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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Qualitätssicherung in der medizinischen Rehabilitation durch eine Analyse des Versorgungsgeschehens

Meeting Abstract

  • Astrid Wirth - Uniklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Freiburg, Deutschland
  • Katharina Quaschning - Uniklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Freiburg, Deutschland
  • Thorsten Meyer - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland
  • Daniel Nowik - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland
  • Heiner Vogel - Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie und Rehabilitationswissenschaften, Würzburg, Deutschland
  • Irina Block - Universität Würzburg, Abteilung für Medizinische Psychologie und Rehabilitationswissenschaften, Würzburg, Deutschland
  • Erik Farin-Glattacker - Uniklinikum Freiburg, Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Freiburg, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV97

doi: 10.3205/15dkvf063, urn:nbn:de:0183-15dkvf0631

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Wirth et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mittels der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) kann das Leistungsspektrum in der medizinischen Rehabilitation abgebildet und im Sinne der Qualitätssicherung beurteilt werden. Die Reha-Einrichtungen erhalten hierzu einen Bericht zur Reha-Qualitätssicherung mit den Auswertungen der therapeutischen Leistungen, die die Rehabilitanden während der Reha-Behandlung bekommen haben. Anhand dessen können die Einrichtungen überprüfen, inwieweit ihre Behandlung mit anderen Einrichtungen vergleichbar ist und den Vorgaben der aktuellen Reha-Therapiestandards (RTS) entspricht. Die Reha-Therapiestandards formulieren Anforderungen zur Gestaltung von Therapieprozessen auf Basis der Klassifikation therapeutischer Leistungen. Ziel der RTS ist eine Evidenzbasierung der medizinischen Rehabilitation. Im Rahmen eines Projekts der DRV Bund zur Überarbeitung und Aktualisierung der Reha-Therapiestandards werden diese derzeit an den aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand angepasst.

Fragestellung: Zu welchen Ergebnissen führt ein Abgleich des tatsächlichen Versorgungsgeschehens, welches über die KTL-Daten erfasst wurde, mit den Anforderungen der Reha-Therapiestandards? Welche Relevanz haben diese Resultate für die aktuelle Überarbeitung der Reha-Therapiestandards?

Methode: Für die Indikationen Brustkrebs, Chronische Rückenschmerzen, Diabetes mellitus Typ 2, Hüft- und Knie-TEP, Schlaganfall Phase D sowie für Kinder und Jugendliche mit Adipositas, Asthma bronchiale oder Neurodermitis wurden die KTL-Daten aus dem Berichtsjahr 2012 für 1059 Reha-Einrichtungen mit insgesamt 289.225 Rehabilitanden von der DRV Bund bereitgestellt. Diese beziehen alle rehabilitativen Einrichtungen mit ein, von welchen mindestens 50 Reha-Entlassungsberichte mit KTL-Daten vorlagen. Es wurden KTL-Datenanalysen durchgeführt, um zu überprüfen, in welchem Umfang die Einrichtungen die von den Reha-Therapiestandards formulierten Mindestanforderungen hinsichtlich des Mindestanteils zu behandelnder Rehabilitanden sowie hinsichtlich der formalen Ausgestaltung (Mindesthäufigkeit und -Dauer) der Therapien erfüllen.

Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Varianz der Erfüllungsgrade zwischen den verschiedenen Indikationen wie auch innerhalb der Indikationen zwischen den verschiedenen Therapiemodulen auf Einrichtungsebene. Die Anforderungen der Reha-Therapiestandards wurden für keine der Indikationen vollständig erfüllt. Für die Indikation Brustkrebs (92 Einrichtungen mit 34.604 Rehabilitanden) erfüllten beispielsweise 97.8% der Einrichtungen die Mindestanforderungen (mind. 240 min. und 5 Mal pro Woche für mind. 75% der Rehabilitanden) für das Therapiemodul „Bewegungstherapie“, für das Therapiemodul „Patientenschulung“ (mind. 180 Minuten pro Rehabilitation für mind. 80% der Rehabilitanden) waren es nur 18,5% der Einrichtungen. Bei jeder Indikation wurden die Mindestanforderungen der Reha-Therapiestandards für mindestens ein Therapiemodul von weniger als einem Drittel der Einrichtungen voll erfüllt, für die Indikation Schlaganfall gilt dies sogar für 11 von 17 Therapiemodulen. Detailliertere Analysen zeigen, dass auch bei einer Nicht-Erfüllung der Mindestanforderungen bei einem Großteil der Einrichtungen therapeutische Leistungen erbracht wurden, welche knapp unterhalb der von den RTS vorgegebenen Mindestanforderungen lagen.

Diskussionen: Die aufgezeigten Diskrepanzen zwischen den Anforderungen der Reha-Therapiestandards und der Versorgungsrealität anhand der KTL-Daten sind bedeutsam und in einigen Fällen gravierend. Ursache hierfür kann neben einer tatsächlich geringen Durchführung therapeutischer Leistungen auch ein Dokumentationsproblem bei der Erfassung und Zusammenstellung der KTL-Daten in den Kliniken sein. Unterschiede in der Leistungserbringung zwischen den Einrichtungen sind möglicherweise auf unterschiedliche Reha-Konzepte und Rehabilitandenstrukturen zurückführen. Grundsätzlich ist bei der Überarbeitung der Reha-Therapiestandards zu berücksichtigen, dass eine geringe Erfüllung der Mindestanforderungen auch bedeuten kann, dass diese Anforderungen ggf. zu hoch gesetzt sind und von den Reha-Einrichtungen aufgrund personeller Engpässe oder dem Gesundheitszustand der Rehabilitanden nicht erfüllt werden können. Für die Aktualisierung der Reha-Therapiestandards können die Analysen der KTL-Daten demnach ein wichtiger Anhaltspunkt sein. Diese Daten sollten jedoch im Zusammenhang mit weiteren Evidenzquellen beurteilt werden. Deshalb werden im Rahmen der zurzeit erfolgenden Aktualisierung der RTS auch Ergebnisse einer systematischen Literaturrecherche und Expertenmeinungen miteinbezogen.

Danksagung: Wir danken der Deutschen Rentenversicherung Bund für die Projektförderung und unseren dortigen Ansprechpartnern (insbesondere Frau Volke) für die unterstützende Projektbegleitung.