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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Wege ins Leben – Erfassung des multimodalen Unterstützungsbedarfes ambulanter Tumorpatienten

Meeting Abstract

  • Sandra van Eckert - University Medical Center Hamburg Eppendorf, Sport- und Bewegungsmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Stefan Patra - University Medical Center Hamburg Eppendorf, Sport- und Bewegungsmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Silke Klapdor - PIM GmbH (Patienten im Mittelpunkt), Hamburg, Deutschland
  • Karl-Heinz Schulz - University Medical Center Hamburg Eppendorf, Sport- und Bewegungsmedizin, Hamburg, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP080

doi: 10.3205/15dkvf163, urn:nbn:de:0183-15dkvf1631

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 van Eckert et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Nach der stationären Entlassung von onkologischen Patienten zeigen sich Defizite in der ambulanten Versorgung hinsichtlich adjuvanter Therapien, sowohl im flächendeckenden Angebot als auch in der Wirksamkeit der angebotenen Leistungen (Chambers et al. 2012, Mehnert et al. 2012). Eine umfassende Versorgung, das heißt die Unterstützung des onkologischen Patienten sowohl auf psychischer, sozialer als auch auf körperlicher Ebene fördert den positiven Verlauf von Tumorerkrankungen.

Fragestellung: Valide Erfassungen der Bedarfslage von ambulanten deutschen Tumorpatienten bezüglich zusätzlicher Versorgungsangebote liegen derzeit nicht vor. Das Ziel dieser Studie besteht darin, den Unterstützungsbedarf von Patienten mit Tumordiagnose im ambulanten Versorgungssektor zu beschreiben. Begleitend dazu sollen die gesundheitsbezogene Lebensqualität, das psychische Wohlebefinden und anthropometrische Daten zum physischen Zustand erfasst werden.

Methode: Eine konsekutive Stichprobe von 132 ambulanten Tumorpatienten mit unterschiedlicher Tumordiagnose und Stadium aus 8 norddeutschen onkologischen Schwerpunktpraxen nahm an der deskriptiven Querschnittssudie teil. Die Befragung wurde im Rahmen einer Ernährungsberatung in der jeweiligen Praxis durchgeführt. Zusätzlich zur Erhebung des Unterstützungsbedarfs (Supportive Care Needs Survey SCNS SF-34), der krebsspezifischen Belastung (NCNN Distress Thermometer), der Fatigue (Multidimensional Fatigue Inventory MFI-20), Angst und Depressivität (Hospital Anxiety and Depression Scale HADS) und der Lebensqualität (SF- 36 Fragebogen zum Gesundheitszustand) werden die Handkraft der Patienten, Gleichgewicht und Körperstabilität (S3- MFT Check) und die Körperzusammensetzung (BIA- Bioelektrische Impedanzananlyse) bestimmt.

Ergebnisse: Der Altersdurchschnitt der 60 Männer und 72 Frauen beträgt im Mittel 64.3 Jahre (SD=11.4).

81 Prozent der Patienten äußert Bedarf an psychologischer Unterstützung (n=107), 72 Prozent an der Unterstützung bei körperlichen Aspekten und im Alltag (n=95), gefolgt vom Unterstützungsbedarf im Bereich Gesundheitssystem/ Information (n=90, 68.2 Prozent) und bei der medizinischen/pflegerischen Versorgung (n=79, 59.8 Prozent). Einen etwas geringeren Unterstützungsbedarf geben die Patienten im Bereich Partnerschaft und Sexualität (n=57, 43.2 Prozent) an.

Das Belastungsniveau im NCNN Distress Thermometer liegt im mittleren Bereich (M=5.5, SD=2.4), dabei liegt die Hauptlast bei körperlichen und psychischen Problemen. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität liegt signifikant unterhalb der Norm. Fatigue und Depressivität sind unter ambulanten Tumorpatienten stärker ausgeprägt als in der Normpopulation.

Die Ergebnisse für Handkraft, BIA-Messung (Phasenwinkel), Körperstabilität und Sensomotorik liegen signifikant unter den altersentsprechenden Normwerten und korrelieren signifikant mit der körperlichen Lebensqualität und Fatigue.

Diskussion: Für ambulante Tumorpatienten stellen die Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die ausgeprägte Müdigkeit und depressive Symptome die häufigsten und gravierendsten Probleme dar. Der Teufelskreis aus verminderter Leistungsfähigkeit, Fatigue Symptomatik und eingeschränkter Lebensqualität (Abbildung 1 [Abb. 1]), wird im Rahmen einer onkologischen Therapie oftmals beschrieben.

Ein besserer körperlicher Zustand der untersuchten Patienten geht dagegen mit einer besseren körperlichen Lebensqualität und weniger Fatigue einher. Eine darauf abgestimmte Lebensstilintervention könnte eine hilfreiche adjuvante Therapie für ambulante Tumorpatienten darstellen. Laut aktuellen Übersichtsarbeiten kann neben der medizinischen Behandlung hauptsächlich eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und ein bewusster Umgang mit Stress bzw. die psychoonkologische Begleitung die Lebensqualität von onkologischen Patienten unabhängig von der Tumordiagnose signifikant verbessern (Rock et al. 2012, Mishra et al. 2012, Rie et al. 2012).

Praktische Implikationen: Durch eine individuelle Erfassung des Unterstützungsbedarfes des ambulanten Tumorpatienten können bedarfsgerechte multimodale Interventionen geplant und umgesetzt werden. Multimodale adjuvante Therapiestrategien sind eine therapeutisch wertvolle Ergänzung der medizinischen Behandlung.