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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Die Versorgungsrealität von Patienten mit einer Immunthrombozytopenie (ITP) in einer Schwerpunktpraxis für Hämatologie und Onkologie

Meeting Abstract

  • Rudolf Weide - Praxisklinik für Hämatologie und Onkologie Koblenz, Koblenz, Deutschland
  • Stefan Feiten - Institut für Versorgungsforschung in der Onkologie, Koblenz, Deutschland
  • Vera Friesenhahn - Institut für Versorgungsforschung in der Onkologie, Koblenz, Deutschland
  • Jochen Heymanns - Praxisklinik für Hämatologie und Onkologie Koblenz, Koblenz, Deutschland
  • Kristina Kleboth - Institut für Versorgungsforschung in der Onkologie, Koblenz, Deutschland
  • Jörg Thomalla - Praxisklinik für Hämatologie und Onkologie Koblenz, Koblenz, Deutschland
  • Christoph van Roye - Praxisklinik für Hämatologie und Onkologie Koblenz, Koblenz, Deutschland
  • Hubert Köppler - Praxisklinik für Hämatologie und Onkologie Koblenz, Koblenz, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP082

doi: 10.3205/15dkvf165, urn:nbn:de:0183-15dkvf1651

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Weide et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Immunthrombozytopenie (ITP) ist eine Autoimmunerkrankung, die durch einen Mangel an Thrombozyten gekennzeichnet ist, was zu einer erhöhten Blutungsneigung führt. Neue Therapieoptionen wie Thrombopoietin-Rezeptor-Agonisten (TRA) und Rituximab haben Einzug in den klinischen Behandlungsalltag gehalten und werden in nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen.

Fragestellung: Mit dieser Analyse sollten folgende Fragen zur Routineversorgung von ITP-Patienten beantwortet werden:

1.
Wie werden ITP-Patienten diagnostiziert und therapiert?
2.
In welchen Sequenzen werden die Therapien appliziert?
3.
Wie viele Patienten versterben aufgrund von Blutungsereignissen?
4.
Wie hoch ist die Hospitalisationsrate?

Methode: Retrospektive Analyse aller ITP-Patienten, die zwischen 06/1995 und 12/2014 in der Praxisklinik für Hämatologie und Onkologie Koblenz behandelt wurden. Klinisch relevante Behandlungsdaten wurden aus den Patientenakten extrahiert und mit Hilfe von SPSS 19 analysiert.

Ergebnisse: 422 Patienten mit einem medianen Alter von 55 Jahren (7-91) bei Erstdiagnose wurden evaluiert. 57% waren weiblich, 43% männlich. 374 (89%) wurden als primäre ITP klassifiziert, 322 (76%) litten unter einer chronischen ITP. Bei 241 Patienten (57%) war eine Knochenmarkbiopsie Teil des Diagnostikprozesses. 198 Patienten (47%) benötigten aufgrund ihrer Blutungsneigung eine Therapie. Die first line Therapie (n=198) bestand in 81% der Fälle aus Steroiden, in 12% aus intravenösem Immunglobulin G (ivIgG) und in 6% aus einer kombinierten Gabe von ivIgG und Steroiden. Als second line Therapie (n=105) wurden ivIgG in 48% der Fälle eingesetzt, Steroide in 23%, ivIgG plus Steroide in 18%, andere immunsuppressive Substanzen (ohne Steroide) in 11% und in 5% eine Splenektomie. In der dritten Linie (n=68) waren 21% der Therapien Splenektomien, 34% andere immunsuppressive Substanzen, 15% ivIgG, 25% Steroide, 9% eine Kombination aus ivIgG und Steroiden, 9% Rituximab und 4% TRA. Die vierte Therapielinie (n=40) bestand zu 25% aus Steroiden, zu 25% aus einer Splenektomie, zu 38% aus anderen immunsuppressiven Substanzen, zu 15% aus ivIgG, zu 10% aus Rituximab und zu 3% aus TRA. Therapiebedürftige Patienten erhielten im Median 2 Therapielinien (1-10). 93% dieser Patienten erhielten Steroide, 55% ivIgG, 21% wurden splenektomiert und 23% erhielten andere immunsuppressive Substanzen. Rituximab und TRA wurden dagegen nur bei 10% bzw. 6% eingesetzt. 72% der behandelten Patienten erreichten nach ihrer letzten Therapie eine dauerhafte Remission (komplett oder partiell). 10% zeigten kein Ansprechen, bei 18% konnte das Ansprechen (noch) nicht beurteilt werden, teilweise auch aufgrund von externen Behandlungen. 145 Patienten (73%) waren anschließend off-treatment. 1 Patient (0,2%) verstarb aufgrund von Blutungsereignissen. Die ITP-assoziierte Hospitalisationsrate lag bei 18% (ohne Splenektomien), die mediane Hospitalisationsdauer betrug 9 Tage (2-45).

Diskussion: Knochenmarkbiopsien werden bei 57% der Patienten im Diagnostikprozess eingesetzt. Die häufigsten Behandlungsmodalitäten sind Steroide, ivIgG sowie andere immunsuppressive Substanzen und die Splenektomie. Rituximab und TRA werden dagegen nur selten eingesetzt. Ein hoher Prozentsatz der Patienten erreicht eine dauerhafte Remission, die ITP-assoziierten Hospitalisations- und Mortalitätsraten sind äußerst niedrig.

Praktische Implikationen: Für ITP-Patienten stehen effektive Behandlungsansätze zur Verfügung, die aber nicht alle zugelassen sind. Die zugelassenen und vergleichsweise teuren TRA erweitern die therapeutischen Möglichkeiten, haben aus Patientensicht jedoch den Nachteil, dass sie dauerhaft eigenommen bzw. injiziert werden müssen. Bei der Beurteilung der Splenektomie steht den OP-Risiken eine hohe Heilungschance und damit eine dauerhafte Therapiefreiheit gegenüber. Patienten mit ITP können durch erfahrene Hämatologen nahezu komplett ambulant betreut werden.