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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Prävalenz und Therapie psychischer Komorbiditäten bei Patienten mit COPD

Meeting Abstract

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  • Sonja Ansorge - Gesundheitsforen Leipzig GmbH, Medizin und Versorgungsforschung, München, Deutschland
  • Jana Schmidt - Gesundheitsforen Leipzig GmbH, Medizin und Versorgungsforschung, München, Deutschland
  • Katharina Larisch - Gesundheitsforen Leipzig GmbH, Medizin und Versorgungsforschung, München, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP085

doi: 10.3205/15dkvf168, urn:nbn:de:0183-15dkvf1681

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Ansorge et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die COPD ist eine chronische, fortschreitende Lungenerkrankung mit steigender Prävalenz. Während die COPD in Deutschland 1990 noch an sechster Stelle der häufigsten Todesursachen lag, wird sie bis zum Jahr 2020 auf die dritte Stelle vorrücken. Ebenso wird die COPD in diesem Zeitraum in der Morbiditätsstatistik vom vierten auf den dritten Platz aufsteigen. Psychische Erkrankungen wie Ängste und Depressionen sind bekannte Komorbiditäten der COPD und haben einen negativen Einfluss auf die COPD assoziierte Morbidität wie akute Exazerbationen und erhöhen die Mortalität. Angaben zur Häufigkeit von Angst und Depression bei COPD-Patienten variieren ganz erheblich. So haben Befragungen von Patienten gezeigt, dass rund zwei Drittel über psychische Probleme berichten während Ärzte nur bei einem Drittel psychische Begleitprobleme diagnostiziert haben. Eine medikamentöse Therapie erhält weniger als die Hälfte der Betroffenen.

Fragestellung: Ziel der vorliegenden Untersuchung auf Routinedaten ist die Frage, wie häufig psychische Erkrankungen wie Ängste und Depressionen bei COPD diagnostiziert sowie behandelt werden. Zudem wird der Zusammenhang von Schweregrad der COPD und psychischer Erkrankung bzw. Therapie dieser Komorbidität untersucht.

Methode: Als Datengrundlage dient eine Forschungsdatenbank mit Routinedaten unterschiedlicher gesetzlicher Krankenkassen. Diese Abrechnungsinformationen werden von den Krankenversicherern in vollständig anonymisierter Form für Analysezwecke bereitgestellt. Basispopulation waren Versicherte mit mindestens 2 ambulanten oder 1 stationären COPD-ICD (J44) in den Jahren 2008 bis 2013. Versicherte mit psychischen Komorbiditäten wurden ebenfalls über die ICD Kodierung (Angststörung: F41*/ F43*, Depression: F32*/ F33*) identifiziert. Untersucht wurde zusätzlich die Verordnung von Anxiolytika bzw. Antidepressiva sowie die Abrechnung einer Psychotherapie. Separat wurde die Häufigkeit von Verordnungen von Benzodiazepinen analysiert. Die einzelnen Gruppen wurden nach Alter- und Geschlecht getrennt untersucht, um besonders gut bzw. schlecht versorgte Subpopulationen zu bestimmen.

Ergebnisse: Im Zeitraum 2008 bis 2013 wurden 14.627 vollversicherte COPD-Patienten in der Forschungsdatenbank identifiziert. Bei 27% war in 2008 auch der Schweregrad der COPD kodiert. Dieser Wert steigt bis 2013 auf 31%. In 2008 wurde bei 7% der COPD Patienten eine Angststörung, bei 18% eine Depression kodiert. Diese Zahlen stiegen bis 2013 leicht an auf 10% bzw. 26%. Ein Zusammenhang zwischen Schweregrad und Häufigkeit der psychischen Komorbiditäten zeigte sich nicht. So zeigten in 2008 je 7% mit COPD-Schweregrad I und II sowie je 8% mit Schweregrad III und IV eine Angststörung. Bei der Depression waren es 20% bei Schweregrad I, 17% bei Schweregrad II sowie je 19% bei Schweregrad III und IV. Sowohl bei den Depressionen als auch bei den Angststörungen wurde knapp die Hälfte der Betroffenen medikamentös mit Antidepressiva bzw. Anxiolytika behandelt. Die Therapiequote war über alle Schweregrade konstant. 20% der Versicherten mit Angststörungen wurde mit Benzodiazepinen behandelt, zwischen 60 und 64% dieser Personen bekamen mehr als eine Bezodiazepin Verordnung. Am häufigsten werden psychische Störungen bei 50 bis 60 Jährigen diagnostiziert und behandelt, bei Frauen deutlich häufiger als bei Männern.

Diskussionen: Diese Untersuchung auf Routinedaten verschiedener Gesetzlicher Krankenkassen zeigt, dass psychische Komorbiditäten im Versorgungsalltag selten diagnostiziert und behandelt werden. Ob diese Komorbidität nicht erkannt oder nicht kodiert wird kann auf Basis der Daten nicht entschieden werden. Dennoch passt das Ergebnis mit den Ergebnissen aus strukturierten Umfragen bei COPD Patienten. Auffällig sind die hohen Verordnungsraten von Benzodiazepinen. Rund ein Fünftel der COPD Patienten mit Angststörungen bekommt diese Medikamente, bei rund zwei Drittel wird es längerfristige verordnet. Benzodiazepine haben zwar eine gute angstlösende Wirkung, jedoch auch ein hohes Abhängigkeitspotential und sollten daher nicht länger als 4 Wochen verordnet werden. Zudem ist ihr Einsatz bei COPD riskant, da die Atemdepression eine bekannte Nebenwirkung darstellt. Nicht-medikamentöse Interventionen wie Psychotherapie wurden nicht verordnet.

Praktische Implikationen: Die Analyse zeigt, dass es eine deutliche Diskrepanz zwischen den in Umfragen ermittelten Häufigkeiten von Depressionen und Ängsten bei COPD Patienten und der tatsächlichen Diagnose bzw. Therapie gibt. Behandelnde Leistungserbringer sollten für die Komorbiditäten und ihren Einfluss auf die Morbidität und Mortalität sensibilisiert werden. Auffällig sind die Verordnungsraten von Benzodiazepinen bei Angststörungen, die bei Patienten mit COPD wegen des Nebenwirkungsspektrums als riskant gelten.