventionell) und „hydroaktiv“ (advanced) unterteilt werden können. Studien über die Versorgungsqualität bei Patienten mit Ulcus cruris in Deutschland existieren jedoch kaum.

Fragestellung: Vor dem Hintergrund sollen die vorliegenden Analysen sowohl die epidemiologische Situation sowie die Überprüfung der Berücksichtigung evidenzbasierter Therapieempfehlungen von Patienten mit Ulcus cruris in Deutschland darstellen.

Methodik: Sekundärdatenanalyse der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) (Barmer-GEK mit ca. 8 Mio. Versicherten) von 2009 bis 2012. Unterschiedliche Ziehungsalgorithmen als Sensitivitätsprüfung zur Identifizierung einer Wunde wurden entwickelt. Die Ergebnisse wurden zudem alters- und geschlechtsstandardisiert. Die Versorgung umfasst die Therapie mit Ulcus-Strumpfsystemen des Hilfsmittelverzeichnisses, mit Mehrkomponentensystemen, Kurzugbinden sowie Wundauflagen als verordnungsfähige Verbandmittel.

Ergebnisse: Die Prävalenz des Ulcus cruris betrug im Jahr 2012 zwischen 0,28% und 0,70% und die Inzidenz zwischen 0,17% und 0,25%. Hochgerechnet auf die deutsche Bevölkerung litten im Jahr 2012 zwischen 209.499 und 523.520 Personen sowie zwischen 114.520 und 171.780 neu erkrankten Personen unter einer Ulzeration. Über die Beobachtungsjahre 2009 bis 2012 zeigte sich eine annähernd lineare jährliche Erhöhung der Prävalenz um 0,04%.

Die Versorgung des inzidenten Ulcus cruris venosum zeigte, dass nur 40% der Versicherten eine Kompressionstherapie erhielten. Dabei stellten die Kompressionstrümpfe mit 34% den größten Anteil dar. Obwohl Mehrkomponentensysteme, die sich aus verschiedenen Komponenten wie Polsterung und Kompressionsbinden zusammensetzen, bereits seit 2000 am Markt und in ihrer Wirksamkeit belegt sind, werden diese nur sehr selten (2%) verordnet. 24% der Ulcus cruris Versicherten wurde ausschließlich mit nicht-hydroaktiven Wundauflagen behandelt, was vermutlich nicht einer leitlinien- sowie phasengerechten Wundbehandlung entspricht. Sowohl die Erkrankungshäufigkeit als auch die Versorgung ausschließlich mit nicht-hydroaktiven Wundauflagen oder einer Kompressionstherapie variiert regional in Deutschland deutlich.

Diskussion und praktische Implikationen: Im Vergleich zu den bisherigen publizierten Daten, meist aus regionalen Erhebungen, liegt die geschätzte Erkrankungshäufigkeit des floriden Ulcus cruris deutlich höher als bislang angenommen. Bis heute besteht eine deutliche Unterversorgung hinsichtlich der Kompressionsbehandlung beim Ulcus cruris venosum. Der Einsatz der Kompressionstherapie kann als relativ verlässlicher Indikator der leitliniengerechten Wundversorgung angesehen werden. Im Vergleich zu anderen, eher klinischen Indikatoren ist er auch auf Ebene der Sekundärdaten hinreichend valide zu erheben. Es besteht also weiterer Handlungsbedarf, um die leitliniengerechte Therapie mit Kompressionssystemen in der Behandlung von Patienten mit Ulcus cruris venosum stärker zu etablieren.